IM GESPRÄCH: YVES CHOUEIFATY, CEO TOBAM

"Es gibt kein Smart Beta"

Der Mathematiker über Moden in Aktienindizes, das Problem von ETF und maximale Diversifikation

"Es gibt kein Smart Beta"

Die gängigen, nach Marktkapitalisierung berechneten Aktienindizes gewichten nach Auffassung von Yves Choueifaty, CEO der Assetmanagement-Boutique Tobam, die Aktien, die gerade in Mode sind, über und sind nicht breit diversifiziert. Viele Faktor-Ansätze wie Low Volatility seien nicht Smart Beta, sondern Alpha.Von Werner Rüppel, FrankfurtNach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes hält Yves Choueifaty, CEO und Gründer der Assetmanagement-Boutique Tobam (Think Out of The Box Asset Management), für nicht effizient. “Diese Indizes spiegeln vor allem wider, was derzeit trendy ist”, erklärt der studierte Mathematiker im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Je stärker eine Branche gefragt sei, desto stärker werde sie im Index repräsentiert. Dies führe zu erheblichen Ungleichgewichten und Risiken. “Diversifikation sieht anders aus”, stellt Choueifaty fest. Kurseinbrüche folgenAuf die Höhergewichtung von Modebranchen seien in den vergangenen Jahrzehnten oft deutliche Kurseinbrüche derselben erfolgt. Als Beispiele nennt Choueifaty Ölaktien im Jahr 1980, das Platzen der Dot.com-Blase nach dem Jahr 2000 oder der Abwärtstrend der Bankaktien ab dem Jahresbeginn 2007. Aktuell seien Technologieaktien wie etwa Apple hoch bewertet. Ein langfristig orientierter Investor sollte bei Moden am Aktien- oder Anleihemarkt aber eher auf der Seite der Verkäufer stehen als auf der “Buy Side”, wie dies mit den nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes eben der Fall sei. Hohe Risiken bei ETFDas sei auch das Problem der passiven Produkte und der Indexfonds-Industrie. “Der Käufer eines ETF, der einen nach Marktkapitalisierung berechneten Index erwirbt, denkt vielleicht, er halte ein diversifiziertes Portfolio”, sagt Choueifaty. “Das stimmt aber nicht. Er ist nicht breit diversifiziert. Er hat Trendbranchen übergewichtet, und was modisch ist, ist teuer.” Die damit verbundenen impliziten Wetten auf die übergewichteten Branchen gingen mit hohen Risiken einher – wie die genannten Beispiele zeigten.Die 2005 von Choueifaty gegründete Boutique Tobam stehe für maximale Diversifikation. Choueifaty ist zwar inzwischen seit 25 Jahren in der Investmentindustrie tätig und war vor der Tobam-Gründung CEO von Credit Lyonnais Asset Management. Von der Ausbildung her ist er aber Mathematiker und denkt auch als solcher noch immer streng rational. “Bei Tobam haben wir eine Maximum-Diversifikations-Methode entwickelt, die auf einem mathematischen Ansatz beruht, und uns diesen auch patentieren lassen”, sagt Choueifaty. Dieser sogenannte Anti-Benchmark-Ansatz wurde zunächst auf die Aktienmärkte (weltweit für entwickelte Märkte und für Schwellenländer sowie für verschiedene Regionen) angewandt und wird seit 2014 auch auf Anleihen übertragen. Die laut Choueifaty maximal diversifizierten Portfolien werden monatlich und bei Schwellenländern vierteljährlich neu adjustiert. Calpers hält 7 ProzentTobam verwaltet inzwischen Assets über 8,5 Mrd. Dollar und beschäftigt 52 Experten am Sitz in Paris sowie in sechs Niederlassungen. Tobam gehört zu 73 % ihren Mitarbeitern. Seit April 2011 ist die kalifornische Pensionskasse Calpers mit 7 % an Tobam beteiligt; Calpers war die erste US-Pensionskasse, die in die Tobam-Produkte investierte. Seit Mai 2012 hält Amundi 20 % an Tobam. Mit dem Partner Amundi möchte Choueifaty in Europa und Asien wachsen. In Kanada arbeitet Tobam mit Mackenzie Investments zusammen, die mehrere ETF auf die von Tobam entwickelten breit diversifizierten Indizes aufgelegt haben. In Kürze will der Tobam-CEO eine weitere Partnerschaft in den USA verkünden. Nur Alpha-WettenChoueifaty gilt als Smart-Beta-Pionier, weil er bereits 2005 breit diversifizierte Fondsprodukte entwickelt hat. Er glaubt nicht, dass es viele Smart-Beta-Fonds gibt: “Ich frage mich, ob Faktor-Ansätze wie Low Volatility Smart Beta sind, ich denke sie sind Alpha.” Was heute alles als Smart Beta bezeichnet werde, sei nicht immer diversifiziert, nicht breit gestreut. Im Grunde würden Anleger mit diesen Produkten nicht die gesamten Investmentmöglichkeiten kaufen, sondern Alpha-Wetten eingehen. “Es gibt kein Smart Beta, es gibt ein diversifiziertes Beta, ein biased Beta und Alpha”, folgert der Mathematiker. Tobam habe einen anderen Ansatz. Choueifaty erklärt: “Das Kernportfolio sollte breit diversifiziert sein. Unsere mathematisch entwickelten Produkte sind es.”