GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (319)

Landwirtschaft und Nahrungsmittel – wann werden wir nachhaltig konsumieren?

Die Wende im Bewusstsein über eine gesündere und nachhaltigere Ernährung ist geschafft, und bei einer schrittweisen Verhaltensänderung eröffnen sich riesige Umsatzpotenziale.

Landwirtschaft und Nahrungsmittel – wann werden wir nachhaltig konsumieren?

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (319)

Ernährung: Wann werden wir nachhaltig konsumieren?

Die jährlich stattfindende UN-Klimakonferenz COP erinnert die Weltgemeinschaft an die Dringlichkeit, den Klimawandel ernst zu nehmen und den Temperaturanstieg aufzuhalten. Einer der großen – aber noch zu wenig diskutierten – Faktoren bei der globalen Erwärmung ist der Treibhausgasausstoß durch die Landwirtschaft. Schließlich macht dieser ein gutes Viertel der globalen Emissionen aus. Gleichzeitig werden für Ackerbau und Viehzucht etwa die Hälfte der bewohnbaren Landfläche genutzt.

Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung ist eine permanente Herausforderung und eine riesige Chance zugleich. Die Herausforderung wurde historisch in der Notwendigkeit gesehen, ausreichend Kalorien für eine zunehmende Zahl von Erdenbewohnern zu produzieren – und gleichzeitig eine anspruchsvollere, proteinreichere Ernährung für wohlhabendere Gesellschaften sicherzustellen. Dies führte zu einer extensiven und nicht nachhaltigen Bewirtschaftung unserer natürlichen Ressourcen. Global nimmt die Landwirtschaft etwa 70% der Frischwasserentnahmen ein und die Tendenz ist noch weiter steigend.

Verlust an Biodiversität

Mittlerweile ist die Sorge der nicht ausreichenden Kalorienversorgung als Engpassfaktor weitgehend ausgeräumt, zumindest wenn man es global betrachtet (lokal oder regional gibt es in der Tat katastrophale Missstände), denn in der Theorie kann die Weltbevölkerung auch mit nachhaltigen Produktionsmethoden mit ausreichend Nahrung versorgt werden. Somit hat sich die Herausforderung gewandelt von „wie viel“ zu „wie“. Denn nun rücken die ökologischen Auswirkungen der intensiven Landbewirtschaftung stärker in den Blickpunkt.

Denn Verlust an Biodiversität (zu dem die Landwirtschaft zwei Drittel des
Artenschwunds beiträgt) und die Beschleunigung des Klimawandels sind Nebeneffekte, die uns potenziell die Lebensgrundlage als Menschen insgesamt entziehen können.

Die Diagnose ist dabei recht klar und wenig umstritten. Eine fleischintensive und proteinreiche Ernährung produziert ein Vielfaches an Treibhausgasemissionen im Vergleich zu einer vegetarischen Ernährung. Nach Berechnungen des IPCC ließen sich durch eine fleischarme bzw. vegetarische Ernährung pro Jahr 3,5 bzw. 6 Gigatonnen gegenüber dem aktuellen Status quo einsparen.

Allein bei der Umsetzung beginnen die Schwierigkeiten. Dies kann man exemplarisch an der Entwicklung der Nachfrage nach fleischlosen Nahrungsmitteln wie Burger-Patties aus Erbsenproteinen und dergleichen ablesen. Zu Beginn der Corona-Pandemie als bahnbrechende Alternative gefeiert mit astronomischen Wachstumserwartungen, ist die Realität dann doch ernüchternd. Ernährungsgewohnheiten ändern sich graduell und langfristig, nicht schlagartig. Dementsprechend war auch die Kursentwicklung von Food-Innovation-Unternehmen in den letzten drei Jahren eher enttäuschend.

Riesige Umsatzpotenziale

Wenn man sich die Wertentwicklung von Aktien aus dem Nahrungsmittelbereich im Allgemeinen anschaut, ergibt sich ein weniger düsteres, aber auch nicht gerade ein überzeugendes Bild. Nahrungsmittelhersteller sind per Definition keine KI-Unternehmen und standen damit nicht im Fokus der Anleger. Sie sind auch nicht Teil der „Glorreichen 7“, die die Wertentwicklung der US-Indizes in diesem Jahr maßgeblich bestimmt haben. Ist dies ein Scheitern des Anlagethemas Ernährung? Mitnichten, so denken wir. Die Veränderungen vollziehen sich langsamer als prognostiziert, nichtzyklische Konsumaktien waren auch nicht Anlegers Liebling. Aber die Wende im Bewusstsein über eine gesündere und nachhaltigere Ernährung ist geschafft, und bei einer schrittweisen Verhaltensänderung eröffnen sich riesige Umsatzpotenziale. Für New-Food-Unternehmen mit innovativen Rezepturen wie für etablierte Nahrungsmittelkonzerne gleichermaßen. Denn auch Letztere haben die Zeichen der Zeit erkannt und stellen ihre Sortimente zunehmend auf einen moderneren Ernährungsbegriff um.

Walter Liebe

Pictet Asset Management