Konjunktursorgen drücken den Ölpreis
Konjunktursorgen drücken den Ölpreis
Geopolitische Risiken werden von Marktteilnehmern unterschätzt – Militärische Eskalation im Nahen Osten erhöht Wahrscheinlichkeit eines großen Kriegs
Gegenwärtig drücken Konjunktursorgen auf den Ölpreis. Aktuell spielen geopolitische Gefahren eine geringere Rolle. Allerdings hat die Gefahr eines großen Kriegs in der Nahost-Region eher noch zugenommen. Diese könnte für einen sprunghaften Anstieg des Ölpreises sorgen und die Ölversorgung der Welt gefährden.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Am Weltmarkt für Rohöl herrscht derzeit eine starke Verunsicherung der Akteure vor, die sich in ausgeprägten Preisbewegungen manifestiert. So ist der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude seit Anfang Dezember zeitweise auf fast 73 Dollar gesunken, um zumindest einmal auch kurz über die Marke von 81 Dollar zu blicken. Am Montag hatte es einen ausgeprägten Tagesverlust von zeitweise mehr als 4% gegeben, am Dienstag setzte dann eine Erholung um zeitweise mehr als 2% ein.
Es sind derzeit zwei Faktoren, die den Ölpreis entscheidend beeinflussen. Zum einen gibt es erhebliche Sorgen mit Blick auf die Konjunkturentwicklung und damit den weltweiten Ölverbrauch. Zum anderen bestehen nach wie vor erhebliche geopolitische Risiken hinsichtlich der weltweiten Versorgung mit Erdöl. Was die Konjunktur betrifft, so gab es zuletzt erneut schlechte Nachrichten aus Deutschland als der größten Volkswirtschaft der Eurozone. Die Industrieproduktion ist im November nun schon den sechsten Monat in Folge gesunken. Insbesondere in der Eurozone ist die wirtschaftliche Lage schlecht, aufgrund hoher Energiepreise und der Russland-Sanktionen. Nach Berechnungen der Ökonomen der ING befindet sich die europäische Industrieproduktion aktuell um mehr als 9% unterhalb des Niveaus vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie. Zudem setzt sich in den USA und in der Eurozone die Überzeugung durch, dass die Zinssenkungen durch die amerikanische Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank womöglich später beginnen als noch vor einigen Wochen und Monaten gedacht.
Lage nicht rosig
Aber auch in anderen Teil der Welt sieht es nicht rosig aus. So ist die Gefahr einer Rezession in den USA noch nicht ganz gebannt. Und die jüngste, besonders stark ausgeprägte Preissenkung des halbstaatlichen saudischen Ölkonzerns Aramco hat Schockwellen am Ölmarkt ausgelöst. Saudi Aramco hat die Preise für Kunden in Asien, Europa und den USA mit Wirkung zum Februar um 2 Dollar je Barrel gesenkt. Nach Einschätzung von Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank, ist zwar mit einer Preissenkung gerechnet worden. Das Ausmaß sei aber überraschend gewesen. „Denn die deutliche Preissenkung, die sich zudem nicht nur auf Arab Light beschränkte, sondern auch alle anderen Ölsorten betraf, deutet auf eine Abschwächung der Ölnachfrage in den drei wichtigsten Nachfrageregionen hin“, erläutert er. Zudem stehe Rohöl aus Saudi-Arabien in starker Konkurrenz zu preiswerteren Anbietern wie Russland und Iran, die ihr Öl aufgrund der westlichen Sanktionen mit deutlicheren Abschlägen anbieten.
Saudis tragen Hauptlast
Demgegenüber waren die Bemühungen des Kartells Opec plus, sich auf weitere Förderkürzungen zu einigen, zuletzt nicht besonders erfolgreich, so dass Saudi-Arabien die Hauptlast der Kürzungen zu übernehmen hatte. Bei den Marktteilnehmern gibt es Unsicherheit, ob sich die Opec plus im Fall einer weiteren Eintrübung der konjunkturellen Lage auf weitere Maßnahmen zur Preisstützung wird einigen können. Fritsch weist außerdem auf die starke Ausweitung der Ölproduktion in den USA hin.
Was die geopolitischen Spannungen und die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten betrifft, so sind diese am Ölmarkt zuletzt zumindest ein klein wenig in den Hintergrund gerückt, obgleich von einer Entspannung nicht die Rede sein kann – eher in mancher Hinsicht von einer weiteren Eskalation mit der Gefahr eines regionalen Krieges unter Einschluss des Irans. So fordern aktuell einflussreiche amerikanische Politiker wie der Senator Lindsey Graham und der frühere Sicherheitsberater John Bolton einen direkten US-Angriff auf den Iran. Dies begründen sie unter anderem damit, dass die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz ihre Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer fortsetzen will und dass die ebenfalls mit dem Iran verbündete libanesische Miliz Hisbollah ihre Angriffe auf Israel zuletzt noch intensiviert hat, als Reaktion auf eine ebenfalls klar festzustellende Intensivierung der israelischen Angriffe auf den Libanon. So hatte es zuletzt gezielte Tötungen von hohen Funktionsträgern der Hisbollah und der Hamas durch die israelische Armee gegeben, denen unter anderem der Vertreter der Hamas in den Verhandlungen mit Israel zum Opfer gefallen ist.
Im Irak hat es zudem eine gezielte Tötung eines schiitischen Milizkommandanten durch einen amerikanischen Bombenangriff gegeben. Als Folge dieser Ereignisse haben die Auseinandersetzungen an der israelisch-libanesischen Grenze zuletzt deutlich zugenommen, und die israelische Regierung stellte bereits einen Angriff und die Besetzung des Südlibanons in Aussicht. Aufgrund mangelnder militärischer Fortschritte gegen die Hamas-Miliz im Gazastreifen hat es in Israel sogar bereits Vorschläge gegeben, die israelische Armee solle ägyptisches Territorium, das an den Gazastreifen grenzt, besetzen.
Mit einem amerikanischen Angriff auf den Iran, möglicherweise auch mit einer Besetzung des Südlibanon durch die israelische Armee wäre ein regionaler Krieg da. Die Folgen einer solchen Auseinandersetzung für den Ölmarkt wären erheblich. So würde mit großer Wahrscheinlichkeit die iranische Ölproduktion von nach Angaben der Opec mehr als 3 Mill. Barrel pro Tag (bpd) dem Weltmarkt entzogen. Darüber hinaus ist auch mit einer Sperrung der vom Iran kontrollierten Meeresenge von Hormus zu rechnen, durch die etwa 25% des gesamten mit Tankschiffen transportierten Öls gehen. Denkbar ist auch eine Sperrung des Suezkanals, der auch eine wichtige Transportroute für Rohöl darstellt. Bereits der Ausfall des iranischen Öls dürfte den Ölpreis stark nach oben treiben, möglicherweise über die Marke von 100 Dollar je Barrel. Eine Sperrung der Meeresenge von Hormus, zu der die iranischen Streitkräfte zweifellos in der Lage wären, könnte den Ölpreis zumindest zeitweilig sogar über die Marke von 200 Dollar treiben.