InterviewPeter Brodehser, DWS

„Die Anleger rennen uns die Bude ein”

Investments in Infrastruktur unterscheiden sich deutlich von anderen Assetklassen. Privatanlegern waren sie lange kaum zugänglich. Das hat sich geändert. DWS-Fondsmanager Peter Brodehser erklärt, wo die Vorteile liegen und was für ihn den Reiz ausmacht.

„Die Anleger rennen uns die Bude ein”

Im Interview: Peter Brodehser

„Die Anleger rennen uns die Bude ein”

DWS-Fondslenker setzt auf Investments in Infrastruktur – Assetklasse stark nachgefragt – Fonds will die illiquiden Assets liquide machen

Investments in Infrastruktur unterscheiden sich deutlich von anderen Assetklassen. Privatanlegern waren sie lange kaum zugänglich. Das hat sich geändert. DWS-Fondsmanager Peter Brodehser erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, wo die Vorteile liegen und was für ihn den Reiz ausmacht.

Herr Brodehser, vor zwei Jahren hat die Bundesregierung mit dem offenen Infrastruktur-Sondervermögen ein neues Fondsvehikel für Privatanleger geschaffen. Die DWS hat daraufhin das erste offene Infrastruktur-Sondervermögen für Privatanleger auf den Markt gebracht. Zeigen viele Anleger Interesse an dem Produkt?

Ganz offen: Die Anleger rennen uns die Bude ein. Ich bin im September 2022 zur DWS gestoßen, um den Fonds DWS Infrastruktur Europa aufzubauen und das Thema Energie, Energiefinanzierung, Transition und Infrastrukturfinanzierung hier an den Start zu bringen. Wir haben den Fonds im Jahr 2023 auf der rechten Seite der Bilanz, also der Fundraising-Seite, aufgesetzt. Er ist sowohl an institutionelle als auch an private Investoren gerichtet. Letzteres ist ein Novum. Bis dahin hatten wir ausschließlich institutionelle Lösungen. Viele Anleger hatten also bislang keinen Zugang dazu. Jetzt erschließen wir diese Anlageklasse auch für Investoren von privaten Anlegern, das heißt Retail-Investoren vom Studenten bis zum Finanzbroker, die in diese Assetklasse investieren möchten.

Welche Schwerpunkte setzen Sie?

Wir haben einen starken Fokus auf den Bereich erneuerbare Energien. Wenn Sie sich den Primärenergieverbrauch in Europa anschauen, dann stammen 17% aus erneuerbaren Energien. Der Rest kommt aus Steinkohle, Braunkohle, Öl, Gas und Nuklear. Aus fossilem Brennstoff und Kernenergie wollen wir in Deutschland raus. Gas wird vielleicht noch als Brückentechnologie für die Erneuerbaren toleriert, aber eigentlich wollen wir da auch raus. Und Öl möchten wir durch Strom substituieren. Wir müssen also über 80% der Primärerzeugungskapazitäten in den nächsten Jahren ersetzen. Das ist ein gigantischer Investitionsbedarf. Da reden wir nicht über einzelne Projekte, da reden wir über Projektberge. Und wenn es Brei regnet, dann muss man den Löffel raushalten. Zumal, wenn man mit einem Investment auch noch einen Beitrag zum Wandel leisten kann.

Und darum setzen Sie auf erneuerbare Energien?

In dem Sektor steht eine große Zahl an zu finanzierenden Objekten einer relativ konstanten Geldmenge gegenüber, und das sind goldene Zeiten für Investoren. Darum allokieren wir 50% plus in den Bereich erneuerbare Energien. Nachdem ich vier Solarparks mit meinem Team gekauft habe, würde ich gerne noch Onshore- und/oder Offshore-Wind beimischen, um einen natürlichen Hedge zu haben. Wir wollen aber auch in anderen Sektoren als Beimischung aktiv sein, etwa in der Telekommunikationsinfrastruktur, Verkehrsinfrastruktur, weil ich diese Diversifikation im Portfolio sehr schätze.

Obwohl Sie so überzeugt von dem Bereich erneuerbare Energien sind?

Ja, weil ich bei gleicher Rendite das Risiko über Diversifikation senken kann. Ich habe bei der DWS sehr dafür gekämpft, dass wir diesen breiten Sektorfokus mit der Möglichkeit, auch in andere Bereiche reinzugehen, schafften, um Opportunitäten zu nutzen. Der Grundgedanke des Fonds ist nicht „Wir wollen hier unbedingt Nachhaltigkeit überstrapazieren“, unser Gedanke ist „Wir wollen unseren Investoren eine stabile und langfristige Anlagemöglichkeit bieten, die insbesondere krisenfest, resilient und stabil ist“.

Was macht Investment in Infrastruktur sonst noch aus? Wo liegen die Vorteile?

Dass die Investitionen die Basisbedürfnisse der Bevölkerung ansprechen. Basisbedürfnis nach Strom, nach Licht, nach Wärme, nach Transport, nach Telekommunikation, nach gesundheitlicher Versorgung, nach bildungsseitiger Versorgung. All das sind Bedürfnisse, denen man schlecht ausweichen kann. Der Volkswirt würde sagen, die Nachfrage ist weniger elastisch. Und das sorgt für stabile Cashflows aus den Projekten, sorgt für Dividenden in den Fonds und sorgt für stabile Renditen an unsere Investoren. Zusätzlich kaufe ich mir mit diesen Investments einen Inflationsschutz. Denn in den letzten Jahren kam die Inflation aus dem Bereich Energie, und wenn der Strompreis steigt, verdienen unsere Investoren vorne an der Quelle mit. Salopp formuliert: Der Fonds ist nicht nur inflationsgeschützt, sondern partizipiert, wenn Preise steigen. Wir bieten also ein recht risikoarmes, resilientes Produkt mit geringer Volatilität und Inflationsschutz, das im Vergleich zu den liquiden Märkten einen Rendite-Pick-up bietet und auch noch auf Nachhaltigkeit setzt.

Könnten Investoren nicht auch direkt in beispielsweise Solarparks investieren?

Ein Solarpark kostet 20–30 Mill. aufwärts. Bei uns kann man schon ab 50 Euro investieren. Wir machen also große Beträge klein. Zudem ist so ein Solarpark illiquide, das heißt, ich habe den für 30 Jahre in den Büchern. Unsere Anteile kann man nach einer gesetzlichen Mindesthaltefrist von 24 Monaten unter Berücksichtigung einer Kündigungsfrist von einem Jahr zurückgeben, wir machen sie also wieder liquide. Das ist etwas, das unsere Investoren sehr schätzen.

Können Sie uns Projekte nennen, in die Sie investieren?

Wir haben am 27. April letzten Jahres den Fonds aufgelegt und parallel die Investmentaktivitäten gestartet. Seitdem wir an den Start gegangen sind, haben wir rund 120 Projekte gescreent und die besten vier davon ausgesucht. Wir haben immer eine Deal-Pipeline von 10 bis 30 Projekten, die wir im Sinne eines rollierenden Verfahrens vor uns herschieben. Die besten kommen dann ins Ziel und die anderen werden entsprechend ausgefasst.

Haben Sie einen Favoriten?

Ein Projekt, das mir besonders gefällt, ist der Solarpark Klettwitz Süd im Energiepark Lausitz. Das ist ein ehemaliger Braunkohletagebau und seit Herbst 2022 werden dort Erneuerbare-Energien-Anlagen betrieben, Solarkraftwerke und Windräder. Für mich ein schönes Beispiel der deutschen Energiewende, wo man aus grauer Energie grüne Energie macht. Der zweite Effekt ist eine Unabhängigkeit in der Energieversorgung von Russland, aber auch von anderen Lieferanten aus dem Ausland. So schaffe ich eine Autarkie unserer Bevölkerung. Zudem schaffe ich Arbeitsplätze in einer Region, die sonst eher strukturschwach ist. Dieser Dreiklang aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und auch noch Arbeitsplätze schaffen, ist etwas, was mich auch persönlich stolz macht, dazu beitragen zu können. Und dann liefern wir unseren Investoren auch noch eine gute Rendite.

Mit welcher Rendite können Anleger denn bei Infrastruktur-Investments rechnen?

Wir geben sehr bewusst kein Rendite-
versprechen ab. Gleichwohl sollte die Marschrichtung bei 4 bis 5% p.a. nach Abzug aller Kosten liegen. Momentan sind wir seit Auflage des Fonds Ende April letzten Jahres bereits bei einer Wertentwicklung von mehr als 4% brutto. Der Fonds wird von externen Beratern bewertet und im vierteljährlichen Rahmen analysiert. Die Bewerter haben dem Asset einen höheren Wert beigemessen, als wir dafür bezahlt haben. Das ist für mich die Bestätigung. Wir selektieren nicht nur gute Assets, sondern wir kaufen offenbar auch verdammt gut ein.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Investments in Infrastruktur aus?

Bei Infrastruktur haben Sie die Möglichkeit, in drei verschiedenen Projektphasen zu investieren. Phase eins ist die Projektentwicklung, Phase zwei ist die Bauphase und Phase drei ist die Betriebsphase, wenn alles fertiggestellt wird. Wir fokussieren uns auf die Phase drei und gehen nur ganz, ganz selektiv in die Phase zwei rein. Phase eins ist uns zu risikoreich. Auf diese Art sind Projektentwicklungsrisiken raus. Alle bisherigen Investments produzieren von Tag eins an Cashflows.

Wer oder was steht denn hinter Ihren Investitionszielen?

Dienstleister rund um Infrastruktur, Energieversorger, Baukonzerne, große Projektentwickler, die eine Dienstleistung rund um diese Projekte erbringen. Wichtig ist mir die Nähe zu unseren Assets. Ich kann hinfahren und dem Betriebsführer eines Projekts in den Hintern treten, wenn der nicht performt. Das können Sie bei der Aktie eines Unternehmens nicht, dass Sie da mal anrufen und sagen „Pass mal auf, morgen früh komme ich vorbei, und dann gucke ich mir mal euer Werk an“. Ich finanziere kein Projekt, das ich nicht selber gesehen habe.

Und was sehen Sie dort?

Nehmen wir zum Beispiel einen Windpark. Da sehe ich schon auf der Fahrt: Ist der Weg ausgetreten oder wuchert das Gras ins Unermessliche? Da merken Sie schnell, ob das Ding gewartet wird. Wenn Sie die Stahltür zu so einem Windrad aufmachen, muss es nach trockenem Baustaub riechen. Riecht es dagegen modrig, dann weiß man genau: Finger weg! Feuchtigkeitsschäden, schlecht betoniert, so was. Und das sehen Sie nur, wenn Sie sich das vor Ort anschauen. Da steht ja nicht nur die Reputation der DWS im Feuer, sondern auch meine ganz persönliche Marktreputation. Glaubwürdigkeit ist in diesem Markt so extrem wichtig! Das ist nicht so glatt wie bei einer Aktie oder einem Bond. Bei Aktienhandel oder Bonds bewege ich ja eigentlich nur geschnittenes Papier von links nach rechts. Und hier habe ich wirklich reale Assets, die man begleiten muss, die auch arbeiten.

Komplett risikofrei sind Investments in Infrastruktur aber trotzdem nicht, oder? Oder sagen Sie, da Sie nur in Projekte in Phase drei gehen, ist das bei Ihnen quasi ausgeschlossen?

Mit absoluten Aussagen bin ich immer vorsichtig, aber die Themen, die wir begleiten, sind schon ziemlich kugelsicher. Nehmen wir mal einen Windpark. Da kann relativ viel passieren im Rahmen der Projektentwicklung. Darum machen wir diese Phase nicht. Wenn man dagegen auf Projekte in der Betriebsphase schaut, was kann da passieren? Es kann zu wenig Wind wehen, ja. Aber mittlerweile haben wir sehr viele Analysen und Gutachterstudien, wo wir an den meisten Standorten über 20 Jahre gute Windhistorien haben. Was kann sonst noch passieren? Die Technik kann stillstehen, eine Turbine kann ausfallen. Aber da liegen wir mittlerweile bei Verfügbarkeiten garantiert ab Werk bei 96 bis 97%.

Wenn man sich Aktien von Firmen aus dem Bereich erneuerbare Energien anschaut, dann haben diese Investoren in den letzten Jahren wenig Vergnügen bereitet.

Wenn Sie in Aktien investieren, haben Sie höhere Chancen auf eine höhere Rendite. Sie haben aber auch ein höheres Risiko. Da gibt es Projektentwicklungsrisiken und Baurisiken und auch die Rohstoffpreise können sich verändern und schon bricht der Business Case vielleicht nicht ein, geht aber sehr stark runter. Und das merken Sie als Investor.

Also keine Gefahr für Ihren Business Case?

Wir sagen, wir wollen keine 20 bis 25% Rendite haben. Wir gucken auf Investments in Projekte mit Renditen zwischen 5 und 10% vor Kosten. Und dann sagen wir, wir wollen Projekte, die im Betrieb sind, wo Projektentwicklungsrisiken nicht Teil des Spiels sind und Schweinereien auf Deutsch gesagt raus sind. Das genau ist der Unterschied. Es ist ein anderes Beuteschema, es ist eine andere Risikoneigung.

Zur Person: Peter Brodehser ist Fondsmanager des DWS Infrastruktur Europa und Partner Infrastruktur Investments bei der DWS. Er ist seit rund 25 Jahren im Bereich der alternativen Investments mit einem Fokus auf den Bereich Infrastruktur-Investments unterwegs. Im September 2022 wechselte Brodehser zur DWS, um in Frankfurt ein Infrastruktur-Team aufzubauen und zu leiten. Zuvor hat er bei der Talanx-Tochter Ampega die Infrastruktur-Investments aufgebaut und über acht Jahre verantwortet.

Das Interview führte Tobias Möllers.