Gemischte Aussichten für Rüstungsaktien
Gemischte Aussichten für Rüstungsaktien
US-Aktien gelten als teuer – Kurspotenzial auch in Europa teilweise ausgereizt – Chancen bei Rheinmetall und Thales gesehen
Rüstungsaktien haben einen enormen Boom hinter sich, getragen von der Zuspitzung der internationalen Konflikte und dem Krieg in der Ukraine. Während insbesondere US-Aktien aus der Branche teuer erscheinen, gibt es für Investoren in Europa noch Perspektiven bei einigen Aktien, während andere ebenfalls teuer sind.
ku Frankfurt
Im Einklang mit der sich international verschlechternden Sicherheitslage und den vielerorts wachsenden Kriegsgefahren haben die Rüstungsaktien einen beispiellosen Boom hinter sich. Insbesondere für die amerikanischen Rüstungsaktien begann die Hausse bereits um das Jahr 2015, als mit der ersten Phase des Kriegs im Donbass und zuvor der Ausdehnung der russischen Souveränität auf die Krim der Konflikt zwischen Russland und der Nato deutlich an Schärfe gewann. Seither hat sich beispielsweise der Kurs der Aktie des größten amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin fast verfünffacht. Für europäische Rüstungsaktien fing der Boom deutlich später an, wie sich am Beispiel von Rheinmetall erkennen lässt. Die Aktie verzeichnete seit Anfang 2022 sehr kräftige Kursgewinne. Binnen der vergangenen zwölf Monate haben die Titel von Rheinmetall einen Anstieg um rund 27% verzeichnet, seit Jahresanfang ergibt sich sogar eine steile Verteuerung um fast 44%. Ähnliches gilt für Hensoldt, ein Unternehmen, das 2017 aus ehemaligen Geschäftsbereichen von Airbus Defence and Space entstanden ist. Hensoldt haben auf Sicht von einem Jahr um rund 43% an Wert zugelegt, seit Jahresanfang ergibt sich sogar ein Wertzuwachs von mehr als 66%.
In jüngster Zeit werden mit dem sich verschärfenden Ost-West-Konflikt die Rüstungsausgaben überall stark hochgefahren. Die USA dringen darauf, dass sämtliche Nato-Staaten ihre Verteidigungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes oder darüber erhöhen, was derzeit nur ein Teil der Mitgliedsländer erfüllt. Die Bundesregierung hat ein zusätzliches Ausgabenpaket für Rüstung von rund 100 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Es werden aber schon in Berlin zahlreiche Stimmen laut, die 300 Mrd. Euro fordern. Dazu trägt insbesondere die Aussicht der für die Nato zunehmend schwierigen Situation der ukrainischen Armee im Krieg gegen Russland bei. Der ukrainischen Armee geht die Munition aus, die westliche Rüstungsindustrie müsste ihre Produktion drastisch hochfahren. Dies könnte für die Unternehmen einen warmen Geldregen bedeuten, allerdings erweist sich der Aufbau der Kapazitäten als schwierig und langwierig.
Schwierigkeiten gibt es auch mit vielen Hightech-Produkten der westlichen Hersteller, die sich für Peer-to-Peer-Konflikte hoher Intensität wie im Ukraine-Krieg als wenig tauglich erweisen und die teilweise den Produkten aus russischer und chinesischer Produktion unterlegen sind. Nach Einschätzung von Branchenkennern haben Nato-Opponenten inzwischen in so wichtigen Bereichen wie Kampfpanzer, Hyperschall-Raketensysteme, Flugabwehr, Kampfflugzeuge, U-Boote und elektronische Kriegsführung technologisch die Nase vorn. Dies erfordert zwar massive Investitionen des Westens, was den Unternehmen zugutekommen sollte, birgt aber für die Unternehmen auch erhebliche technologische und finanzielle Risiken. So gelingt es den amerikanischen Rüstungskonzernen bisher nicht, brauchbare Hyperschall-Raketensysteme zu entwickeln.
Numerischer Nachteil
Der Westen ist zudem gezwungen, seinen numerischen Nachteil abzubauen und die Stückzahlen an verfügbaren Waffensystemen stark zu erhöhen. Dies sollte zwar einerseits viel Geld in die Kassen der Konzerne spülen, andererseits sind die Regierungen aber wohl nicht mehr in der Lage, die bislang teilweise extrem hohen Kosten für die Systeme zu tragen, was auf erhebliche erzwungene Preissenkungen hinauslaufen könnte.
Nach Einschätzung der meisten Analysten haben die großen US-Konzerne aus dem Sektor die beste Zeit der Kursanstiege bereits hinter sich. Gemäß der Konsensschätzung sehen die US-Analysten beispielsweise des Kursziel für die Aktie von Lockheed Martin bei 499 Dollar, was gegenüber dem aktuellen Niveau von rund 490 Dollar nur noch einen kleinen Aufschlag bedeuten würde. Dementsprechend rät eine Mehrheit der Analysten lediglich dazu, die Aktie weiter im Portfolio zu halten. Von 26 Analysten raten lediglich sieben zum Kauf. Der Aktienkurs befindet sich nahe seinem Allzeithoch von 498,95 Dollar.
Zuletzt haben die Analysten von Baird die Aktie zurückgestuft und dabei auf Margendruck verwiesen. Es gebe inflationären Druck, Gegenwind in Sachen Lieferketten und anhaltende Verluste in den geheimen Rüstungsprogrammen. Auf Basis der Gewinnschätzung für die kommenden zwölf Monate liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 18, damit über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre von 17.
Nicht viel anders sieht es bei Raytheon Technologies aus, für die das durchschnittliche Kursziel von 109,71 Dollar ebenfalls nur wenig über dem aktuellen Kurs von rund 102 Dollar liegt. Die Notierung von Raytheon befindet sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe ihres Allzeithochs von 106,02 Dollar.
Im Vergleich zu den meist teuren US-Werten sieht die Lage bei europäischen Rüstungsaktien trotz der jüngsten Kursgewinne differenzierter aus. So kommt beispielsweise Rheinmetall auf ein KGV auf Basis der Ergebnisschätzung für 2025 von lediglich 9,9. Rheinmetall liefert der Nato viele wichtige Technologien. So basieren die Kanonen der nun gegen die russischen Truppen eingesetzten westlichen Panzer vom Typ Leopard und Abrams auf Rheinmetall-Designs und das Unternehmen hat einen neuen Kampfpanzer KF51 vorgestellt, dessen Beiname Panther derselbe ist wie der eines von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjets eingesetzten Panzers.
Die Analysten von J.P. Morgan raten aktuell dazu, die Aktie überzugewichten. Als Kursziel halten sie 310 Euro für angemessen, verglichen mit einem aktuellen Kurs von rund 267 Euro. J.P. Morgan verweist darauf, dass der neue deutsche Verteidigungsminister das Verteidigungsbudget noch stärker anheben möchte, als dies mit den zusätzlichen 100 Mrd. Euro bereits beschlossen ist. Insbesondere würden wohl die Verkäufe von Munition in den kommenden Jahren boomen. Die Deutsche Bank rät zum Kauf der Aktie, bei einem Kursziel von allerdings nur 270 Euro. Es gebe Raum für eine Anhebung der Erwartungen, vor allem mit Blick auf zusätzliche Verträge zur Produktion von Munition.
Hensoldt als Spezialist für Radar, optoelektronische Systeme, elektronische Kampfführung sowie Avionik kommt gegenwärtig auf ein KGV von 11,2, was im Vergleich zu den US-Konzernen ebenfalls bescheiden anmutet. Die Aktie befindet sich aber ebenfalls in unmittelbarer Nähe ihres Allzeithochs und die Analysten von J.P. Morgan haben den Titel jüngst mit Blick auf eine ihrer Meinung nach anspruchsvolle Bewertung von „Overweight“ auf „Neutral“ herabgestuft. Es dauere länger als erwartet, bis sich höhere Rüstungsinvestitionen in den Umsätzen niederschlagen. Die Deutsche Bank rät dagegen zum Kauf der Aktie von Thales, einem französischen Elektronikspezialisten im Bereich Verteidigung.