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Hollywood-Streik als Plot Twist für Streaming-Aktien

Der Hollywood-Streik wirbelt Pläne für die neue Fernseh- und Kinosaison durcheinander. Während klassische TV- und Filmstudios um Einnahmen bangen, sehen Analysten sogar mögliche Vorteile für Streaminganbieter und ihre Aktien. Doch der harte Konkurrenzkampf im Video-on-Demand-Segment bringt Belastungen mit sich.

Hollywood-Streik als Plot Twist für Streaming-Aktien

Hollywood-Streik als Plot Twist für Streaming-Aktien

Analysten sehen Netflix gegenüber diversifizierter Konkurrenz im Vorteil – Arbeitskampf von Schauspielern und Autoren sorgt für stärkere Kostendisziplin

Von Alex Wehnert, New York

Hollywood befindet sich in Aufruhr. Der Streik von Drehbuchautoren und Schauspielern wirft Pläne für die neue Fernseh- und Kinosaison durcheinander – und Beobachter fürchten, dass sich der Ausstand bis ins kommende Jahr hinziehen könnte. Doch während traditionelle Filmstudios und Medienkonzerne um ihre Einnahmen bangen, könnte sich der Arbeitskampf für reine Streaminganbieter und ihre Aktien laut Analysten mittelfristig sogar als Vorteil herausstellen.

Denn die Video-on Demand-Portale können einerseits auf eine Fülle an beliebten internationalen Produktionen sowie US-Reality-Formate zurückgreifen, die nicht vom Hollywood-Streik betroffen sind. Andererseits können sie infolge des Streiks weniger für neue Inhalte ausgeben. Dies macht sich bei Netflix bereits bemerkbar: Der Streaming-Vorreiter hat seine Prognose für den freien Cashflow im laufenden Jahr zuletzt von 3,5 auf 5 Mrd. Dollar angehoben.

Die verbesserten Aussichten dürften Analysten besänftigen, die das Ausgabeverhalten der Branchenvertreter spätestens seit dem vergangenen Jahr hart kritisierten. Denn ihrer Argumentation nach lassen sich Kunden mit aufwendig produzierten neuen Inhalten nur kurzfristig locken, eine Treue zu einem bestimmten Anbieter existiere nicht.

Netflix hat den Nutzerschwund aus dem Frühjahr und Sommer 2022 indes wieder eingefangen: Im zweiten Quartal 2023 gewann das Unternehmen per saldo 5,9 Millionen zahlende Abonnenten hinzu, nachdem sich im Vorjahreszeitraum netto noch fast eine Millionen Nutzer verabschiedet hatten. Analysten führen das Wachstum vor allem darauf zurück, dass Netflix – ähnlich wie Amazon auf der Plattform Prime Video – gegen Trittbrettfahrer vorgeht. Das Teilen von Passwörtern für einen Account ist seit Mai nicht mehr so einfach möglich wie zuvor, weshalb sich viele Film- und Serienfans nun wohl für die Eröffnung eigener Nutzerkonten entschieden haben.

Enttäuschte Anleger

Doch trotz des Nutzerwachstums und der Aussicht auf eine erzwungene Kostendisziplin im Sektor herrscht an der Wall Street vorerst Enttäuschung. Nachdem die Netflix-Aktie zwischen Anfang Januar und Mitte des laufenden Monats um mehr als 60% zulegte, ist sie seit der Zahlenvorlage deutlich abgerutscht. Denn viele Beobachter hatten darauf gehofft, dass sich ein Vorgehen gegen Trittbrettfahrer auf der Streaming-Plattform stärker positiv auf die Erlöse auswirken würde. Der Umsatz von Netflix legte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar um 3% auf 8,19 Mrd. Dollar zu, blieb damit aber hinter dem von Netflix selbst in Aussicht gestellten Wert zurück. Auch die Umsatzprognose von 8,52 Mrd. für das dritte Quartal lag unter den an der Wall Street kursierenden Schätzungen.

Die Sorge, dass Netflix mit den Maßnahmen gegen das Teilen von Passwörtern zahlreiche Kunden vergraulen würde, hat sich zwar vorerst nicht erfüllt. Dennoch hält sich die Befürchtung, dass auch die künftigen Erlöse hinter den bereits gedämpften Markterwartungen zurückbleiben. Denn angesichts des steigenden Konkurrenzdrucks im Segment, in dem sich inzwischen auch zahlreiche einst klassische Medienanstalten tummeln, stellen viele Anleger die Frage, wie lange Kunden die Preiserhöhungen des Streaming-Vorreiters noch mitzugehen bereit sind.

Zwar haben auch Wettbewerber wie Walt Disney oder Apple die Nutzungsgebühren für ihre Video-on-Demand-Portale sei Einführung durchaus deutlich erhöht. Doch bei keinem anderen großen Anbieter hat sich das Preisgefüge in den vergangenen Jahren so deutlich und häufig verändert wie beim Streaming-Platzhirsch. Zahlten US-Kunden für das Standardpaket vor Ausbruch der Corona-Pandemie noch 12,99 Dollar pro Monat, sind es seit dem vergangenen Jahr 15,49 Dollar. Gegenüber dem Preis von 7,99 Dollar, mit dem das Angebot im November 2010 an den Start gegangen war, bedeutet dies einen Anstieg von 93%.

Hinzu kommt, dass Netflix eine abgespeckte Basisvariante des Abonnements für 9,99 Dollar in der vergangenen Woche ganz gestrichen hat. Damit sollen Nutzer entweder ins deutlich teurere Standardpaket oder in eine anzeigenunterstützte Variante für 6,99 Dollar gelotst werden. Mit dem Einstieg in den Werbemarkt wagte Netflix im vergangenen Jahr einen Schritt, den Unternehmensgründer Reed Hastings lange für ausgeschlossen erklärt hatte. Denn der Streaminganbieter sah sich nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit Netto-Nutzerschwund zu einer Kehrtwende gezwungen, zumal Konkurrenten wie Amazon oder die seither mit Warner Bros. fusionierte Discovery bereits werbefinanzierte oder -unterstützte Portale in ihre Angebote einwoben und damit eine breitere Kundengruppe adressierten.

Hoffnung auf Werbeangebot

Die im vergangenen November gestartete werbeunterstützte Version von Netflix bietet indes durchaus Zukunftshoffnungen, hat sie ihre Nutzerzahl seit dem ersten Quartal 2023 nach Unternehmensangaben doch bereits verdoppelt. In den USA abonnieren laut Analysten inzwischen 3,3% der Kunden diese Variante.

Als problematisch gilt in diesem Zusammenhang allerdings das angespannte Liquiditätsumfeld. Nachdem in Corona-Zeiten aufgelegte Förderprogramme für Unternehmen ausgelaufen oder an Investitionsbedingungen geknüpft sind und die Federal Reserve ihre Geldpolitik hart gestrafft hat, ist die Ausgabebereitschaft vieler Werbekunden deutlich gesunken. Dies bekamen in den vergangenen Monaten auch Social-Media-Dienste wie Twitter und führende Technologiekonzerne wie die Google-Mutter Alphabet schmerzhaft zu spüren. Doch wenngleich Netflix die Präsenz im Werbegeschäft ausbaut: Streaming-Konkurrenten wie Warner Bros. Discovery, die gleich mehrere Kabelfernsehsender betreiben, trifft die Flaute laut Analysten ungleich härter.

Robuster als die Konkurrenz

Tatsächlich steht Netflix an der Börse trotz der jüngsten Kursrücksetzer mit einem Plus von rund 45% seit Jahresbeginn im Vergleich zur Konkurrenz noch äußerst robust dar. Die Aktie von Warner Bros. Discovery, die mit ihrem Dienst “Max” ebenfalls im Streamingmarkt aktiv ist, kommt im gleichen Zeitraum auf ein Plus von 33% – zuletzt wirkte sich der Erfolg der Filme “Barbie” und “Oppenheimer” an den US-Kinokassen nicht so positiv auf den Kurs aus wie erhofft.

Das Papier der Konkurrentin Walt Disney, bei der Analysten infolge einer kontroversen politischen Auseinandersetzung mit der Regierung des Heimatstaats Florida einen schmerzhaften langfristigen Wegfall von Steuergutschriften fürchten, liegt seit Anfang Januar gerechnet sogar leicht im Minus. Und die im Vergleich zur A-Aktie liquider handelbare B-Aktie von Paramount Global hat bis Dienstagabend um nahezu 9% nachgegeben.

Die Analysten von Morningstar haben den Fair Value für den Titel zuletzt von 35 auf 25 Dollar gesenkt (Dienstag: 15,39 Dollar). Zwar habe der Streamingdienst Paramount Plus zuletzt an Schwung gewonnen, im laufenden Jahr werde er aber hoch verlustreich bleiben. Das Video-on-Demand-Angebot werde seine Kosten wohl frühestens 2026 decken. Zugleich habe sich der Ausblick für die lineare TV-Sparte eingetrübt. Als führender Filmstudio-Betreiber drohen Paramount zudem wie Walt Disney und Warner Bros. Discovery signifikante Einschnitte durch den Hollywood-Streik. Der Ausstand schickt sich damit an, zum Plot Twist – also zum Handlungswendepunkt – am umkämpften Streaming-Markt zu werden.

Trotz eines Nutzerwachstums reagieren Investoren enttäuscht auf die Geschäftsentwicklung von Netflix. Doch Analysten sehen reine Streaming-Anbieter und ihre Aktien nun aber sogar im Vorteil gegenüber der breiter aufgestellten Konkurrenz. Denn sie seien weniger stark von Streiks in Hollywood betroffen.

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