Holpriger Start des Dax ins Börsenjahr 2024
Technische Analyse
Holpriger Start des Dax ins Börsenjahr 2024
Von Marc Kiewitz *)
Mit einer vor allem im November fulminanten Rally hat der Dax seine konstruktive Ausgangslage zum Ende des abgelaufenen Jahres perfekt umgesetzt. Von Ende Juli an war der deutsche Leitindex zuvor um rund 12% gefallen und hatte damit den im Herbst 2022 begonnenen Anstieg mustergültig korrigiert. Das Eintauchen in die aus alten Hoch- und Tiefpunkten resultierende Unterstützungszone zwischen 14.460 und 14.676 Punkten nutzten die Markteilnehmer zur Wiederaufnahme der Aufwärtsbewegung. Hier hat sich unsere vor zwei Monaten an dieser Stelle erschienene Analyse mit der Überschrift „Der Dax nimmt Anlauf auf neue Allzeithochs" sogar als etwas zu konservativ erwiesen. Im Hoch erklomm der Index die Marke von 17.000 Punkten und ließ den alten Rekord damit um fast 500 Punkte hinter sich.
Zu viel Optimismus
Zum Beginn des neuen Jahres gestaltet sich die Ausgangslage trotz dieses charttechnischen Kaufsignals deutlich komplizierter als Anfang November. Das liegt vor allem an der Stimmung der Marktteilnehmer, die sich seitdem komplett gedreht hat. Die wöchentliche Sentiment-Erhebung der American Association of Individual Investors (AAII) zeigt zum Beispiel, dass sich der Anteil der Bullen in der Nähe früherer Hochpunkte befindet. Das deutet auf eine gewisse Sorglosigkeit der amerikanischen Privatanleger hin. Und die US-Börsen geben immer noch die Tendenz an den Aktienmärkten vor. Bei den europäischen Fondsmanagern ist laut BofA-Research die Cash-Quote zu Gunsten des Aktienanteils auf ein Zwei-Jahres-Tief gefallen. Die Stimmung ist gemäß den Umfrageergebnissen so positiv wie seit Anfang 2022 nicht mehr. Damals kam es an den Märkten zu einem spürbaren Rückschlag. Die in unseren Augen zu große Euphorie zeigt sich auch im viel beachteten Fear & Greed Index, der zurzeit bei 72 von 100 möglichen Punkten notiert und damit auf eine relativ große „Gier“ der Anleger hindeutet.
Auslöser dieses Stimmungsumschwungs dürfte vor allem die Entwicklung an der Zinsfront gewesen sein. Die noch im Herbst vorherrschenden Ängste vor weiteren Zinsanhebungen durch die Notenbanken in der Eurozone und den USA sind mittlerweile einer wahren Zinssenkungseuphorie gewichen. Nachdem die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen im Oktober noch an der 5-Prozent-Marke gekratzt hatte, fiel diese bis Ende Dezember auf unter 3,8%. Bei der deutschen Bundesanleihe ging es von rund 2,9% auf unter 2% zurück – eine Entwicklung, die tendenziell positiv für die Attraktivität von Aktieninvestments zu bewerten ist. Rund um den Jahreswechsel wurde die Talfahrt der Renditen allerdings erst einmal gestoppt. Große Unterstützung in Form weiter rasant fallender Renditeniveaus sollten Anleger vorerst nicht erwarten. Die Spekulationen auf bis zu sechs Zinssenkungen der Notenbanken in diesem Jahr erscheinen aktuell arg übertrieben. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die groß angelegten Anleihekaufprogramme der Notenbanken momentan nicht fortgeführt werden, wodurch eine wichtige monetäre Stütze für die Märkte wegfällt.
Ähnlich sieht es beim Blick auf das konjunkturelle Umfeld aus, wo gerade hier in Deutschland alles andere als Aufbruchstimmung herrscht. Beim BIP wird 2024 nach einem schwachen Vorjahr maximal mit einem moderaten Wachstum gerechnet. Die Mehrzahl der vom Institut der deutschen Wirtschaft zu Jahresbeginn befragten Wirtschaftsverbände rechnet mit unveränderten oder geringeren Investitionen in ihren jeweiligen Branchen. Die dringend benötigte Unterstützung von Seiten der Politik ist durch das viel diskutierte Urteil des Verfassungsgerichts mehr als fraglich geworden. Hinzu kommt, dass sich die im Vergleich zu den Vorjahren immer noch deutlich erhöhten Zinsen mit dem entsprechenden Zeitverzug negativ auf die Gewinne vieler Firmen auswirken dürften.
Günstige Bewertung als Stütze
Während die Dax-Unternehmen den Analystenkonsens in den vergangenen beiden Jahren mit ihren ausgewiesenen Gewinnen jeweils positiv überrascht haben, könnte sich der Trend 2024 ins Negative umkehren. Das muss aber nicht zwingend zu deutlich fallenden Kursen auf Indexebene führen. Denn auf der anderen Seite ist der Dax mit einem 12-Monats-Forward-KGV von gut 11 im historischen Vergleich immer noch so günstig bewertet, dass sinkende Gewinnschätzungen und die daraus resultierende KGV-Erhöhung locker zu verkraften wären. Im 20-Jahres-Durchschnitt lag das Gewinnmultiple bei fast 15. Auffällig ist zudem, dass der Bewertungsabschlag im Vergleich zu den US-Aktien im S&P 500 (KGV von fast 17) momentan so groß ist wie noch nie in den der vergangenen 20 Jahren. In Kombination mit einer ansehnlichen Dividendenrendite von über 4% sollte das die Rückschlagrisiken im Dax zumindest begrenzen.
In Summe erscheint im Einklang mit dem durchschnittlichen Verlauf von US-Wahljahren 2024 ein schwächeres Startquartal wahrscheinlich, bevor es dann vor allem im zweiten Halbjahr wieder bergauf geht. Ein erstes Verkaufssignal ergibt sich beim Dax, wenn das alte Allzeithoch bei 16.529 Punkten nachhaltig unterschritten wird. Als potenzielle Zielzone einer Korrektur bietet sich der Unterstützungsbereich zwischen ca. 15.500 und 16.100 Punkten an. Mittelfristig sollte der Dax dann aber den Bereich um 18.400 Punkte ins Visier nehmen können.
*) Marc Kiewitz ist Head of German Markets beim Brokerhaus ActivTrades.
*) Marc Kiewitz ist Head of German Markets beim Brokerhaus ActivTrades.