Ölpreis

Konfrontation am Ölmarkt spitzt sich zu

Am Ölmarkt tobt eine heftige Auseinandersetzung um den Ölpreis zwischen den von Saudi-Arabien und Russland geführten Produzentenländern der Opec plus und den Akteuren an den Terminmärkten. Bislang vermochten es die umfangreichen Produktionskürzungen noch nicht, die Ölpreis nachhaltig anzuheben.

Konfrontation am Ölmarkt spitzt sich zu

Konfrontation am Ölmarkt spitzt sich zu

Saudi-Arabien und Russland positionieren sich gemeinsam gegen die Akteure an den Terminmärkten und die Regierungen des Westens

ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Am Ölmarkt tobt eine heftige Auseinandersetzung um den Ölpreis zwischen den von Saudi-Arabien und Russland geführten Produzentenländern der Opec plus und den Akteuren an den Terminmärkten. Bislang vermochten es die umfangreichen Produktionskürzungen noch nicht, die Ölpreis nachhaltig anzuheben.

Man werde unternehmen, was immer notwendig sei, um den Ölmarkt zu stützen. Dies sagte der saudi-arabische Energieminister Prinz Abdulaziz bin-Salman am Mittwoch auf einer von der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) veranstalteten Konferenz in Wien. Dies darf durchaus als eine Kampfansage an die Akteure an den Terminmärkten verstanden werden, die derzeit von erheblichen Sorgen wegen der noch anstehenden Zinserhöhungen der großen Notenbanken und deren Wirkung auf Weltkonjunktur und Ölverbrauch geplagt werden und sich nach Kräften bemühen, den Ölpreis nach unten zu bewegen. Vor den jüngsten Produktionskürzungen hatte der saudische Energieminister vor einigen Wochen sogar noch deutlicher gewarnt, die Leerverkäufer könnten sich ihre Finger verbrennen.

Derzeit lässt sich eine ungewöhnliche Konstellation am Ölmarkt erkennen. Die um Länder wie Russland erweiterte Opec plus senkt derzeit in einem sehr umfangreichen Maß ihre Produktion. Zuletzt hatte Saudi-Arabien erklärt, seine Einschränkung der Förderung von 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) für den Juli auch im August zu verlängern. Am selben Tag hatte dann der stellvertretende russische Premierminister Alexander Nowak mitgeteilt, sein Land werde im August um 500.000 bpd reduzieren. Rechnet man die in den vergangenen Monaten vereinbarten offiziellen Quotenkürzungen der Opec plus um 3,66 Mill. bpd sowie noch weitere freiwillige Ankündigungen hinzu, so läuft dies auf eine Reduzierung durch die Opec plus von insgesamt 5,16 Mill. bpd hinaus, wie die Nachrichtenagentur Reuters errechnet hat. Dies sind etwas mehr als 5% des weltweiten Angebots. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es eine Reihe von Opec-Mitgliedern gibt, die aufgrund des Mangels an verfügbaren Mitteln für Investitionen in fossile Energien ihre offiziellen Quoten gar nicht mehr ausschöpfen können.

Das Angebot ist also für das zweite Halbjahr durchaus als knapp zu bezeichnen. Gleichzeitig steigt nach Schätzung der Internationalen Energieagentur IEA der globale Ölverbrauch im laufenden Jahr um 2 Mill. bpd auf ein Rekordhoch von 101,9 Mill. bpd. In der Folge sind die Lagerbestände an Öl in den Industrieländern in diesem Jahr erstmals wieder seit längerer Zeit unter ihren Fünfjahresdurchschnitt gefallen.

Nach unten bewegt

Gleichwohl hat sich der Ölpreis deutlich nach unten bewegt. Lag er vor einem Jahr noch bei rund 113 Dollar für das Barrel Brent, so ist er in den vergangenen Wochen zeitweise bis auf fast 70 Dollar zurückgegangen. Es wird inzwischen von einigen Marktbeobachtern schon von einer auffälligen Diskrepanz zwischen dem durch Knappheit gekennzeichneten Markt für physisch vorhandenes Öl und dem Markt für “Papier-Öl” gesprochen – eine Situation ähnlich wie am Goldmarkt, wo nur ein kleiner Teil der Transaktionen physisch abgerechnet wird.

Die Akteure an den Terminmärkten lässt die Angebotsseite des Marktes derzeit jedoch weitgehend kalt. Sie blicken darauf, dass die Europäische Zentralbank noch einige Zinsschritte vor sich hat und dass sich zuletzt auch die amerikanische Notenbank Federal Reserve mit Blick auf die Geldpolitik aggressiver geäußert hat als in den Wochen und Monaten zuvor, so dass auch hier das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Die Notenbanker – und die Akteure am Ölmarkt – sind wegen der Hartnäckigkeit der Inflation in den Industrieländern besorgt, die kaum auf die restriktive Geldpolitik reagiert. Gleichzeitig wird eine überraschend ausgeprägte Konjunkturschwäche in vielen Weltregionen konstatiert. Die Märkte für Brent-Futures befinden sich derzeit wieder im Zustand des Kontangos, was bedeutet, dass die Spot-Preise unter die Futures-Preise gefallen sind. An den Terminmärkten wird also keinesfalls mit einem kurzfristigen Defizit am Ölmarkt gerechnet.

Die Auseinandersetzung zwischen den von Saudi-Arabien und Russland angeführten Produzentenländern und den überwiegend westlich geprägten Akteuren an den Terminmärkten hat aber auch noch eine politische Dimension, die nicht übersehen werden sollte. So ist der Westen aus mehreren Gründen daran interessiert, die Einkünfte der Produzenten zu beschneiden. Die Biden-Administration will ihre Wiederwahl 2024 sichern, wobei sich die wirtschaftliche Situation der Wähler unter Präsident Biden deutlich verschlechtert hat, was die Wahlchancen schmälert. Ein weiterer Schub an Belastungen durch einen hohen Ölpreis ist das letzte, was Biden gebrauchen kann. Zudem kann das Verhältnis zwischen der Biden-Administration und dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin-Salman, der sein Land weg von den USA und hin zu den BRICS-Ländern manövriert, fast schon als offene Feindschaft qualifiziert werden. Der Westen ist zudem weiter bestrebt, Russland im Ukraine-Konflikt eine Niederlage beizubringen und im Idealfall nach einem Regierungswechsel in Moskau die russischen Rohstoffe unter westliche Kontrolle zu bringen, so wie dies in der Ära Jelzin beinahe gelungen wäre. Dadurch würden sich die Gewichte im Machtkampf des Westens mit China entscheidend verschieben.

Dass der saudischen Führung diese Zusammenhänge nicht entgangen sind, wurde auf der Opec-Konferenz in Wien daran deutlich, dass Abdulaziz bin-Salman betonte, dass die Ölkooperation zwischen Russland und Saudi-Arabien weiterhin sehr stark sei. Die konzertierte saudisch-russische Förderkürzung diene auch dazu, mit Blick auf das Verhältnis der beiden Länder der “zynischen Seite” der Marktbeobachter einen Dämpfer zu verpassen, erklärte er.

Der vom Westen gewünschte und geförderte Rückgang der Energiepreise macht derzeit Russland bereits zu schaffen. Nach Daten des russischen Finanzministeriums sind die Einnahmen des Staatshaushaltes aus dem Verkauf von Öl und Gas im Juni im Vorjahresvergleich um 26,4% auf 5,8 Mrd. Dollar gefallen. Zwischen Januar und Juni diesen Jahres betrug der durchschnittliche Preis der wichtigsten russischen Ölsorte Urals 52,17 Dollar je Barrel, im gleichen Vorjahreszeitraum hatte er noch bei 84,09 Dollar gelegen. Der Krieg in der Ukraine und der starke Anstieg der Produktion von Rüstungsgütern belastet den russischen Staatshaushalt, wenn auch längst nicht im selben Ausmaß wie den Westen. Saudi-Arabien wiederum steht vor der kostspieligen Mammutaufgabe, das Land zu transformieren und von der hohen Abhängigkeit vom Öl zu lösen. Daher setzt Saudi-Arabien nicht nur auf das Ölbündnis mit Russland, sondern idealerweise auch auf eine Ausweitung des Kartells Opec plus, das derzeit für rund 40% des weltweiten Ölangebots steht. Dies wird auch von anderen Opec-Mitgliedern so gesehen: “Stellen Sie sich vor, wir hätten 60 oder 80% der Produzenten. Wir würden definitiv einen noch besseren Job machen”, sagte Suhail al-Mazrouei, Ölminister der Vereinigten Arabischen Emirate, am Mittwoch in Wien.

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