Geld oder BriefKonsumgüter

Henkel trabt der Konkurrenz hinterher

Im Vergleich zu anderen Konsumgüterproduzenten erscheint die Henkel-Aktie derzeit preiswert. Doch das hat seinen Grund: Das Vertrauen der Investoren ist angeknackst. Die Konkurrenz ist dem Persil-Hersteller in Sachen Profitabilität enteilt.

Henkel trabt der Konkurrenz hinterher

Geld oder Brief

Henkel trabt der Konkurrenz hinterher

Von Antje Kullrich, Düsseldorf

Wäre Carsten Knobel Bundeskanzler, müsste er sich demnächst seinen Wählerinnen und Wählern stellen. Seit knapp vier Jahren ist der Henkel-Chef jetzt im Amt – und seine Bilanz fällt bestenfalls durchwachsen aus. Abzulesen ist das vor allem am Aktienkurs: Seit Knobels Antritt beim Persil-Hersteller und Klebstoff-Weltmarktführer hat der Kurs der im Dax notierten Vorzugsaktien um rund 23% nachgegeben. Der deutsche Leitindex dagegen hat in dem Zeitraum um gut 16% zugelegt, der größte Wettbewerber und Konsumgüter-Riese Procter & Gamble gewann sogar rund 22%.  Auch im innerdeutschen Vergleich zieht das Henkel-Papier den Kürzeren: Seit Anfang 2020 ist die Aktie des Nivea- und Tesa-Produzenten Beiersdorf um gut 13% teurer geworden.

Baustellen geerbt

Knobel hatte von seinem wenig erfolgreichen Vorgänger Hans Van Bylen – dem Henkel-Chef mit der kürzesten Amtszeit – ein Haus mit diversen Baustellen übernommen. Dann kam gleich wenige Wochen nach seinem Amtsantritt die Pandemie, später der Ukraine-Krieg, der Henkel wegen seines starken Russland-Geschäfts stärker traf als die meisten Wettbewerber. Rund 5% des Konzernumsatzes, was 1 Mrd. Euro entspricht, erzielte der Persil-Hersteller früher im flächenmäßig größten Land der Erde. Das Kapitel Russland ist mittlerweile Geschichte, die Trennung war jedoch schmerzhaft. Der Verkauf für 600 Mill. Euro an ein Konsortium heimischer Investoren bescherte Henkel einen Nettobuchverlust von 214 Mill. Euro in der ersten Hälfte dieses Jahres. Immerhin ist das Thema jetzt vom Tisch, was Henkel bei anderen Problemstellen noch nicht für sich reklamieren kann. Analysten beklagen schwindendes Vertrauen, weil der Konzern die Marktanteilsverluste im Waschmittelgeschäft in den USA sowie das schwache, weil zu kleine Retail-
Geschäft in der Kosmetik nicht richtig in den Griff bekommt. Und das seit vielen Quartalen.

Tiefgreifend umgebaut

Die Antwort von Henkel-Chef Knobel: Er hat im eigenen Haus kräftig geräumt. Die zwei Markenartikelsparten Laundry & Home Care sowie Beauty Care wurden zur Einheit Consumer Brands fusioniert. 2.000 Stellen will der Konzern damit bis Ende dieses Jahres einsparen. Im Vorstand wurde zudem munter gewechselt. Ende vergangenen Jahres musste der langjährige Klebstoff-Vorstand Jan-Dirk Auris gehen, mit dem erfahrenen Konsumgütermanager Wolfgang König, der zuvor schon unter anderem für Beiersdorf und Colgate-Palmolive arbeitete, kam ein neuer Markenartikelchef von außen.

Doch die Erfolge des personellen und strukturellen Umbaus stehen noch aus. Im ersten Halbjahr ging es zwar mit der Marge erfreulich aufwärts, das Management hob auch die Finanzziele für 2023 an, doch die Wachstumsdaten überzeugten noch nicht. Die Konkurrenz legte stärker zu, und außerdem fußte der Aufwärtstrend ausschließlich auf den durchgesetzten Preiserhöhungen. Die verkauften Mengen gingen zurück. Und das wird nach Ansicht von Analysten auch im Gesamtjahr so bleiben.

Analysten skeptisch

In den Research-Abeilungen großer Finanzhäuser ist Henkel längst kein Liebling mehr. Als defensiver Wert mit soliden, wenn auch nicht herausragenden Ergebnissen und Margen war der Dax-Konzern lange gefragt. Doch der erreichte Anschluss an die höheren Renditen der Wettbewerber ist wieder verloren gegangen. Heute sehen die Einschätzungen der Analysten wenig optimistisch aus: Nur ein Fünftel der Beobachter empfiehlt die Aktien des Persil-Produzenten zum Kauf. 60% raten zum Abwarten („Hold“), und ein weiteres Fünftel gibt sogar eine klare Verkaufsempfehlung. So zum Beispiel Tom Sykes von der Deutschen Bank. Für Kaufimpulse seien selbst die etwas verbesserten Halbjahresergebnisse nicht gut genug, schrieb der Analyst im August.

Celine Pannuti von J.P. Morgan stuft Henkel „neutral“ ein. Trotz einer äußerst attraktiven Bewertung im Vergleich zu diversen Konkurrenten seien die Chancen für eine Outperformance limitiert, hieß es zuletzt in einem Kommentar. Die Unterschiede im Kurs-Gewinn-Verhältnis sind in der Tat groß. Beiersdorf kommt auf einen fast doppelt so hohen Wert wie Henkel, die auf Basis des erwarteten Gewinns je Aktie für 2023 auf gut 14 kommt. US-Konkurrenten wie Procter & Gamble oder Colgate-Palmolive erreichen aktuell ein KGV von rund 22.

Ungeliebte Vorzugsaktien

Ein kleiner Abschlag im Vergleich zum Wettbewerb ist bei Henkel dabei chronisch. Denn im Dax sind weiterhin ausschließlich die Vorzugsaktien des familiendominierten Konzerns notiert, der in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien daherkommt. Beides ist manchen Investoren ein Dorn im Auge, da diese Konstruktion die Mitspracherechte außenstehender Aktionäre beschränkt. Eine schon seit Jahren eher überschaubare Dividendenrendite dürfte da kein Trost sein. Die Ausschüttung, deren Höhe seit Jahren von Aktionärsvertretern auf der Hauptversammlung immer wieder als zu niedrig kritisiert wird, betrug im laufenden Jahr 2,6% des aktuellen Aktienkurses.

Komfortable Mehrheit

An den Vorzugsaktien wird sich in absehbarer Zeit wohl nichts ändern. Entsprechende Forderungen sind bisher auf den Hauptversammlungen immer abgeschmettert worden. Die Familie Henkel, die mit Simone Bagel-Trah an der Spitze von Aufsichtsrat und mächtigem Gesellschafterausschuss in fünfter Generation die Fäden in der Hand hält, besitzt mit fast 62% der Stammaktien eine komfortable Mehrheit.

Über Querelen in dem weit verzweigten Clan, der mittlerweile über 200 Mitglieder zählt, ist nichts bekannt. Die Mehrheit im Konzern ist auf Jahre gesichert: Der Aktienbindungsvertrag der Familie kann erstmals 2033 gekündigt werden. Durch Übernahmegerüchte wird der Henkel-Kurs traditionell nicht beflügelt.