IM GESPRÄCH: DIDIER SAINT-GEORGES, CARMIGNAC

"Growth sollte attraktiv bleiben"

Investmentstratege sieht Chancen bei Asiens Wachstumswerten - Unterstützung durch Dollarschwäche

"Growth sollte attraktiv bleiben"

Der Vermögensverwalter Carmignac rechnet mit einer graduellen Dollar-Abwertung. Diese werde sich positiv auf Aktien auswirken. Gerade bei Growth-Titeln aus Asien sieht der Investmentstratege Didier Saint-Georges noch Potenzial. Auch durch die Senatswahlen in den USA stünden noch Impulse für die Märkte an.Von Alex Wehnert, FrankfurtDer Vermögensverwalter Carmignac erwartet im neuen Jahr Klarheit darüber, wie sich die politische Situation in den USA auf die ökonomische Entwicklung auswirken wird. “Noch bestehen zwei Szenarien: Ein gesundes Umfeld voller Kompromisse wie in den 1990 er Jahren, als der demokratische Präsident Bill Clinton mit republikanischen Mehrheiten im Kongress umgehen musste – oder ein schwieriger Gridlock, wie es ihn unter Barack Obama ab 2010 gab”, sagt Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des Strategischen Investmentkomitees von Carmignac. Signale durch StichwahlNach der entscheidenden Stichwahl um die verbleibenden zwei Senatssitze von Georgia, deren Ergebnisse voraussichtlich am 6. Januar bekannt sein sollten, dürfte es laut Saint-Georges neue Erkenntnisse über die künftigen Arbeitsbeziehungen zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress geben. “Denn in der Folge ist mit einer Flut an neuen Gesetzesvorschlägen zur Bekämpfung der Folgen der Coronakrise im Kongress zu rechnen – ob Demokraten und Republikaner dabei konstruktiv zusammenarbeiten können oder sich eine toxische Beziehung entwickelt, sollte sich bereits im ersten Quartal des neuen Jahres zeigen”, so die Einschätzung des Investmentexperten.Die Auswirkungen auf die Märkte seien aber noch schwierig zu quantifizieren. “Der Wahlausgang hat die Unsicherheit reduziert und die Wahrscheinlichkeit einer hochgradig progressiven ökonomischen Agenda eliminiert”, sagt Saint-Georges. Letztere hätte zwar die Konsumnachfrage und öffentliche Investitionen angekurbelt, aber auch eine materielle Belastung für die Bondmärkte bedeutet. Die nun aus Anleihesicht beruhigte Lage werde wohl anhalten. Zugleich sei der mittelfristige Effekt des Wahlausgangs auf Value-Aktien nicht eindeutig. “Sogar eine konstruktive Beziehung zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress wird keine reflationären Maßnahmen in dem Umfang mit sich bringen, wie sie eine klare demokratische Mehrheit ergeben würde”, so der Anlagestratege.Größere Implikationen für den Aktienmarkt dürfte laut dem Investmentexperten die weitere Entwicklung bezüglich Impfstoffen gegen das Coronavirus haben, mit denen eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität im kommenden Jahr verbunden sei. “Dies rechtfertigt eine Neubewertung von Aktien, die durch die außergewöhnlichen Umstände 2020 unter gewaltigen Druck geraten sind”, sagt Saint-Georges. Allerdings bestünden bei einigen dieser Werte auch über die Krise hinaus strukturelle Probleme. Zudem hätten sich die Bedingungen am Arbeitsmarkt verschlechtert und die Fiskalmaßnahmen der Regierungen hätten Zombie-Firmen am Leben erhalten – deshalb operierten viele zyklische Unternehmen bei der Preissetzung mit wenig Ellbogenfreiheit. Zudem seien die Schuldenniveaus deutlich gestiegen und müssten künftig stärker kontrolliert werden.Zentralbanken hätten daher in den kommenden Monaten den Großteil der Unterstützung für die Märkte zu leisten, obwohl sie nicht mehr über großen Spielraum für geldpolitische Maßnahmen verfügten. “In den USA könnte eine Zinskurvenkontrolle durch die Fed nötig werden – wenn auch nicht in einem Maßstab, der den Dollar schlagartig und brutal schwächen würde”, sagt der Experte. Gold zuverlässiger als BitcoinDie entscheidende Annahme ist aus Sicht von Carmignac eher eine graduelle Abwertung des Dollar. Derzeit sei der Greenback gegenüber anderen Industrieländerwährungen noch um ungefähr 10 % überbewertet. Deshalb gewännen auch Krypto-währungen als alternative Anlage Traktion. “Allerdings bleibt die Assetklasse zu volatil, weil eine kleine Gruppe an Investoren den Hauptteil der verfügbaren Einheiten hält”, so Saint-Georges. Gold sei weiterhin ein zuverlässigerer Dollar-Hedge und könne in den kommenden Jahren von einer generellen Sorge bezüglich der Werthaltigkeit von Fiatwährungen profitieren.Eine anhaltende, aber mäßige Schwäche des Greenback werde sich positiv auf die Aktienmärkte auswirken. Dabei sollten Growth-Titel für Investoren trotz der jüngsten Rotation an den Märkten attraktiver bleiben als ihre Value-Pendants. In Schwellenländern, insbesondere in Asien, seien derzeit noch viele Wachstumswerte aus den Sektoren Technologie, Healthcare und auch Konsumgüter vernünftig bewertet.”Während sich westliche Volkswirtschaften im laufenden Jahr stark auf eine Unterstützung der Nachfrageseite konzentriert haben, hat China den Fokus stärker auf die Angebotsseite gelegt. Dies hat es der Volksrepublik ermöglicht, mit ihren Exporten das Wirtschaftswachstum zu stützen, während sich das Handelsbilanzdefizit der USA stark ausgeweitet hat”, sagt Saint-Georges. In der chinesischen Binnennachfrage, die heute insbesondere in technologienahen Sektoren getrieben werde, liege weiter das größte Wachstumspotenzial des Landes. Darüber hinaus ergäben sich Investmentgelegenheiten bei Unternehmen, die sich in unterversorgten Märkten hohe Anteile sichern. Solche seien in den Emerging Markets regelmäßig vorzufinden, zum Beispiel private Finanzdienstleister in Brasilien.Derweil sei für Investoren am Anleihemarkt die Zeit für eine noch sorgfältigere Auswahl einzelner Bonds gekommen. So empfehle es sich nicht, Unternehmensanleihen hoch zu gewichten, die inzwischen zu teuer geworden seien. Stattdessen sollten Anleger nach Chancen in von der Pandemie getroffenen, wieder öffnenden Bereichen suchen – darunter die Freizeitbranche, das Gastgewerbe und ihre jeweiligen Dienstleister. “In Teilen des Markts sind noch Bonds verfügbar, deren Renditen eine hohe Default-Wahrscheinlichkeit nahelegen, bei denen eine tiefergehende Analyse aber geringere Risiken offenbart”, sagt Saint-Georges. Am europäischen Markt sei für das kommende Jahr insgesamt allerdings mit einer hohen Ausfallrate zu rechnen.