KREDITWÜRDIG

Längere Bonds von VW gelten als attraktiv

Von Frank Biller *) Börsen-Zeitung, 26.9.2019 Auch vier Jahre nach dem Aufkommen der Dieselaffäre schwebt noch immer eine dunkle Wolke über der Automobilindustrie. Dies zeigt sich zum einen in der nahezu endlosen juristischen Aufarbeitung...

Längere Bonds von VW gelten als attraktiv

Von Frank Biller *)Auch vier Jahre nach dem Aufkommen der Dieselaffäre schwebt noch immer eine dunkle Wolke über der Automobilindustrie. Dies zeigt sich zum einen in der nahezu endlosen juristischen Aufarbeitung zahlreicher Klagen, zum anderen in einer großen Verunsicherung der Automobilkäufer. So führen die Angst vor Fahrverboten und die Diskussion um Schademissionen in Verbindung mit der Frage nach dem Antrieb der Zukunft zur Kaufzurückhaltung. Darüber hinaus belasten schwelende internationale Handelskonflikte einschließlich Zöllen, Brexit-Unsicherheiten und anhaltend rückläufige Absatzzahlen in China. In den ersten acht Monaten 2019 fielen die weltweiten Automobilverkäufe laut LMC Automotive um 5,9 %. Besonders stark fiel der Absatz in China um 10,8 %. Für das Gesamtjahr wird weltweit mit einem Rückgang von 3 bis 4 % gerechnet, was sich jedoch ohne eine erhoffte Belebung in China als zu optimistisch herausstellen könnte. Entwicklung koppelt sich abDie Entwicklung der Credit-Spreads hat sich im Jahresverlauf von der schwierigen Lage der Automobilindustrie abgekoppelt. Seit Anfang 2019 fielen die Spreads der Automobilunternehmen gemessen am iBoxx Autos um rund 35 Basispunkte (BP) und damit stärker als der Gesamtmarkt (iBoxx Non-Financials) mit rund 20 BP. Dies dürfte daran liegen, dass die Halbjahresergebnisse der Hersteller Volkswagen, Daimler und BMW, die zusammen für rund 62 % des iBoxx Auto stehen, besser als befürchtet ausfielen und hierdurch kein Ratingdruck entstand. Die Spreads des iBoxx Autos liegen mit aktuell 118 BP am höchsten unter allen Branchen und zeigen derzeit eine Differenz von rund 33 BP zum iBoxx Non-Financials. Seit Jahresbeginn lag der Total Return des iBoxx Autos bei 6,7 % gegenüber einem Total Return von 7,1 % beim iBoxx Non-Financials. Die leichte Underperformance der Branche ist dabei auf die kürzere Duration von 4,6 Jahren gegenüber 5,6 Jahren zurückzuführen.Im ersten Halbjahr 2019 entwickelte sich Volkswagen besser als der Gesamtmarkt. Die Pkw-Auslieferungen fielen um 2,8 % gegenüber einem Marktrückgang von rund 5 %. Trotz niedrigerer Fahrzeugverkäufe führten positive Preis- und Mixeffekte zu einem Umsatzanstieg um 4,9 % auf 125,2 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis vor Sondereffekten wuchs auf gute 10 Mrd. Euro (i.V. 9,8 Mrd. Euro) bzw. nach Sondereinflüssen aus der Dieselthematik auf 9 Mrd. Euro (Vj. 8,2 Mrd. Euro). Für das Gesamtjahr 2019 erwartet VW einen Free Cashflow des Automobilgeschäftes (vor Akquisitionen) von 9 Mrd. Euro nach 6,1 Mrd. Euro zum Halbjahr. Dieses Ziel erscheint uns ebenso konservativ wie das Ziel für die Nettoliquidität von 15 Mrd. Euro nach 15,9 Mrd. Euro zum Halbjahr.Nach dem Aufkommen der Dieselaffäre im September 2015 stuften die Ratingagenturen Volkswagen ab. S & P senkte das Rating in zwei Schritten von “A” im September auf “BBB+” im Dezember 2015. Moody’s senkte das Rating im November von “A2” auf “A3” und Fitch ebenfalls im November von “A” auf “BBB+”. Seither wurden die Ratings bestätigt mit jeweils stabilem Ausblick. Mit dem Ausblick auf einen Free Cashflow im Automobilgeschäft von mindestens 10 Mrd. Euro ab 2020 dürfte sich das Rating festigen. Selbst weitere Auszahlungen im niedrig einstelligen Milliardenbereich im Rahmen der Dieselaffäre sollten das Investment-Grade-Rating nicht gefährden, sofern die Konzernziele erreicht werden. Insgesamt sehen wir Volkswagen gut aufgestellt für die Herausforderungen künftiger Mobilität. Das Unternehmen ist sowohl im Massengeschäft mit den Marken VW, Skoda und Seat unterwegs und kann hier mit seiner forcierten Elektrostrategie Skaleneffekte nutzen. Porsche und Audi bieten gute Ertragsaussichten als starke Marken im Premiumsegment, das sich weiterhin besser entwickelt als der Gesamtmarkt. Hier rechnen sich Innovationen bereits in kleineren Stückzahlen. So dürfte das jüngst vorgestellte Elektrofahrzeug Porsche Taycan auf der Margenseite keine Belastung darstellen. Risiken bereits antizipiertDie Entwicklung des Fünf-Jahres-CDS geht einher mit der Entwicklung der Bond-Spreads. Nach dem Aufkommen der Dieselaffäre schnellte der CDS von unter 80 BP auf fast 300 BP. Mit hoher Volatilität fiel der CDS bis Februar 2018 auf niedrige 47 BP. Bis Anfang 2019 stieg der 5Y-CDS angetrieben von einem rückläufigen Automobilmarkt in China auf rund 130 BP und notiert derzeit bei rund 90 BP. Auf die Bekanntgabe der Anklagen gegen CEO Herbert Diess und den Aufsichtsratschef Hans Dieter Poetsch im Zusammenhang mit manipulierten Dieselmotoren reagierte der CDS mit einer geringen Ausweitung um rund 3 BP. Dies zeigt unseres Erachtens, dass der Markt die Risiken aus diesen Klagen bereits weitgehend antizipiert.Für die Finanzierung nutzt Volkswagen eine Vielzahl von Instrumenten. Mit aktuell 167 Bonds und einem Gesamtvolumen von rund 91 Mrd. Euro entfällt der Großteil auf den Anleihemarkt. Dies schließt acht nachrangige Hybridanleihen mit einem Volumen von 12,5 Mrd. Euro ein. Hauptwährungen sind dabei Euro (rd. 65 %), US-Dollar (rd. 21 %) und Pfund (rd. 5 %). Die Laufzeiten sind breit gestreut von 2019 bis 2043. Neben den Bonds nutzt Volkswagen vor allem ABS-Transaktionen (rd. 41 Mrd. Euro Ende Q2/19), Kredite von Banken (rund 29 Mrd. Euro) und Kundeneinlagen bei der VW Bank (rund 30 Mrd. Euro). Die Anleihen werden meist fest verzinst. 2019 werden noch rund 2,5 Mrd. Euro und 2020 rund 14,3 Mrd. Euro fällig. Diese dürften weitgehend über Neuemissionen refinanziert werden. Blick auf die HybrideIm bisherigen Jahresverlauf wurde ein Volumen von 27,6 Mrd. Euro in Eurobonds platziert. Die Bonds sind dabei regelmäßig attraktiv gepreist, was Zeichnungsgewinne verspricht. Beispielsweise engten sich die Spreads der im Juni emittierten VW-Bonds 06/22 und 06/26 bis dato um 23 BP bzw. 2 BP ein, während der iBoxx Auto gegenüber Juni nahezu unverändert liegt. Die ausstehenden VW-Bonds notieren derzeit in der Nähe der Marktkurve “BBB-” bzw. bei Laufzeiten von über sechs Jahren darüber und bieten damit hohe Renditen gegenüber vergleichbaren Bonitäten. Die unverkennbaren Risiken aus der Transformation der Automobilindustrie, vor allem durch hohe Investitionen in die Elektromobilität, sehen wir in den aktuellen Bewertungen ausreichend berücksichtigt. Auch ein Blick auf die Hybridanleihen von Volkswagen lohnt sich. Aufgrund der Nachrangigkeit liegt das Rating bei Moody’s und S&P bei “BBB-” bzw. zwei Stufen unter dem Rating der Volkswagen-Senior-Bonds. Die Renditen der acht ausstehenden Hybride mit Mindestlaufzeiten zum ersten Call-Termin von 03/21 bis 03/30 liegen aktuell bei 0,9 bis 3,2 %. Ein Abrutschen ins High Yield halten wir für unwahrscheinlich. Ziel von Volkswagen ist es, ein gutes Investment Grade zu erhalten. Dies hat der Konzern auch über den Dieselskandal hinweg erfolgreich bewiesen. *) Frank Biller ist Senior Analyst für Automotive bei der Landesbank Baden-Württemberg.