GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (127)

Krise ein Testfall für Wertsicherungskonzepte

Börsen-Zeitung, 22.7.2020 Institutionelle Investoren sind nicht der idealtypische Anleger, den Harry Markowitz mit seiner Portfoliotheorie im Auge hatte. Bei ihnen wird die Spannung zwischen den langfristigen Verheißungen der strategischen...

Krise ein Testfall für Wertsicherungskonzepte

Institutionelle Investoren sind nicht der idealtypische Anleger, den Harry Markowitz mit seiner Portfoliotheorie im Auge hatte. Bei ihnen wird die Spannung zwischen den langfristigen Verheißungen der strategischen Asset-Allokation und kurzfristigen bilanziellen Nebenbedingungen besonders deutlich. Geschäftsjahre, (Bilanz-) Stichtage, Ausschüttungen, Gremiensitzungen etc. führen dazu, dass dem langfristigen Anlagehorizont so regelmäßige wie kurzfristige Beobachtungsintervalle gegenüberstehen. Jahr für Jahr sollen möglichst stetige Erträge erzeugt werden. Optimistische RisikoparameterGleichzeitig verlangt wird ein geringstmögliches Risikopotenzial, oft fixiert in Form einer Wertuntergrenze, die die Anlage nicht unterschreiten darf. Ob das wirklich gelingt, sieht man in Krisen. Jetzt ist die Zeit, in der Anleger ihre Anbieter von Wertsicherungskonzepten kritisch unter die Lupe nehmen können. Drei Aspekte sind für diese Bewertung entscheidend: Risikoparameter, die Effizienz der Anlagen und Liquidität in der Umsetzung. Sie sind auch für Privatanleger interessant, deren Risikotoleranz durch die Krise auf die Probe gestellt wurde. Zunächst zu den Risikoparametern. Der Umstand, dass viele Kunden geringe Risikotoleranz mit dem Wunsch verbinden, trotzdem eine attraktive Allokation in renditegenerierenden Anlagen zu erhalten, verführt Anbieter immer wieder zu Wertsicherungsstrategien mit optimistischen Risikoparametern. In Kombination mit der Wertuntergrenze bestimmen Risikoparameter, welchen Anteil riskante Anlagen in einem Portfolio mit Wertsicherung ausmachen dürfen. Wenn die Risikoparameter für die riskanten Anlagen im Stressfall einen Wertverlust von maximal 20 % prognostizieren, aber die Wertuntergrenze des Kunden bei 90 % liegt, so kann er sich zu Beginn nur eine Allokation von bis zu 50 % in solche Anlagen leisten, um einen Fall unter die Wertuntergrenze auszuschließen. Weil optimistische Risikoparameter einen geringeren maximalen Kursverlust voraussagen, ermöglichen sie eine höhere Allokation in riskante Anlagen. Dadurch steigt in guten Zeiten die Rendite. In schlechten Zeiten verursachen sie allerdings höhere Verluste, als selbst im Worst Case auftreten dürften.Für hohe Effizienz der Anlagen ist die Auswahl des risikoreichen Teilportfolios erfolgsentscheidend. Es sollte möglichst breit diversifiziert sein. Kein noch so guter Wertsicherungsalgorithmus kann Defizite im Anlageuniversum ausgleichen. Ein weiterer Vorteil breiter Diversifizierung ist die relativ geringe Volatilität. Sie reduziert die systemimmanenten Verluste einer Wertsicherungsstrategie: Wenn der Gesamtwert des Portfolios gestiegen ist, kann ein höherer Betrag in den riskanten Teil investiert werden. Ist er gefallen, muss Geld daraus abgezogen werden. Die Reaktion auf Trends erfolgt in Teilen also zeitversetzt.Liquidität in der Umsetzung ist der dritte Aspekt. Kapitalanlagen müssen nicht nur ein attraktives Verhältnis von Rendite und Risiko aufweisen, sondern auch eine hohe Liquidität, also kurzfristig handelbar sein. Liquidität ist wichtig, weil das Risiko im risikoreichen Teilportfolio durch permanente Anpassung der Investitionsquote gesteuert wird. Insofern muss zwischen Diversifikation über alle Anlageklassen hinweg und den Liquiditätsanforderungen der Strategie abgewogen werden. Wenn durch den Anbieter beispielsweise in normalen Zeiten illiquide Spreadprodukte zugekauft werden, um gegenüber der Konkurrenz noch einen Renditeaufschlag zu verdienen, geht das nur bis zur Krise gut. Illiquidität in diesen Instrumenten sorgt dann dafür, dass Verkäufe nur mit sehr hohen Preisabschlägen möglich sind.Wie schon in den Phasen 2001/2002 und 2008/2009 offenbart die aktuelle Phase, ob einem Vermögensverwalter bei diesen Schlüsselaspekten Fehler unterlaufen sind. Häufig halten die gewählten Stress- und Risikoparameter einer großen Krise nicht stand, oder die Investments selbst sind nicht liquide genug, um den gewählten Ansatz tatsächlich effizient umsetzen zu können. Resultat sind Portfolios, die in der Krise unter die vom Anleger vorgegebene Wertuntergrenze fallen und sich nun in einem voll abgesicherten Zustand befinden. Der Anleger ist also zu null Prozent ins risikoreiche Teilportfolio mit seiner potenziell hohen Renditeaussicht investiert. An einer auf die Krise folgenden Erholung mit positiven Marktbewegungen kann dann nicht mehr partizipiert werden, sofern er kein zusätzliches Risikobudget freigibt. Auch im aktuellen Kapitalmarktumfeld sind wieder viele institutionelle Investoren in diesem Dilemma gefangen. Ihr Vermögensverwalter hat damit implizit das Budgetmanagement zurück an den Anleger gegeben, obwohl er im Rahmen eines Wertsicherungsansatzes eigentlich genau für diese Leistung bezahlt wird. Partizipation an der ErholungRealistische Risikoannahmen, effiziente Diversifikation und Sicherstellung ausreichender Liquidität in der Umsetzung ermöglichen hingegen auch in der Krise ein effektives Portfoliomanagement innerhalb definierter Risikogrenzen und eine Partizipation an der jüngsten Erholungsphase. Co-Autor dieses Beitrags ist Bernd Scherer, Geschäftsführer der Lampe Asset Management. —-Sebastian Napiralla, Head of Total Return Portfolio Management der Lampe Asset Management