US-Autobauer

Ford kommt spät zur Elektroauto-Party

Der Aktienkurs von Ford ist zwar nach Ankündigung hoher Investitionen in die Elektromobilität kräftig gestiegen. Die im Vergleich schwache Ertragskraft könnte den Wandel des Konzerns jedoch behindern.

Ford kommt spät zur Elektroauto-Party

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die großen Automobilkonzerne der Welt sind durch die Coronakrise hart getroffen worden. Umsätze und Ergebnisse brachen stark ein. Inzwischen ist es jedoch zu einer rasanten Erholung gekommen, angetrieben durch die enormen fiskalischen Hilfen der Regierungen. Nun jedoch wird die Autoindustrie von einer neuen Krise heimgesucht: Die Beschaffung von Materialien erweist sich als zunehmend schwierig, insbesondere bei den Halbleitern, von denen die Branche in einem hohen Maß abhängig ist.

Davon stark betroffen ist auch einer der ältesten noch existierenden Autokonzerne, die 1903 gegründete Ford Motor Company als der zweitgrößte amerikanische und weltweit fünf größte Player der Branche. So schloss das Management zeitweise nicht aus, dass der Absatz aufgrund der Engpässe um 50% heruntergefahren werden muss. Dazu ist es zwar nicht gekommen, aber die Aussage zeigt, dass die Nerven blank liegen.

Die Anleger haben jedoch die Ruhe weg. Der Aktienkurs hat sich zuletzt ausgesprochen gut entwickelt. Im bisherigen Jahresverlauf ist ein Anstieg von satten 76% zu verzeichnen, was sich mit einem Plus des S&P500 von lediglich 16% vergleicht. Auf Sicht von einem Jahr hat sich der Kurs verdoppelt, während der S&P500 lediglich um ein Viertel expandiert ist. Und selbst kurzfristig ist die Performance beeindruckend, wenn man berücksichtigt, dass das Thema der Chipknappheit omnipräsent ist. Binnen eines Monats ergab sich ein Kursanstieg von fast 16%, während der S&P 500 2,6% eingebüßt hat. Die Ford-Aktie hat sich auch deutlich besser entwickelt als US-Branchenprimus General Motors (GM) und ist auch von der Bewertung her in eine andere Dimension vorgerückt. Auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Ford-Aktie von 17,9, während GM lediglich auf 6,7 kommt. Selbst Toyota als Beispiel für einen über viele Jahre gut geführten Automobilkonzern kann mit 9,4 momentan nicht recht mithalten. Der Elektroautopionier Tesla liegt von der Bewertung her zwar mit einem KGV von 422 extrem weit darüber, aber hier wird an der Börse schlicht ein Schneeballsystem ge­spielt, das nichts mehr mit fundamentalen Größen zu tun hat.

Einst kurz vor der Pleite

Um die Jahrtausendwende stand Ford kurz vor der Pleite und musste vom Staat mit 13,4 Mrd. Dollar gerettet werden, im Krisenjahr 2020 gab es zwar einen Umsatzrückgang von 18,5% auf 127,1 Mrd. Dollar und unterm Strich einen Verlust von 1,28 Mrd. Dollar zu verdauen, der Konzern geriet dadurch aber in keiner Weise ins Wanken. Moderat positiv gestimmt sind daher auch die Analysten hinsichtlich der Aktie. Von 22 Banken raten zehn zum Kauf, zwei Stufen den Titel mit „Overweight“ ein. Neun Häuser raten immerhin dazu, den Titel im Portfolio zu behalten, und es gibt eine einzige Verkaufsempfehlung. Nach den Kursgewinnen der vergangenen Monate wird allerdings wenig zusätzliches Po­tenzial gesehen. Gemäß der Konsensschätzung liegt das Kursziel bei 16,19 Dollar, was gegenüber dem aktuellen Niveau praktisch keinen nennenswerten Anstieg bedeuten und immer noch unter dem Allzeithoch der Aktie von 17,78 Dollar aus dem Jahr 1999 liegen würde.

Ein wichtiger Antrieb für die Kursentwicklung ist der vom Konzern vorgestellte Plan, massiv in die Elektromobilität zu investieren. Bis 2025 sollen 30 Mrd. Dollar ausgegeben werden, damit sollen zum Ende der Dekade hin 40 bis 50% der verkauften Fahrzeuge elektrisch angetrieben sein. Ende September wurde dann noch der Bau einer Fabrik für Elektroautos in Tennessee und von zwei Werken für Batterien in Kentucky für insgesamt 11,4 Mrd. Dollar bekannt gegeben. Analyst Adam Jonas von Morgan Stanley merkt dazu an, Ford seid zwar spät zu der Party hinzugekommen, habe aber die Musik laut aufgedreht. Man bemühe sich nun, verlorene Zeit aufzuholen. Jonas rät aber dennoch zum Verkauf der Aktie bei einem Kursziel von lediglich 11 Dollar. Emmanuel Rosner von der Deutschen Bank sieht die Lage positiver und stuft Ford mit „Hold“ ein mit einem Kursziel von 16 Dollar. Andere Analysten hoffen darauf, dass die Elektrifizierung wahrscheinlich bei den leichten Nutzfahrzeugen, bei denen Ford mit seinen Pick-up-Baureihen F150 bis F350 marktführend ist, rasanter verlaufen könnte als bei den Fahrzeugen für Konsumenten.

Allerdings ist weder Ford noch Erzrivale General Motors der erste US-Autohersteller, der einen elektrisch angetriebenen Pick-up-Truck an Kunden ausliefern kann. Dies ist dem Start-up-Unternehmen Rivian gelungen, in dem Ford immerhin neben Amazon mit einem Investment den Fuß in der Tür hat.

Trotz Elektro-Euphorie und Optimismus der Anleger muss festgehalten werden, dass Ford in vielen Bereichen schlechter aussieht als die wichtigsten Wettbewerber. So liegt Ford bei den Erlösen im bisherigen Jahresverlauf noch recht deutlich unter dem Umsatz des Vorkrisenjahres 2019, was für GM, VW und Toyota nicht gilt. In China, dem wichtigsten Automobilmarkt, verliert der Konzern seit 2014 Marktanteile. Und auch die Profitabilität lässt zu wünschen übrig. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) ist bei GM doppelt so hoch bei in etwa denselben Erlösen und bei VW und Toyota viermal so groß bei einem doppelt so hohen Umsatz. Die schwache Profitabilität be­grenzt die Fähigkeit des Konzerns, sich mit Investitionen für die kommende Ära des Elektroautos fit zu machen. Dies lässt sich bereits klar erkennen: Nach zwei Jahren des Rückgangs befinden sich die Investitionen (Capex) um 26% unter dem Niveau von 2019. Die Investitionen von GM sind viermal­ so hoch. Die versprochenen 30 Mrd. Dollar wären allerdings eine deutliche Verbesserung.

Ertragsbringer Pick-up F150

Anleger sollten besonders auf eine Zahl achten: Der mit Abstand wichtigste Ertragsbringer ist das Pick-up-Modell F150, das sich weltweit am besten verkaufende Auto mit 787442 Einheiten im Jahr 2020, das auch eines der profitabelsten Fahrzeuge aller Zeiten ist. Nach Berechnungen von Auto­motive News musste die Produktion des Modells wegen der Chipknappheit bereits um 110000 Fahrzeuge zurückgefahren werden. Einschnitte bei diesem Modell tun Ford besonders weh und beeinträchtigen die Zukunftsfähigkeit des Konzerns.