SSD

Höhenflug am Schuldscheinmarkt

Der Höhenflug am Markt für Schuldscheindarlehen hält in diesem Jahr an. Die von Januar bis März 2023 abgeschlossenen Transaktionen erreichten das zweithöchste Volumen in einem Jahresanfangsquartal.

Höhenflug am Schuldscheinmarkt

Höhenflug am Schuldscheinmarkt

Attraktive Platzierungsmöglichkeiten – Industrieunternehmen dominieren

Der Höhenflug am Markt für Schuldscheindarlehen hält in diesem Jahr an. Die von Januar bis März 2023 abgeschlossenen Transaktionen am Schuldscheinmarkt erreichten das bislang zweithöchste Volumen in einem Jahresanfangsquartal.

kjo Frankfurt

Der Höhenflug am Markt für Schuldscheindarlehen (SSD) hält in diesem Jahr an. Die von Januar bis März 2023 abgeschlossenen Transaktionen am Schuldscheinmarkt erreichten mit 6,6 Mrd. Euro das bislang zweithöchste Volumen in einem Jahresanfangsquartal nach dem ersten Quartal 2016 mit einem Umfang von 8,8 Mrd. Euro. Das halten die Experten von Capmarcon in einer Studie fest, die der Börsen-Zeitung exklusiv vorliegt. „Eine rege Mittelnachfrage deutscher Unternehmen und eine einzelne Begebung in Höhe von 2,7 Mrd. Euro haben maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen“, heißt es hierzu. Capmarcon ist eine auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung.

Die durchschnittliche Laufzeit der Schuldscheindarlehen sei gegenüber dem Vorjahresquartal mit etwa 6,5 Jahren praktisch konstant geblieben. Jedoch hätten die einzelnen Laufzeiten nicht mehr die Dauer von zwölf Jahren überstiegen, während im ersten Quartal 2022 noch Laufzeiten von bis zu 40 Jahren arrangiert worden seien. „Hier spielten schwerer einschätzbare Marktperspektiven und die Erwartung weiter steigender Zinsen eine Rolle“, so die Meinung der Experten. Nichtsdestoweniger seien die von den Unternehmen angebotenen Kredittranchen vielfach  – teils deutlich – überzeichnet gewesen. Dies gelte in erster Linie für Unternehmen mit überdurchschnittlicher Kredithistorie und guter Bonität. In diesen Fällen sei auch ein Abschmelzen der Risikoprämien gegenüber den Vorquartalen feststellbar gewesen, wird konstatiert.

Das Finanzierungsumfeld habe sich in den zurückliegenden Monaten eingetrübt, was sich auch in den höheren Volatilitäten am Anleihemarkt widerspiegele. Im Vergleich dazu biete der Schuldscheinmarkt attraktive Platzierungsmöglichkeiten für Unternehmen. In diesem Szenario sei die Zahl der Akteure mit 21 in den Anfangsquartalen 2022 und 2023 gleichgeblieben; das bei Investoren untergebrachte Volumen habe sich sogar um 19% erhöht.

Anteil von 60 Prozent

Industrieunternehmen hätten den SSD-Markt auch in den ersten drei Monaten 2023 dominiert. 60% des arrangierten Volumens sei auf diesen Sektor entfallen. Damit habe der Anteil um das Dreifache über dem Anteil der Vorjahresperiode gelegen. Zweitstärkste Gruppe seien Dienstleistungsunternehmen mit 22% des Volumens gewesen. Hier sei es relativ zu einem Rückgang um ein Drittel gekommen. Noch stärker eingebrochen sei zum Beginn dieses Jahres die Aktivität von Handelsunternehmen gewesen. Das begebene SSD-Volumen habe sich von 2,28 Mrd. Euro zum Jahresanfang 2022 auf jüngst 0,15 Mrd. Euro verringert. Hingegen seien Energieversorgungsunternehmen wieder in stärkerem Maße am Markt gewesen. „Bislang haben Unternehmen aus 30 Ländern und fünf Kontinenten Schuldscheine begeben. Aber im ersten Quartal 2023 waren nur Adressen aus sechs Ländern am Markt vertreten. Der Großteil der Nachfrage kam – ähnlich wie in der Vorjahresperiode – zu 81% aus Deutschland“, wird von den Experten in der Studie festgehalten. Weitere nennenswerte Beträge seien etwa nach Österreich und nach Schweden gegangen. „Traditionelle Schuldscheinländer wie Frankreich und zuletzt auch Spanien waren in diesem Jahr noch nicht präsent.“

In Marktsituationen mit zunehmend restriktiveren Konditionen seien weniger erstmalige Nutzer von Schuldscheinen – also Debüt-Emittenten – am Markt aktiv, so auch im ersten Quartal. Deren Anteil am gesamten arrangierten Volumen habe nur 12% erreicht nach 38% im Vorjahresquartal. „Auch wenn die Bonität dieser Debütanten tendenziell zunimmt, bevorzugen Investoren in den gegenwärtigen Marktphasen bekannte Adressen“, so die Experten.

Die durchschnittliche Bonität der SSD-begebenden Unternehmen – gewichtet mit dem jeweiligen Darlehensvolumen – sei in den ersten drei Monaten 2023 gegenüber der Vorjahresperiode mit „BBB“, also noch im Investment-Grade-Bereich, gleichgeblieben. „Während die Leistungsfähigkeit der Mehrfachnutzer von Schuldscheindarlehen leicht anstieg, wiesen die drei Debütanten insgesamt eine geringere Bonität auf – was allerdings wegen der geringen Zahl wenig aussagekräftig ist.“

Schuldscheindarlehen mit Nachhaltigkeitsbezug hätten im ersten Vierteljahr mit 1,03 Mrd. Euro – anders als im Gesamtjahr 2022 – nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wie auch im Anfangsquartal 2022 seien 85% des Schuldscheinvolumens traditionell arrangierte Darlehen gewesen. Auf umweltbezogene und auf nachhaltigkeitsbezogene SSD seien jeweils etwa 450 Mill. Euro entfallen, der resultierende Betrag damit auf Sustainability-Darlehen. „Soziale Verwendungszwecke spielten zum Jahresauftakt keine Rolle. Zwar hat die Attraktivität von Green Financing nicht verloren. Aktuell haben Unternehmen jedoch Schwierigkeiten, sinnvolle nachhaltige Verwendungszwecke zu finden“, konstatieren die Capmarcon-Experten.

Schuldscheinbegebungen lassen Unternehmen die Wahl zwischen Bekanntmachung der Transaktion und einer nicht extern sichtbaren Mittelaufnahme: „Sowohl im ersten Quartal dieses Jahres als auch des vergangenen Jahres wurden etwa 60% des arrangierten Volumens publik gemacht. Dies waren in diesem Anfangsquartal 6 von 21 Unternehmen, in der Vorjahresperiode waren es 10 von 21.“

Von Januar bis März seien vor allem Unternehmen an den Schuldscheinmarkt gekommen, die bereits in den Jahren 2012 bis 2018 in diesem Segment aktiv gewesen seien, allerdings danach nicht mehr. „Unternehmen, die bislang den Schuldschein zur Finanzierung nicht nutzten, gingen auch jüngst nicht diesen Weg.“

Unverändert würden eine hohe (Kern-)Inflationsrate, verhaltene Konjunkturaussichten und eine weiterhin sprunghafte Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die eine verlässliche Planung massiv erschwerten, auf den Märkten lasten. Dies zeige sich auch in den Entwicklungen der Finanz- und Kapitalmärkte, wobei der Schuldscheinsektor aber bislang weitgehend verschont geblieben sei. Dieser relative Attraktivitätsgewinn spreche für weiterhin rege Arrangements.

Wenig Nachhaltigkeit

Schuldscheindarlehen mit nachhaltiger Mittelverwendung oder mit Nachhaltigkeitsbezug hätten jüngst zwar nur einen Anteil in Höhe von 15% am Transaktionsvolumen erreicht. „Weiter wachsendes Investoreninteresse und restriktivere gesetzliche Vorgaben könnten aber schon im Jahresverlauf 2023 zu einem erhöhten Bedürfnis und damit höheren Anteil führen.“ Hilfe sollten begleitende Arrangeure leisten. „Denn Unternehmen sind sich vielfach ihrer tatsächlich nachhaltigen Potenziale nicht bewusst und setzen oftmals auf leicht erreichbare und wenig finanzintensive Ziele wie relative Treibhausgasemissionen, Häufigkeit von Arbeitsunfällen oder Frauenquoten. Innovative Ansätze sind dabei selten vertreten. Immerhin wurden zuletzt 24% der Transaktionen nachhaltig konzipiert, allein fehlt es an Volumen“, wird festgehalten.

Mit weiterhin günstigen Konditionen am Schuldscheinmarkt bei unverändert hoher Aufnahmefähigkeit und wachsendem Interesse der Unternehmen an von Investoren stark angebotenen nachhaltigen Arrangements könnte das gesamte Transaktionsvolumen des Jahres 2023 laut Capmarcon mehr als 28 Mrd. Euro erreichen – ein Umfang deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre mit 24,9 Mrd. Euro. Hemmende Faktoren dürften im Wesentlichen anhaltend hohe Inflationsraten und/oder weiterhin massive staatliche Eingriffe in Marktmechanismen sein.