Aussichten für Japan-Aktien

Japans Aktienkurse hängen am Yen

Eine Aufwertung der japanischen Währung droht Auslandsinvestoren die Stimmung zu verhageln. Als mögliche Auslöser gelten das Ende des Zinszyklus in den USA und eine Straffung der japanischen Geldpolitik.

Japans Aktienkurse hängen am Yen

Japans Kurse hängen am Yen

Aufwertung droht Auslandsinvestoren die Stimmung zu verhageln

Eine Aufwertung der japanischen Währung droht bei Auslandsinvestoren die Stimmung für japanische Aktien zu verhageln. Als mögliche Auslöser für einen starken Yen gelten das Ende des Zinszyklus in den USA und eine Straffung der japanischen Geldpolitik. Seit Jahresanfang haben Topix und Nikkei deutlich zugelegt.

mf Tokio

Gebannt blicken japanische wie ausländische Investoren in diesen Tagen auf den Wechselkurs des Yen, den Abstand der 10-jährigen Anleiherendite zwischen Japan und den USA und die Inflationsrate in Japan. Von diesen wie in kommunizierenden Röhren miteinander verbundenen Faktoren hängt ab, ob japanische Aktien ihren im April begonnenen Höhenflug fortsetzen können. Die zunehmende Abwertung der japanischen Währung durch den wachsenden Rendite-Spread zählte zu den gewichtigen Argumenten von ausländischen Investoren, nach längerer Abstinenz wieder in den japanischen Aktienmarkt einzu­steigen.

Weitere Motive lieferten die Anzeichen für den Beginn einer Lohn-Preis-Spirale, die Empfehlungen des US-Investors Warren Buffett, der seine Anteile an den fünf größten Handelshäusern erhöhte, die Konjunkturerholung nach der Corona-Pandemie und die Fortschritte in der Corporate Governance. In der Folge kletterten der eher technologielastige Nikkei 225 und der breit gefasste Topix auf mehrere neue 33-Jahres-Hochs und legten seit Jahresanfang bis zum Handelsschluss am Mittwoch um fast 23% respektive mehr als 20% stärker zu als die meisten Börsenbarometer in den übrigen Industriestaaten.

Doch im August mussten auch die japanischen Indizes der wachsenden Risikoaversion an den internationalen Aktienmärkten Tribut zollen. Der Nikkei 225 zum Beispiel lag zum Handelsschluss am Mittwoch rund 5% unter seinem Jahreshoch von Anfang Juli. Dazu kommt die Unsicherheit über die künftige Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ). Denn während viele Anleger mit einem baldigen Ende der Zinserhöhungen in den USA rechnen, schwanken viele Investoren im Tokioter Börsenviertel Kabutocho, ob sie sich  auf einen monetären Kurswechsel einstellen sollen. Dann würde der Rendite-Spread zu den USA schrumpfen und der Yen könnte durchaus mit einem zweistelligen Prozentsatz aufwerten.

Für diesen Fall sagen viele Analysten einen Kurseinbruch am Aktienmarkt vorher. Zum Beispiel erwartet Capital Economics einen Topix-Rückgang von 20% bis zum Jahresende, falls die japanische Devise auf 130 Yen je Dollar aufwertet. Denn die Gewinne von exportorientierten Unternehmen wie Toyota und Sony gehen zurück, weil eine Aufwertung die in Yen kalkulierten Erträge aus dem Ausland verringert.

Die Indizien für eine Straffung der Geldpolitik mehren sich jedenfalls: Die Rendite der 10-jährigen Japanese Government Bonds (JGBs) erreichte am Dienstag mit 0,66% den höchsten Wert seit neun Jahren. Die BoJ weitete ihre Anleihekäufe stark aus, um eine noch höhere Renditen zu verhindern. Beim aktuellen Tempo würde das Kaufvolumen der BoJ in diesem Jahr nach einer Bloomberg-Kalkulation auf den Rekordwert von 124,6 Bill. Yen (789 Mrd. Euro) wachsen, eine Steigerung um 12% zum Vorjahr und um 4,5% zum Rekord von 2016.

Gleichzeitig stießen ausländische Investoren im Juli erstmals seit sechs Monaten für netto 1,35 Bill. Yen (8,5 Mrd. Euro) japanische Anleihen ab. Offenbar fürchten sie einen Wertverlust ihrer Papiere, falls die BoJ ihre Kontrolle der Renditekurve aufgibt oder den negativen Leitzins abschafft. Selbst das japanische Finanzministerium warnte offiziell vor höheren Schuldenkosten ab 2024 durch steigende Zinsen. Die Nutznießer dürften die Aktien der Banken sein, die mit Krediten mehr verdienen können. Allerdings sind die Papiere von MUFG, SMFG und Mizuho schon relativ gut gelaufen.

Die gegenseitige Abhängigkeit von Yen-Wechselkurs, Inflationsrate und Geldpolitik schürt die Nervosität von vielen Anlegern. Schon kleine Veränderungen lösen relativ volatile Bewegungen aus. Ein Beispiel: Als die japanische Währung am Montag die Schwelle von 145 Yen je Dollar überschritt, schossen wieder Spekulationen über einen Eingriff am Devisenmarkt ins Kraut. Denn auf diesem Niveau intervenierte das Finanzministerium im vergangenen Herbst. Laut Tokioter Börse waren die Ausländer in den vier Wochen bis 10. August Nettoverkäufer im Standard-, aber vor allem im Wachstumssegment. Viele Investoren erwarben ihre japanischen Aktien mit einem Yen-Kredit – eine schnelle Aufwertung könnte in eine Verkaufsspirale münden.

Eigentlich haben Regierung und Notenbank kein Interesse an einer fortgesetzten Abwertung, weil sie die Importpreise in Yen erhöht und dadurch die für japanische Verhältnisse hohe Inflation mit der Kernrate von zuletzt 3,1% stützt. Trotz eines Sprunges im Frühjahr wachsen die Löhne langsamer, so dass die Japaner real an Kaufkraft verlieren und ihre Ausgaben einschränken. Aus diesem Grund sank der Privatkonsum erstmals seit drei Quartalen zwischen April und Juni um 0,5% zum Vorquartal.

Es fragt sich, wie lange BoJ und Premier Fumio Kishida diesen Preis für die ultralockere Geldpolitik zahlen wollen. Zumal auch andere Konjunkturpfeiler bröckeln. Das starke Wachstum im zweiten Quartal wurde fast allein vom Nettoexport getragen. Doch im Juli sanken die Ausfuhren erstmals seit zwei Jahren ­wieder.

UBS Japan rechnet auf mittlere Sicht mit dem Anhalten einer moderaten Inflation. Der zunehmende Mangel an Arbeitskräften kurbele wiederum die Löhne an. Anleger sollten daher bei der Rally auf zurückgebliebene Titel sowie auf binnenorientierte Unternehmen achten. Auf der eigenen Aktienliste stehen u.a. Central Japan Railway, Daikin Industries, Fanuc, Nidec, MUFG und Toray.

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