GELD ODER BRIEF

Landis+Gyr im Wettlauf gegen die Kosten

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 8.6.2018 Es konnte nicht schnell genug gehen, damals im Juli 2017, als Landis + Gyr am Ende einer langen Odyssee mit zahlreichen Eigentümerwechseln zurück an die heimatliche Schweizer Börse strebte. Der...

Landis+Gyr im Wettlauf gegen die Kosten

Von Daniel Zulauf, ZürichEs konnte nicht schnell genug gehen, damals im Juli 2017, als Landis + Gyr am Ende einer langen Odyssee mit zahlreichen Eigentümerwechseln zurück an die heimatliche Schweizer Börse strebte. Der überschuldete japanische Multi Toshiba musste das 120-jährige Schweizer Traditionsunternehmen eiligst versilbern, und dies zum höchstmöglichen Preis. Die Operation gelang. Landis + Gyr (L + G) wurde 2017 zu einem der drei größten Börsengänge in der Schweiz in den vergangenen 15 Jahren. 2,3 Mrd. sfr erlösten die Japaner für die Firma, die sie 2011 für umgerechnet rund 2 Mrd. sfr erworben hatten. Die Manager mussten viel versprechen, um die Investoren zum Kauf der Aktien bewegen zu können. Ein Jahr später lässt sich feststellen: Landis + Gyr hat geliefert. Der Umsatz ist in dem per Ende März abgeschlossenen Rechnungsjahr um 4,7 % oder währungsbereinigt um 2,6 % auf 1,74 Mrd. Dollar gestiegen. Ein Plus von 3 % hatte Finanzchef Jonathan Elmer vorausgesagt. Ebenfalls wie angekündigt hat der Konzern im Berichtsjahr die Verlustzone verlassen. Er weist einen Gewinn von 46,4 Mill. Dollar aus – eine Steigerung um 109 Mill. Dollar. Für die Aktionäre noch wichtiger als der Gewinn ist der Cash-flow. Landis + Gyr hat diese Größe um 31 % auf 125 Mill. Dollar gesteigert, die Nettoverschuldung von 127 Mill. Dollar auf 40 Mill. Dollar reduziert und kann nun die im Juli 2017 versprochene Dividende auszahlen. Konkret versprach L + G mindestens drei Viertel des freien Cash-flows (nach Investitionen) auszuschütten. Diese Vorgabe wird sogar leicht übererfüllt. Der freie Cash-flow erreichte im Berichtsjahr 87,5 Mill. Dollar, wovon 71 Mill. Dollar oder 2,3 sfr pro Aktie für die Dividende entnommen werden. Freude von kurzer DauerDoch die Freude der Anleger war von kurzer Dauer. Nach einem ersten Hüpfer am Dienstag nach Bekanntgabe der Zahlen ging der bereits im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung eingesetzte Kursrückgang weiter. Aktuell liegen die Aktien rund 8 % unter dem Vorwochenniveau. Bei einem Kurs von knapp 67 sfr notieren die Papiere 14 % unter dem Emissionspreis beim Börsengang (78 sfr). Viele Investoren scheinen trotz dem gelungenen Start in die Selbstständigkeit an der Verlässlichkeit der unternehmenseigenen Prognosen zu zweifeln. Landis + Gyr verspricht in den nächsten zwölf Monaten eine weitere Umsatzsteigerung um 3 % bis 6 %. Der Cash-flow soll um weitere 10 Mill. bis 20 Mill. Dollar steigen, wozu die amerikanische Steuerreform den größten Beitrag leisten soll. Und wenn auch der freie Cash-flow die prognostizierten 95 Mill. bis 105 Mill. Dollar erreichen sollte, wäre mindestens eine Fortführung des aktuellen Dividendenniveaus zu erwarten. Doch derlei Ansagen sind mit Blick auf die tatsächliche Entwicklung mit einiger Vorsicht zu genießen. In Europa, wo das größte Wachstum in den kommenden Jahren herkommen soll, bewegt sich wenig. Länder wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande nähmen eine umfassende Erneuerungen der Infrastruktur zur Strommessung in Angriff, prophezeite Konzernchef Richard Mora vor Jahresfrist. Herausgekommen ist ein Wachstum von währungsbereinigt gerade mal 1,7 % auf 627 Mill. Dollar. Geld verdiente L + G in Europa schon 2016 keines. Im Berichtsjahr ist der operative Verlust je nach Betrachtungsweise auf mindestens 9 Mill. Dollar gestiegen. Die Rechnung sähe besser aus, wenn Lieferengpässe von elektronischen Komponenten die Auslieferungen in Europa nicht gebremst und Verkäufe im Umfang von 18 Mill. Dollar verhindert hätten, sagt Mora. Doch eine Firma wie Landis + Gyr, die nach Moras eigener Aussage auf eine vollständige Auslagerung der Produktion an Drittanbieter hinarbeitet, muss mit Schwierigkeiten in der Lieferkette leben können. Diese sogenannte Asset-Light-Strategie verfolgt Landis + Gyr seit drei Jahren. Sie ist Ausdruck des fortlaufend sinkenden Kostenniveaus in der Elektronikindustrie. Jede neue Generation von intelligenten Stromzählern muss billiger sein als ihre Vorgänger, und dies bei einem höheren Leistungsniveau. Im Wettlauf um niedrigere Kosten gehen Firmen wie Landis+Gyr Risiken ein, die sich in der Bilanz nicht erkennen lassen. Zum Beispiel verschob der Konzern vor rund zehn Jahren seine Produktion für den US-Markt aus dem amerikanischen Bundesstaat Indiana in die kostengünstigere mexikanischen Grenzstadt Reynosa. Nun könnte Donald Trumps Handelspolitik zum Problem für den mexikanischen Produktionsstandort werden. Zwar betont L + G man wäre in der Lage, die Produktion nötigenfalls innerhalb von wenigen Monaten in die USA zurückzuverschieben. Doch damit wären selbstredend erhebliche Kosten verbunden. Die Zählerproduktion in der Schweiz wanderte schon vor über zwanzig Jahren nach Griechenland ab. Die schwachen Profitabilitätskennzahlen für Europa lassen vermuten, dass die Produktionsbedingungen auch in Hellas nicht besonders vorteilhaft sind. Verringerte FertigungstiefeIm Wissen um die Schwierigkeiten mit den sich verändernden Bedingungen in den kostengünstigsten Produktionsstandorten verringern die Hersteller laufend ihre Fertigungstiefe. Statt Stromzähler selbst herzustellen, kaufen sie zunehmend billige Komponenten ein und beschränken sich nur noch auf die nötigsten Fertigungsschritte. Doch mit der zunehmenden Arbeitsteilung nehmen auch die Risiken in den globalen Lieferketten zu. Ein Indiz dafür sind auch die aktuellen Lieferprobleme in Europa. Sie zeigen, dass gewisse Zulieferbetriebe an ihre Grenzen stoßen. Lebendig werden vor diesem Hintergrund auch die Erinnerungen an die große Flut in Thailand im Jahr 2011. Die verheerenden Überschwemmungen, die mitunter riesige Industrieparks von Elektronikherstellern und Automobilzulieferern lahmlegten, führten der Welt die Risiken vor Augen, wie sie sich in einer hochgradig arbeitsteiligen Industrie in den Lieferketten zwangsläufig ergeben. Den Investoren von L + G sind diese Hintergrunde offensichtlich nicht ganz geheuer. An sich ist das Geschäft mit den Smart Meters ja durchaus ein eindrückliches Wachstumsfeld. Doch die Sichtweite in dem Markt ist gering und die Prognosesicherheit entsprechend schwach, wie nicht nur die Analysten von Morgan Stanley monieren. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 16 sind die Aktien auch auf dem aktuellen Niveau noch gut bewertet.