Technische AnalyseUS-Aktien

Klassische Sommerkorrektur oder doch mehr?

An den US-Aktienmärkten derzeit nicht mehr alles eitel Sonnenschein. Kurzfristig ist deshalb die Gefahr „etwas zu verpassen“ gering. Andererseits ist es langfristig zu früh für einen Abgesang auf die Rally.

Klassische Sommerkorrektur oder doch mehr?

Technische Analyse

Klassische Sommerkorrektur bei US-Aktien oder doch mehr?

Von Jörg Scherer *)

Etwas mehr als die Hälfte des Investmentjahrgangs 2023 liegt schon wieder hinter uns. An den Aktienmärkten ist es bisher ein überwiegend guter, wobei der Nasdaq 100 deutlich hervorsticht. Unter dem Strich gelang den amerikanischen Technologiewerten sogar das beste erste Halbjahr der Historie. Mittlerweile summiert sich deren Kurszuwachs auf knapp 40%. Die Verlierer des Jahres 2022 sind also in diesem Jahr nahtlos in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Wird das so bleiben oder liefert die aktuelle „Sommer-Delle“ einen Anlass zu einem grundsätzlichen Umdenken? Selbst für den Nasdaq 100 ist ein Kursplus in dieser Größenordnung alles andere als alltäglich. Da passt die jüngste Atempause ins Bild, zumal das gegenwärtige Kräftesammeln in den saisonal schwierigeren Sommermonaten auftritt. Vor diesem Hintergrund ist eine Sommerkorrektur zunächst nicht gänzlich überraschend.

Trend als Spielverderber 

Charttechnisch lassen sich die jüngsten Gewinnmitnahmen ebenfalls sehr gut erklären, denn sie treten im Bereich einer alten Trendlinie (aktuell bei 15.956 Punkten) auf. Diese verbindet verschiedene Hochpunkte seit Januar 2018 und liefert damit ein idealtypisches Beispiel dafür, wie auch bereits gebrochene Trendlinien später erneut eine Rolle spielen. Deshalb lohnt es sich alte Trendlinien fortzuführen. Oftmals kommt der Kurs später nochmals zurück. Im konkreten Fall des Nasdaq 100 wird die Relevanz der oben angeführten Trendlinie durch verschiedene negative Kerzenformation untermauert. So haben die US-Technologietitel im Dunstkreis dieses Trends zuletzt einen sog. „shooting star“ sowie ein sog. „bearish engulfing“ ausgeprägt. Anlegerinnen und Anleger zollen dem beschriebenen Trend also durchaus Respekt. Das ist vermutlich sogar zu schwach ausgedrückt, denn die beiden negativen Kerzenformationen unterstreichen die Gefahr eines Scheiterns an dem angeführten Trend bzw. der runden 16.000er-Marke. Auch diverse Indikatoren betonen derzeit die Risiken. Hervorheben möchten wir den trendfolgenden MACD, der im Wochenbereich so hoch notiert wie niemals zuvor. Zur Erinnerung: Im Juli 2022 zeigte sich ein absolut konträres Bild. Seinerzeit notierte der Trendfolger auf Wochenbasis niedriger als jemals zuvor. D. h. in einem absoluten Rekordtempo hat sich der MACD von einem extrem niedrigen Niveau in absolut luftige Höhen aufgeschwungen. Indikatorsignale, welche weit entfernt von der Nulllinie auftreten, besitzen eine ganz besondere Relevanz! Der RSI ist da bereits einen Schritt weiter, denn der Oszillator hat im Wochenbereich gerade ein neues Ausstiegssignal generiert. Aufgrund der angespannten Indikatorenkonstellation lässt sich eine gewisse Fallhöhe aktuell also nicht wegdiskutieren.

Die nächsten Rückzugsmarken

In der Konsequenz sollten Investorinnen und Investoren kurzfristig vor allem nach möglichen charttechnischen Auffangmarken Ausschau halten. Das Tief vom Oktober 2021 bei 14.385 Punkten steckt dabei eine erste Unterstützung ab. Wesentlich wichtiger ist aber die Kombination aus dem Hoch vom August 2022 (13.721 Punkte) und dem 50%-Fibonacci-Retracement der gesamten Baissebewegung von November 2021 bis Oktober 2022 (13.603 Punkte). Erst unterhalb dieser Schlüsselhaltezone würde das Chartbild ernsten Schaden nehmen. Jede Korrektur, die oberhalb dieser Rückzugszone verbleibt, ist trendbestätigend zu werten.

Ein ganz besonderes Signal

Doch gerade unter langfristigen Gesichtspunkten gibt es aus den USA auch konstruktive Signale. Wenn man den amerikanischen Markt etwas breiter fasst, und den S&P 500 betrachtet, dann kam es hier per Monatsultimo Juli zu einem absolut bemerkenswerten Indikatorsignal. So sorgt das jüngste MACD-Kaufsignal auf Monatsbasis für einen echten Knalleffekt. Wir haben dem positiven Schnittmuster statistisch auf den Zahn gefühlt. Dazu haben wir – zurück bis Mitte der 1960er-Jahre – die Implikationen auf den S&P 500 aller monatlichen MACD-Einstiegssignale untersucht. Auf Sicht der nächsten drei, sechs und zwölf Monate ergibt sich eine bemerkenswerte Treffergenauigkeit: Mit steigender Haltedauer notierten die US-Standardwerte in 79%, 83% bzw. sogar in knapp 88% aller Fälle nochmals höher als zum Zeitpunkt der Signalentstehung. Noch prägnanter ist aber der durchschnittliche Kurszuwachs im Anschluss an die 21 Einstiegssignale seitens des Trendfolgers. Von 3,41% nach drei Monaten steigt die durchschnittliche Wertentwicklung über 6,51% nach einem halben Jahr bis auf 12,75% nach einem Jahr an. Alles Werte, die signifikant über dem Durchschnitt der Historie liegen. Als Vergleichsmaßstab: Statistisch betrachtet liegt das durchschnittliche Kursplus auf 12-Monats-Sicht seit Mitte der 1960er Jahre bei „nur“ gut 7%. Bleibt zu hoffen, dass das aktuelle MACD-Kaufsignal eine vergleichbare Tragweite besitzt.

Fazit: In der Summe ist an den US-Aktienmärkten derzeit nicht mehr alles „eitel Sonnenschein“. Kurzfristig ist deshalb die Gefahr „etwas zu verpassen“ gering. Andererseits ist es langfristig zu früh für einen Abgesang auf die dynamische Rally des bisherigen Jahres 2023.

| Quelle:

*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.

*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.

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