Devisenwoche

Japan sticht heraus

Ihre expansive Geldpolitik hat die Bank of Japan (BoJ) in den letzten zwei Jahren in einen Dissens mit vielen anderen Industrieländern gebracht.

Japan sticht heraus

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Japan sticht heraus

Von Sean Shepley *)

Ihre expansive Geldpolitik hat die Bank of Japan (BoJ) in den letzten zwei Jahren in einen Dissens mit vielen anderen Industrieländern gebracht: Während weltweit die große Mehrheit der Zentralbanken vehement darum bemüht ist, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, verfährt die BoJ seit geraumer Zeit ganz nach dem Motto: „Eine gute Krise darf man nicht verschwenden.“ Im Falle Japans – und damit im Gegensatz zum Rest der Welt – bedeutete dies, endlich die Wachstumsstagnation und die disinflationäre Grundhaltung zu durchbrechen, die sich in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt hatten.

Yen derzeit günstig

Infolgedessen hat das Land seine konsequente Politik der negativen kurzfristigen Zinssätze und der Interventionen auf dem inländischen Anleihemarkt beibehalten. Obwohl sich das angestrebte Niveau der inländischen Anleiherenditen verschoben hat, wurde das Ziel, die Realrenditen im Vergleich zu anderen Ländern zu senken, konsequent weiterfolgt und auch erreicht. Das Ergebnis ist allerdings eine anhaltende Schwäche des japanischen Yen (JPY).

Gemessen an einer Reihe von Indikatoren ist der Yen derzeit günstig: Im Verhältnis zur Kaufkraftparität ist er derzeit gegenüber dem US-Dollar stärker unterbewertet als seinerzeit zum Ende der Bretton-Woods-Ära. Damals löste die Überbewertung des Dollar den Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse aus, was zu einer mehrjährigen Baisse führte. Gemessen an seinem eigenen Wechselkursverlauf weist der Yen aktuell den günstigsten Wechselkurs unter den Industrieländern auf. Auch dem Bic-Mac-Index des "Economist" zufolge ist Japan unter den G10-Staaten das Land mit der billigsten Währung.

Aber: „Value is no defence in a bear market“ – wie ein altes Sprichwort an den Fixed-Income-Märkten besagt. Anleihekurse, die bereits stark gesunken sind, könnten trotz einer dann deutlich attraktiveren Bewertung auch noch weiter fallen. Ähnlich hat auch der Yen, obwohl er schon länger einen attraktiven Wechselkurs aufweist, weiter abgewertet. Somit stellt sich nach vorne schauend die Frage, ob und inwieweit sich die Handels- oder Kapitalströme derart anpassen werden, dass die Verbilligung der Währung zum Ausdruck kommt und so eine Trendwende herbeigeführt wird.

Anzeichen nicht ermutigend

Japan weist derzeit einen Leistungsbilanzüberschuss von 2% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf. Dies ist zwar grundsätzlich ein stützender Faktor für den Yen, im Zeitraum von 2016–2021 lag der Überschuss jedoch zumeist zwischen 3 und 4% des BIP. Zudem importiert Japan einen großen Teil seiner Energie, was im gegenwärtigen Umfeld höherer Energiepreise die Handelsbilanz schwächt. Daher gibt es derzeit kaum Anzeichen für einen signifikanten Wettbewerbsvorteil, der eine Erholung des Yen begünstigen würde.

Hohe Zuflüsse

Im Hinblick auf die Portfoliomittelzuflüsse waren die Auswirkungen des schwachen Yen zuletzt deutlicher, insbesondere im Aktiensegment, wo die Absicherungsquoten tendenziell niedriger sind als bei festverzinslichen Anlagen.

Im vergangenen Jahr waren die Zuflüsse in japanische Titel so hoch wie seit 2015 nicht mehr, gleichzeitig gingen die Abflüsse in ausländische Aktien zurück. Dass sich die Zuflüsse dennoch nicht stärker unterstützend auf den Yen ausgewirkt haben, liegt unter anderem an den ausländischen Direktinvestitionen. Hier gab es zwar eine Erholung der Mittelzuflüsse nach Japan, dies wurde allerdings von einer erneut starken Zunahme von grenzüberschreitenden Direktinvestitionen japanischer Unternehmen überlagert.

Hoffnungslosigkeit ist übertrieben

Basierend auf dem Status quo in Hoffnungslosigkeit zu verfallen, wäre aktuell dennoch übertrieben. Vielmehr lohnt sich der Blick auf die langfristige Perspektive: Anpassungen in der Wirtschaftswelt brauchen oft längere Zeiträume. Es wäre daher ein Fehler, Veränderungen der Kapital- oder Leistungsbilanzströme außer Acht zu lassen, nur weil sie im Moment noch nicht eingetreten sind.

Zudem bereitet die BoJ langsam den Ausstieg aus ihrer expansiven Geldpolitik vor. Die Markterwartungen in Bezug auf den Zeitpunkt des endgültigen Ausstiegs aus der Politik der Zinsstrukturkurvensteuerung (Yield Curve Control; YCC) und bezüglich eines Endes der Negativzinsen sind zwar noch uneinheitlich – allerdings gibt es nur wenige, die dies im kommenden Jahr für unwahrscheinlich halten.

Chancen auf eine Stärkung

Und zu guter Letzt wäre es vermessen, die Aussichten für ein Währungspaar – in diesem Fall USD und JPY – einzig aus der Perspektive des ökonomischen Verhaltens eines Landes zu betrachten. Die Chancen stehen gut, dass andere Zentralbanken in den Industrieländern im Laufe des kommenden Jahres beginnen, ihre restriktive Geldpolitik zurückzufahren. Sollte dies im gleichen Zeitraum geschehen, in dem die BoJ selbst von ihrer Niedrigzinspolitik abweicht, böte dies Chancen auf eine Stärkung des bislang schwachen Yen.

*) Sean Shepley ist Senior Economist bei Allianz Global Investors.