HQ Trust sieht Industrie als Wachstumsmotor
wbr Frankfurt
Der bankenunabhängige Vermögensverwalter HQ Trust zeichnet ein freundliches Bild der Marktentwicklung im laufenden Jahr. Die Strategen aus Bad Homburg rechnen damit, dass sich mit dem Abflauen der Coronakrise Mitte des Jahres ein sehr großer Nachholbedarf entlädt. „Der Konsum wird in allen großen Wirtschaftsregionen angekurbelt“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt von HQ Trust, gestern auf einem virtuellen Pressegespräch. Der Finanzdienstleister der Harald Quandt Gruppe zählt zu den größten Family Offices in Deutschland.
Inflation keineswegs schlecht
Aus Sicht von HQ-Trust-Volkswirt Heise wird die Industrie 2021 der Wachstumsmotor sein. Mit einer Konjunkturerholung sei fest zu rechnen. Diese werde von Asien und insbesondere China getragen. „Aber auch die USA werden der Weltwirtschaft Impulse geben“, meinte Heise.
Risiken stehen beim Marktausblick von HQ Trust weniger im Mittelpunkt. Auch beim Thema Inflation bleibt Heise gelassen: „Etwas Inflation ist keineswegs schlecht für die Aktienmärkte.“ Die Bedingungen für die Börsen sind nach Ansicht von HQ Trust weiterhin sehr gut. Bemerkenswert sei allerdings die anhaltende Differenz zwischen verschiedenen globalen Aktienmärkten, die sich beispielsweise an der Entwicklung des S&P 500 im Vergleich zum Euro Stoxx 50 zeige.
Ungeachtet der hohen Kursniveaus macht sich der Vermögensverwalter um die Niveaus keine großen Sorgen. „Bei den Bewertungen sind wir nicht in einer Blase. Sie sind hoch, aber nicht extrem hoch“, sagt Heise. Bei Nullzinsen seien höhere KGVs an den Finanzmärkten durchaus akzeptabel. Die derzeit hohen Bewertungen würden sich zudem im Laufe des Jahres automatisch vermindern, da mit den fundamentalen wirtschaftlichen Entwicklungen die Gewinne der Unternehmen positiv zurückschwingen würden. „Ein Dax-KGV von 20 reduziert sich schnell wieder auf 15. Und dieses Niveau stellt keine Übertreibung dar.“
Während Nordamerika bei verschiedenen Bewertungskennzahlen im historischen Vergleich relativ teuer ist, liegen andere Regionen unterhalb historischer Niveaus. Marcel Müller, Leiter Portfoliomanagement bei HQ Trust, ergänzt: „Da wir von einer starken Konjunkturerholung ausgehen, sind die stark hohen Bewertungskennzahlen nur bedingt aussagekräftig.“ Allerdings müssten Marktteilnehmer zwischen den Regionen unterscheiden, sagt Müller und verweist auf den gemessen an Dividendenrendite, Preis-Buch-Wert und Preis-Cash-flow teuren US-Markt. „Justiert man das aber um das aktuell sehr niedrige Zinsniveau, so erscheinen US-Aktien gar nicht mehr so teuer“, sagt Müller. Und wenn man im historischen Vergleich bis 1871 zurückgehe, dann seien die Bewertungen in den USA sogar akzeptabel.
Dass es auf die Perspektive ankommt, zeigt Müller auch an diesem Beispiel: „Im Vergleich zu Renten sind Aktien deutlich unterbewertet.“ Noch nie sei die Differenz der Gewinnrendite von Aktien im Vergleich zur Rendite von Anleihen so groß gewesen. Dennoch ist Müller beim US-Markt vorsichtiger und hat den Anteil leicht reduziert.
Die „Übertreibungen“ am US-Aktienmarkt, wie etwa die Spekulationen bei Gamestop und anderen Aktien, beunruhigen Michael Heise nicht. Auch in den vergangenen Jahren habe es solche Vorkommnisse gegeben, das werde „den Gesamtmarkt nicht runterziehen“. Eine Banken- und Finanzkrise größeren Ausmaßes sei in der Folge jedenfalls nicht zu befürchten. Und dass die Kurse vieler Technologiewerte in den USA in die Höhe geschossen seien, zeige die hohe Risikobereitschaft der Investoren.
Private Equity attraktiv
Der Vermögensverwalter, der sich schon sehr lange mit alternativen Investments beschäftigt, sieht Private Equity als Ergänzung zu Aktien. Viele Investoren wollten derzeit weiter diversifizieren und könnten mit Private Equity eine höhere Rendite als am Aktienmarkt erzielen. „Die Preise sind bei Private Equity hoch, aber das sind sie in allen Anlageklassen. Wir erwarten in Zukunft einen Renditeaufschlag bei Private Equity von 2-3% im Vergleich zu Aktien“, sagt Jochen Butz, Leiter alternative Investments. Er illustriert dies an den Multiplikatoren, gemessen am Unternehmenswert in Relation zum Ebitda, die beim Russell 2000 18, bei Private Equity aber nur 11,4 betragen. „Man kauft da deutlich günstiger ein als am Aktienmarkt.“ Mit dem starken Fokus der Fonds auf operative Verbesserungen der Unternehmen sei der Renditeaufschlag gerechtfertigt – auch wenn früher natürlich mehr zu holen gewesen sei.