Rohstoffe

Knappheit dominiert den Ölmarkt

Der Ölpreis hat nach der Flaute vom Frühjahr und Frühsommer zugelegt. Er könnte noch weiter klettern.

Knappheit dominiert den Ölmarkt

Stimmung am Ölmarkt dreht

Akteure stellen sich auf Knappheit ein – Preis könnte über 90 Dollar klettern

Der Ölpreis ist nach der Flaute vom Frühsommer nun durch Knappheit und ein steigendes Preisniveau gekennzeichnet. Das dürfte nach Schätzungen der Energieagentur und der meisten Analysten in den kommenden Monaten auch so bleiben. Der Ölpreis könnte sogar noch steigen und 2024 über 90 Dollar klettern.

ku Frankfurt

Der Preis der wichtigsten Rohölsorte hat am Montag zwar nachgegeben. Er ermäßigte sich um 1,3% auf 85,11 Dollar je Barrel, nachdem er zuvor mit mehr als 86 Dollar den höchsten Stand seit vier Monaten markiert hatte. Allerdings hat der Ölmarkt nun sechs Wochen mit Preisanstiegen hinter sich und das Marktsentiment hat gedreht: Nachdem seit dem Frühjahr über den Sommer hinweg Konjunktursorgen und die Erwartung einer adäquaten bis reichlichen Versorgung die Erwartung der Akteure am Terminmarkt prägte, hat sich nun die Erkenntnis durchgesetzt, dass die zweite Jahreshälfte von Knappheit geprägt sein wird.

Die Erwartungen der Marktteilnehmer verändert hat unter anderem die in der vergangenen Woche kommunizierte Entscheidung Saudi-Arabiens, die über die offiziellen Förderquoten des Kartells Opec plus hinausgehenden Reduzierungen um 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) auf den September auszudehnen. Gleichzeitig hat Russland bekannt gegeben, im September um 300.000 bpd zu kürzen, wobei am Markt davon ausgegangen wird, dass sich Russland an die Ankündigung halten wird.

Als Folge der Kürzungen und sonstiger Produktionsausfälle befindet sich die Produktionsmenge der Opec auf einem niedrigen Niveau. Nach Berechnungen von Bloomberg hat sie im Juli 27,79 Mill. bpd betragen. Binnen eines Monats ist sie 900.000 bpd gesunken.

Aktuell ist aber noch ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzugekommen. In den vergangenen Tagen hat die Ukraine zwei zivile russische Tankschiffe mit Überwasserdrohnen angegriffen. Dies stellt eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg dar und weckt die Frage, ob die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten weitere Maßnahmen ergreifen könnten, um russische Ölexporte zu behindern.

Lagerbestände stark gesunken

Ein knappes Angebot ergibt sich aber auch jenseits des Atlantiks. So ist die Zahl der aktiven Ölbohrstellen in den USA die achte Woche in Folge gesunken. Sie befindet sich nun auf einem Niveau, das es zuletzt im März vergangenen Jahres gegeben hat. Gleichzeitig haben die US-Lagerbestände am Rohöl in der Woche per 28. Juli – neuere Daten sind noch nicht verfügbar – um rund 16 Mill. Barrel abgenommen. Dies ist der stärkste Rückgang, der in den USA seit Beginn der Aufzeichnung in den 1980er Jahren jemals erfasst worden ist.

In dieser Woche werden die Energy Information Administration der US-Regierung, die Analysten der Opec und die Internationale Energieagentur IEA ihre Monatsberichte und Prognosen zur Lage am Ölmarkt veröffentlichen. Die Analysten der Commerzbank erwarten, dass dabei die Prognose von einem noch etwas größeren Defizit am Ölmarkt ausgeht. Bisher wird dieses von der IEA auf rund 2 Mill. bpd geschätzt, von der Opec sogar auf 2,5 Mill. bpd. Die Analysten der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs schätzen das Defizit im zweiten Halbjahr auf 1,8 Mill. bpd und gehen für den Dezember von einem Brent-Ölpreis von 86 Dollar aus. Da die Knappheit auf dem Markt anhalte, rechnen sie für das zweite Quartal kommenden Jahres mit einem Preis von 93 Dollar. Die veränderten Erwartungen hatten die Akteure an den Terminmärkten zuletzt veranlasst, ihre Long-Positionen durch Käufe abzusichern. Die Nachfrage hat sich nämlich entgegen dem starken Pessimismus an den Terminmärkten über den Sommer hinweg recht positiv entwickelt. Goldman Sachs schätzt sie für den Juli auf 102,8 Mill. bpd. Dies wäre ein Höchststand.

Insbesondere die beiden Schwergewichte Russland und Saudi-Arabien haben ein großes Interesse daran, den Ölpreis auf einem für sie auskömmlichen Niveau zu halten. Russland muss den Krieg in der Ukraine finanzieren. Saudi-Arabien hatte zuletzt eine konjunkturelle Flaute zu verkraften. So war das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal nur um 1,1% expandiert, verglichen mit noch 3,8% in den ersten drei Monaten. Aufgrund der starken Ausrichtung der saudischen Wirtschaft auf Öl führen die meisten Ökonomen den Einbruch auf die für das Land ungünstige Preisentwicklung des Energieträgers zurück. Daher gehen die meisten Analysten davon aus, dass Russland und Saudi-Arabien dafür Sorge tragen werden, dass der Ölpreis in den kommenden Monaten nicht nachgibt.

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