Ölmarkt und Geopolitik

Krise im Roten Meer treibt Brent-Ölpreis über 80 Dollar

Mit den Angriffen jemenitischer Rebellen auf Tanker im Roten Meer ist die Angst vor einer geopolitischen Eskalation an den Ölmarkt zurückgekehrt. Der Ölpreis ist bereits wieder deutlich gestiegen. Mit einer möglichen US-Militäraktion steigt die Gefahr für einen verheerenden regionalen Krieg.

Krise im Roten Meer treibt Brent-Ölpreis über 80 Dollar

Krise im Roten Meer treibt Brent-Preis über 80 Dollar

Eskalation hin zu einem offenen Krieg zwischen den USA und dem Iran möglich – Enormer Aufmarsch von Kriegsschiffen in der Region

ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die Krise im Roten Meer hat den Brent-Ölpreis am Mittwoch zeitweilig auf ein Niveau von 80,30 Dollar getrieben. Damit wurde die viel beachtete Marke von 80 Dollar überschritten. Es handelt sich um eine rasante Erholung: Noch vor wenigen Handelstagen wurde Brent-Öl zu weniger als 73 Dollar gehandelt. Der Hauptgrund für den plötzlichen Wiederanstieg des Ölpreises liegt darin, dass auf einmal die geopolitische Risikoprämie in den Ölpreis zurückgekehrt ist. Trotz des laufenden Nahost-Kriegs und zunehmender internationaler Spannungen hatte diese in den vergangenen Wochen praktisch keine Rolle mehr gespielt, die Konflikte wurden von den Marktteilnehmern vollständig ignoriert. Am Montag aber, mit dem Angriff der jemenitischen Miliz Ansar Allah auf einen norwegischen Chemikalientanker, hat der Ölmarkt auf einmal die damit verbundenen Gefahren erkannt, obwohl die Angriffe auf Tanker und Frachtschiffe bereits seit mehreren Wochen laufen.

Die auch „Huthi“ genannte Miliz ist in den 1990er Jahren entstanden, sie hat in den Jahren 2014 und 2015 einen Staatsstreich gegen den unbeliebten Präsidenten des Jemen durchgeführt, was dann zu einem Bürgerkrieg führte, weil sich vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf die Seite der gestürzten Regierung und der mit dieser verbundenen Kräfte stellten. Trotz der anfänglich großen militärischen Übermacht der Saudis gelang es den vom Iran unterstützten Huthis, in dem Krieg langsam die Oberhand zu gewinnen und das von den Saudis beherrschte Marionettenregime zurückzudrängen, so dass inzwischen auch Saudi-Arabien an einem baldigen Frieden interessiert ist und Verhandlungen zugestimmt hat. Die militärischen Fähigkeiten der Huthi-Miliz sollten also keinesfalls unterschätzt werden, sie ist fast schon als eine Armee einzustufen, die für die Kriegsführung in Wüstengebieten optimiert ist. Durch die Unterstützung des Iran hat die Miliz Zugang zu moderner Kriegstechnik wie Drohnen, ballistischen Raketen und möglicherweise auch Anti-Schiff-Raketen.

Mehrere Angriffe

Der jüngste Angriff auf den Chemikalientanker M/T Swan Atlantic, der übrigens kaum Schäden angerichtet hat, ist keineswegs die erste Attacke gewesen. So hat es bereits am 11. Dezember einen Angriff auf den norwegischen Tanker M/T Strinda gegeben, der zu einem spektakulären Großbrand auf dem Schiff führte. Zwar hat die Huthi-Miliz immer wieder betont, dass es nur Angriffe auf Schiffe mit der Verbindung zu Israel geben würde. Angesichts der komplexen Eigentumsverhältnisse von modernen Frachtschiffen, bei denen es Eigentümer, Finanzierer, Charterkunden, Schiffsmanager, Reeder, das Zielland sowie das Land gibt, unter dessen Flagge das Schiff operiert, sind derartige Verbindungen zu Israel jedoch kaum zuverlässig offenzulegen. Daher vermuten die meisten Branchenkenner, dass es den Huthis letztlich darauf ankommt, Israel und vor allem seine westlichen Unterstützer unter Führung der USA unter Druck zu setzen und ein Ende des Kriegs im Gazastreifen zu erzwingen.

Die Chancen dafür stehen nicht einmal schlecht. Die Huthis müssen nämlich keineswegs sämtliche Schiffe, die die Meeresenge des Bab-el-Mandeb am Eingang zum Roten Meer auf dem Weg zum Suezkanal passieren, versenken. Es reichen, wie sich gezeigt hat, bereits wenige Angriffe mit meist geringem Schaden aus, um Reedereien dazu zu bewegen, den Suezkanal zu meiden. Dies liegt unter anderem daran, dass es für die Reedereien kaum möglich sein dürfte, Deckung durch Versicherer für ein Schiff zu bekommen, das sich durch Konfliktzonen bewegt.

Daher haben bereits zahlreiche Reedereien angekündigt, den Suezkanal und damit die Konfliktzone zu meiden. Der britische Ölmulti BP hat am Montag angekündigt, vorerst keine Schiffe mehr durch den Suezkanal entsenden zu wollen. Am Wochenende hatte sich die weltgrößte Containerreederei MSC ähnlich geäußert. Die dänische A.P. Møller-Mærsk und Hapag-Lloyd sollen ebenfalls die Benutzung des Suezkanals eingestellt haben. Mit Stand vom Montag haben 46 große Containerschiffe ihren Kurs geändert. Allerdings fallen damit beispielsweise die Lieferungen von Energieträgern und Gütern nach Europa nicht aus, die Schiffe müssen nur einen enormen Umweg um Afrika herum nehmen, was die Transportwege um rund 3.000 nautische Meilen verlängert und die Transportkosten deutlich erhöht. Damit dürften die Preise für Erdöl und Erdgas in Europa wieder einmal steigen.

Allerdings gibt es aus einer anderen Richtung noch eine sehr viel größere Gefahr für den Ölmarkt. Die US-Regierung hat eine Militäraktion unter dem klangvollen Namen „Operation Prosperity Guardian“ unter der angeblichen Teilnahme von 10 anderen Staaten angekündigt, wobei allerdings klar ist, dass aufgrund fehlender militärischer Fähigkeiten dieser Länder die USA den absolut überwiegenden Teil der Kriegshandlungen übernehmen müssen. Da die Huthi-Miliz erklärt hatte, ihre Aktionen stellten den Eintritt in den Krieg der Palästinenser gegen Israel dar, ließe sich die amerikanische Aktion wiederum als ein Kriegseintritt der USA auf Seiten Israels werten – dies könnte jedenfalls der Iran so sehen. Das wiederum könnte dann doch noch zu der von allen Seiten befürchteten regionalen Eskalation des Nahost-Kriegs führen. Dies würde dann unweigerlich eine Explosion des Ölpreises nach sich ziehen und möglicherweise zu umfassenden Versorgungsengpässen führen, weil durch die unter iranischer Kontrolle stehende Meeresenge von Hormus etwa 25% der weltweit per Tankschiff transportierten Ölmengen gehen.

Zweifel am Erfolg

Letztlich darf auch bezweifelt werden, ob die US-Militäraktion ein großer Erfolg wird. US-Militärtechnik hat sich in der Bekämpfung von Raketen und Drohnen als wenig leistungsfähig erwiesen und insbesondere gegen überschallschnelle Anti-Schiff-Raketen, über die der Iran verfügt, ist sogar ein US-Flugzeugträgerverband nicht zu verteidigen, wenn diese in einem Schwarm angreifen. Insofern stellt der Flugzeugträgerverband der USS Dwight D. Eisenhower (CVN-69) wenig mehr als ein lohnendes Ziel dar. Auf der anderen Seite ist nicht zu erwarten, dass beispielsweise Angriffe auf den Jemen mit Kampfflugzeugen und Tomahawk-Cruise-Missiles der Huthi-Miliz ernsthafte Schäden beibringen. Der Einsatz amerikanischer Bodentruppen im Jemen ist undenkbar, weil die USA fast ihre gesamten Munitionsvorräte an die Ukraine gegeben haben und weil gegen die kampfstarke Huthi-Miliz kaum militärische Erfolge zu erwarten sind. Außerdem gibt es zu viele Schiffe in der Region, als dass jedes einzelne von US-Kriegsschiffen verteidigt werden könnte.

Sollte es jedenfalls im Rahmen einer Eskalation und kriegerischer Auseinandersetzungen zu einer Sperrung der Meeresenge von Hormus kommen, ist zu erwarten, dass der Ölpreis auf 200 Dollar oder darüber springt. Da durch die Straße von Hormus und den Suezkanal auch LNG-Erdgastanker fahren, sind Engpässe bei der Erdgasversorgung Europas zu erwarten, die auch hier für deutliche Preisanstiege sorgen dürften.

Normalerweise fahren jährlich 11.800 Schiffe durch den Suezkanal, dies sind im Durchschnitt 393 pro Tag. Auf den Kanal entfallen etwa 12% des gesamten weltweiten Schiffsverkehrs. Ein Tanker oder Containerschiff, das nun auf dem Weg aus dem Fernen Osten nach Europa den Weg um Afrika herum nehmen muss, verursacht pro Fahrt aktuell Zusatzkosten von rund 1 Mill. Dollar. Betroffen ist auch der Transport von LNG-Flüssiggas. Durch den Suezkanal sind im laufenden Jahr bereits 16,2 Mill. Tonnen Gas vom Atlantik in Richtung Asien transportiert worden und 15,7 Mill. Tonnen in die entgegengesetzte Richtung.

Die meisten Transporte haben ihren Ausgangspunkt in Katar, den USA und Russland. Wird beispielsweise Erdgas aus Katar nach Europa nun um Afrika herumtransportiert, erfordert das 22 zusätzliche Tage pro Hin- und Rückfahrt, eine Verlängerung um 145%.

Die Rohstoffanalysten der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs sind allerdings der Ansicht, dass die Sperrung der Route durch den Suezkanal keine großen Auswirkungen auf die Preise von Erdöl und Erdgas haben wird, da es die Ausweichroute gebe und die Produktion nicht betroffen sei.

Mit den Angriffen jemenitischer Rebellen auf Tanker im Roten Meer ist die Angst vor einer geopolitischen Eskalation an den Ölmarkt zurückgekehrt. Der Ölpreis ist bereits wieder deutlich gestiegen. Mit einer möglichen US-Militäraktion steigt die Gefahr für einen verheerenden regionalen Krieg.

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