Johnson & Johnson hat ein makelloses Rating
Von Timo Kürschner *)Johnson & Johnson (J&J) ist der Klassenprimus unter den Corporate-Bond-Emittenten. Im Markit iBoxx Corporates Index gibt es unter den Unternehmen, die Euro-Bonds begeben, nur eines, das von allen drei großen amerikanischen Ratingagenturen (S&P, Moody’s und Fitch) die absolute Bestnote erhält. Microsoft, dem zweiten Konzern in der Top-Liga, fehlt diese Spitzenbewertung bei Fitch. “AAA”-Schuldner findet man normalerweise nur bei staatlichen Emittenten oder Unternehmen mit Staatsgarantie. Aber auch unter den Staaten gibt es nur wenige Top-Schuldner wie beispielsweise Deutschland, Schweden, die Schweiz oder Singapur, die über ein makelloses Rating verfügen. Das Heimatland von J&J, die USA, gehört seit 2011, als S&P das Rating auf “AA+” absenkte, nicht mehr zum Kreis der Spitzenschuldner.Insofern liegt das Rating von J&J bei S&P über dem der USA und verletzt damit das “Sovereign-Ceiling-Prinzip”. Das besagt, dass das Rating eines Staates eine Obergrenze für die Kreditwürdigkeit von Unternehmensanleihen bildet. Dahinter steckt die Annahme, dass die strukturelle Stärke und wirtschaftliche Diversifikation eines Staates immer höher einzuschätzen ist als die in ihm beheimateten Unternehmen. Dass das Prinzip im Moment aber nicht wirklich verletzt wird, zeigt sich am CDS (Credit Default Swap). Aktuell notiert der fünfjährige CDS auf J&J bei 24,5 Basispunkten (BP). Zum Vergleich: Der USA-CDS liegt bei 17 BP. Dabei spielt allerdings die jüngste Ausweitung des CDS-Spreads von J&J im Dezember 2018 auf 37,5 BP in Folge der Asbestbelastung von Babypuder eine entscheidende Rolle. Betrachtet man den Fünfjahresdurchschnitt der CDS, liegt J&J mit 17,3 BP versus 20,9 BP vor den USA. Um dennoch das bessere Rating zu erklären, muss man die regionale Diversifikation heranziehen. J&J erwirtschaftet etwa 50 % der Umsätze außerhalb der USA in wirtschaftlich starken Regionen und kann dadurch laut S&P ein besseres Rating als die USA erhalten. Langfristige FälligkeitenDer Konzern hat derzeit Anleihen im Wert von rund 30 Mrd. Dollar ausstehen. Die meisten der 36 ausstehenden Anleihen wurden in Dollar begeben. J&J hat aber auch fünf Bonds im Gesamtvolumen von 5 Mrd. Euro emittiert. Das Fälligkeitenprofil ist langfristig ausgerichtet und gleichzeitig relativ ausgewogen. Die längste derzeit ausstehende Anleihe hat eine Laufzeit bis 2048. In den nächsten zehn Jahren werden jährlich 0,3 bis 2,3 Mrd. Dollar pro Jahr zur Rückzahlung fällig. Danach gibt es einige Lücken in der Finanzierung, die J&J jedoch noch im Laufe der Zeit schließen dürfte. Dabei könnte der Konzern Zinsunterschiede nutzen und weitere Anleihen in Euro begeben.Die von S&P adjustierte Finanzkennzahl Debt/Ebitda lag Ende 2018 bei 0,89-fach. Aufgrund der teuren Akquisitionen war sie 2017 auf einen Rekordwert für J&J von 1,3-fach angestiegen und schränkte damit die weiteren finanziellen Möglichkeiten ein, sofern man das “AAA”-Rating nicht gefährden wollte. Für 2019 erwarten wir ein Sinken auf unter 0,5-fach. Die Volatilität der Z-Spreads auf Anleihen von J&J ist normalerweise relativ gering. Seit dem jüngsten Höhepunkt im Dezember/Januar 2018/19 haben sich die Spreads der in Euro begebenen Anleihen wieder stark eingeengt. Sie liegen deutlich unter denen von Sanofi oder Pfizer, die auch über sehr gute Ratings im “AA”-Bereich verfügen, und auch meist unter denen von Microsoft, dem eigentlichen Peerkonzern im “AAA”-Bereich. Den interessantesten Spread weist zurzeit die Anleihe 05/2035 mit 25 BP aus. Allerdings ist bei der langen Laufzeit auch das Zinsänderungsrisiko hoch.J&J ist ein US-Traditionskonzern, der 1886 von drei Brüdern gegründet wurde. Die Idee kam von Robert Wood Johnson, der in einer Apotheke eine Ausbildung absolvierte, während seine Brüder im amerikanischen Bürgerkrieg kämpften. Er erkannte, inspiriert durch einen Vortrag von Dr. Joseph Lister, die Notwendigkeit von sterilen Produkten für Operationen. Im 19. Jahrhundert war steriles Arbeiten relativ unbekannt und entsprechend verliefen viele Operationen durch Wundinfektionen fatal. Saugfähige sterile Baumwolltücher, Fäden und Pflaster waren die ersten Produkte von J&J. Bekannte Marken Die Medizintechniksparte des heute dreigeteilten Konzerns geht auf diese Anfänge zurück. Mit 27 Mrd. Dollar Umsatz in 2018 ist sie aber nur das zweitgrößte Segment. Das größte Segment mit 40,7 Mrd. Dollar Umsatz ist die Pharmasparte. Darüber hinaus betreibt der Konzern auch ein umfangreiches Konsumentengeschäft mit vielen bekannten Marken wie Listerin, o.b., Bebe oder Penaten. Mit dieser Sparte erwirtschaftete J&J einen Umsatz von 13,9 Mrd. Dollar. Der Gesamtumsatz des Konzerns lag 2018 bei 81,6 Mrd. Dollar. Aufgrund einer sehr niedrigeren Steuerquote stieg der berichtete Konzerngewinn 2018 um 18,8 % auf 15,3 Mrd. Dollar. Traditionell verfolgt der Konzern eine dezentrale Unternehmensführung. Dies zeigt sich u. a. in den mehr als 260 operativ tätigen Unternehmen, die in über 60 Ländern aktiv sind. Der Konzern hatte lange Zeit nach Abzug der Cash-Bestände keine Schulden. Im Juni 2017 hat J&J aber das Schweizer Biotechnologieunternehmen Actelion für 30 Mrd. Dollar übernommen. Diese Übernahme sorgte für eine im Verhältnis zur Konzerngröße kleine Nettoverschuldung. Ende des Übernahmejahres 2017 lag sie noch bei 16,3 Mrd. Dollar. Aufgrund des hohen operativen Cashflows konnte J&J sie 2018 um 5,5 Mrd. Dollar auf 10,8 Mrd. Dollar reduzieren.Geschäftlich profitierte besonders die Pharmasparte von der Übernahme. Sie konnte für das vergangene Jahr ein Wachstum von 12,4 % ausweisen, während das Konsumentengeschäft und die Medizintechniksparte lediglich um 1,8 % bzw. 1,5 % zulegten. Weniger erfreulich war der Skandal um mutmaßlich krebserregenden Babypuder, der Vertrauen kostete, die Aktie Ende des Jahres abstürzen ließ und zu einer Ausweitung der Spreads bei den ausstehenden Anleihen führte. Es besteht der Verdacht, dass J&J mit Asbest verunreinigten Babypuder verkauft hat. Derzeit sind mehr als 13 000 Fälle offen. Erste Prozesse hat J&J verloren und wurde zu hohen Schadenersatz- bzw. Strafzahlungen verurteilt. In Summe könnte ein niedriger zweistelliger Milliardenbetrag nötig werden, um alle Klagen durch Vergleiche beizulegen.Belastungen dieser Art gibt es immer wieder im Pharmabereich, und sie gehören zum Geschäftsrisiko für die Konzerne. J&J besitzt ausreichend Finanzkraft, um auch diese Herausforderung zu überstehen. Die J&J-Bonds sind in Summe aufgrund ihres Bestratings teuer und kommen daher nur für einen risikoaversen Investor in Betracht bzw. können als Alternative zu Staatsanleihen gekauft werden. Größte Gefahr für das “AAA”-Rating von J&J besteht im Falle einer sehr großen Akquisition bzw. durch noch höhere Ausschüttungen an die Aktionäre oder allgemein gesagt: Sollte der Konzern eine aggressivere Finanzpolitik einschlagen. Damit ist unseres Erachtens aber in näherer Zukunft nicht zu rechnen.—-*) Timo Kürschner, Senior Analyst, Landesbank Baden-Württemberg