Green Finance erlebt fulminanten Jahresauftakt
Green Finance erlebt fulminanten Jahresauftakt
Transition Finance gewinnt an Zugkraft – Staatliche Emissionen dominieren – Deutschland liegt vorn – EU gilt als wichtiger Player im Markt
Für Green und Sustainable Finance ist der Jahresauftakt gut gelaufen. Bei den Emissionen entsprechender Papiere dominieren gegenwärtig die Staaten, und Deutschland ist das größte Emissionsland. Frankreich fällt zurück.
kjo Frankfurt
Das Kapitalmarktsegment Green und Sustainable Finance läuft in diesem Jahr vielversprechend an, denn im ersten Quartal ist gleich ein Meilenstein gesetzt worden. In den ersten drei Monaten wurden weltweit nachhaltige Finanzierungen in Höhe von insgesamt 283 Mrd. Euro neu platziert. „Das ist das höchste bislang in einem Jahresanfangsquartal erzielte Volumen“, halten die Experten von Capmarcon in einer Analyse fest, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Nachhaltigkeitsziele und -strategien, erstellt Rahmenwerke und unterstützt bei ESG-Ratings.

Die Entwicklung sei hinsichtlich der Mittelverwendung vor allem getragen gewesen von einem deutlichen Anstieg der umweltbezogenen Transaktionen. Hinsichtlich der begebenden Adressen hätten staatliche Kreditnehmer im Vordergrund gestanden. So hat auch der Bund Ende 2023 angekündigt, sich künftig dem Bereich der grünen Bundeswertpapiere emissionsseitig stärker widmen zu wollen. In ihrer Jahresvorausschau zu den 2024 anstehenden Emissionen kündigte die Deutsche Finanzagentur, die das Liquiditäts- und Schuldenmanagement des Bundes regelt, Green Bonds des Bundes von 17 bis 19 Mrd. Euro an. In den kommenden Jahren wird erwartet, dass immer mehr grüne Wertpapiere, d.h. allen voran Anleihen, an den Markt kommen, da das Thema Green und Sustainable Finance für Emittenten immer wichtiger wird und Anleger, insbesondere die jüngere Generation, Anlagemöglichkeiten mit nachhaltigem Hintergrund präferieren.
Deutlicher Anstieg
Im ersten Quartal sei die Emission von sogenannten Transition Bonds deutlich angestiegen, und zwar auf ein Volumen von 16,5 Mrd. Euro. Die hierüber erlösten Mittel sollen zur Durchführung von Projekten und Maßnahmen verwendet werden, die in – stark – umweltschädlichen Industriezweigen den Wandel zu umweltfreundlicherem Wirtschaften einleiten oder diesen Übergang beschleunigen. In den Quartalen davor machte Transition Finance nur einen verschwindend geringen Anteil aus, d.h. dieser lag unter 1% aller dieser Finanzierungsarten von grün über nachhaltig bis hin zu sozial oder ESG (Environmental, Social, Governance).

Entgegen dem bisherigen Trend habe die Bedeutung der Sustainability-Linked-Finanzierungen abgenommen: Der Anteil fiel im Vergleich mit dem Vorjahresquartal von 17% auf 10%. Dabei sei das absolute Volumen signifikant zurückgegangen, und zwar von rund 44 Mrd. Euro im ersten Quartal 2023 auf aktuell nur noch rund 30 Mrd. Euro. Bei Sustainability-Linked Bonds besteht die Nachhaltigkeitsorientierung darin, dass Zielwerte für bestimmte nachhaltige (Ziel-)Größen festgelegt werden.
Das Transaktionsvolumen von Green Financing am europäischen Primärmarkt stieg laut Capmarcon gegenüber Vorjahr von 131 Mrd. auf 156 Mrd. Euro. Diese Entwicklung sei vor allem ausgelöst worden von Nachholeffekten aus dem Schlussquartal 2023, als die Akteure sich in Zurückhaltung übten, und von stärkeren Begebungen seitens staatlicher Adressen (außer Förder- und Entwicklungsbanken).

Ein wichtiger Player am Markt der Staatsanleihen und auch der grünen Wertpapiere ist die Europäische Union (EU), deren Papiere am Markt regelmäßig auf einen hohen Investorenzuspruch treffen. Die EU platzierte Green Bonds über 7 Mrd. Euro, und die Emission erfolgte mit der gleichzeitigen Ankündigung, im ersten Halbjahr 2024 Green Bonds über 75 Mrd. Euro emittieren zu wollen. Dieser Betrag entspricht in etwa 50% der bislang insgesamt begebenen Green Bonds der EU.
Frankreich fällt zurück
Größtes Emissionsland im Bereich des Green Financing war wiederholt Deutschland. Zurückgefallen ist der frühere Spitzenreiter Frankreich. Aus dem Nachbarland kam im ersten Quartal nur noch rund die Hälfte des deutschen Volumens. Stark sind mittlerweile auch skandinavische Länder einschließlich Dänemarks mit Begebungen von Banken, Industrieunternehmen und aus dem Immobiliensektor. „Sehr aktiv zeigten sich spanische Adressen, die ihre Begebungen jüngst gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelten; insbesondere Energieversorger, Bau- und Immobilienunternehmen und Banken“, halten die Experten fest. Nach Währungen gegliedert ergab sich folgendes Bild: Der Euro dominierte im europäischen Primärmarktgeschäft mit nachhaltigen Finanzierungen auch im ersten Quartal, sein Anteil blieb mit knapp 80% kaum verändert. Gleiches gilt für den US-Dollar mit 8% und das britische Pfund mit 4%.
„Die anhaltende Diskussion hinsichtlich des Klimawandels und weiterer Umweltthemen gibt Green Financing wieder mehr Auftrieb. Hinzu kommt das unverändert hohe Interesse institutioneller Investoren an nachhaltigen Finanzierungen, um attraktive Anlagemöglichkeiten für Nachhaltigkeit suchende Sparer strukturieren zu können. Denn grüne Fonds erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei den Privathaushalten“, sagen die Experten. Das Green Financing dieses Jahres werde zweifellos maßgeblich bestimmt vom hohen staatlichen Finanzbedarf weltweit und einer entsprechenden Spiegelung auch im nachhaltigen Primärmarktgeschäft. Die Industrie dürfte sich nach emissionsstarken Vorjahren angesichts der gegenwärtigen Konjunkturschwäche zurückhalten. Allein der Energiebereich sollte in naher Zukunft verstärkt bei Green Financing auftreten.