Linde schiebt sich auf Platz 2 im Dax
Von Joachim Herr, MünchenFür die Linde-Aktie läuft es ganz gut in diesem Jahr. Seit Anfang Januar stieg der Kurs um rund 19 %, während der Dax gut 13 % gewann. Wegen der Fusion mit dem US-amerikanischen Partner Praxair mauserte sich die seit Ende Oktober 2018 in Frankfurt und New York notierte Linde plc zu einem Schwergewicht in der deutschen Börsenelite. Nur SAP steht vor dem deutsch-amerikanischen Industriegasekonzern – allerdings klar mit 127,3 Mrd. Euro Marktkapitalisierung. Linde hat den Anfang März verlorenen zweiten Platz zurückerobert und liegt derzeit mit 90,4 Mrd. Euro vor der Allianz (87,7 Mrd.) und Siemens (85,8 Mrd.). An der New Yorker Börse, wo wesentlich mehr Linde-Aktien als in Frankfurt gehandelt werden, knackte der Titel am Mittwoch die Marke von 100 Mrd. Dollar.Das endgültige Okay für den in zwei Anläufen und länger als zwei Jahre vorbereiteten und mitunter umkämpften Zusammenschluss gab die US-Wettbewerbsbehörde FTC am 1. März. Die letzte Zustimmung von 24 Kartellbehörden auf der ganzen Welt hatte sich aufgrund der Haushaltssperre der US-Regierung nochmals verzögert. So mussten Linde und Praxair warten, ehe sie beginnen konnten, ihre Geschäfte zusammenzulegen und somit die Synergien zu heben. Innerhalb von drei Jahren sollen es 1,1 Mrd. bis 1,2 Mrd. Dollar sein. Enttäuschender AusblickAm 1. März veröffentlichte die Linde plc ihre Pro-forma-Zahlen für das vergangene Jahr und gab in einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Präsentation eine Prognose für 2019. Das setzte den Aktienkurs zunächst einmal gehörig unter Druck. Denn der erwartete bereinigte Gewinn je Aktie von 6,68 bis 6,93 Dollar liegt unter den von Analysten im Durchschnitt geschätzten 6,95 Dollar. Zudem sprach das Management von einem unruhigen Start ins Jahr, und nach Ansicht der Nord/LB enttäuschte auch das nachlassende Umsatzwachstum, das der Konzern für 2019 in Aussicht stellt, einige Aktionäre. Das Management rechnet mit einem geringeren Anstieg als den 5 % im vergangenen Jahr.Doch danach fing sich der Aktienkurs. Seit dem 1. März ging es um fast 9 % aufwärts, während der Dax gut 3 % zulegte. Offenbar glauben nun mehr Investoren an einen Erfolg der Fusion. Die Analysten der Deutschen Bank berichten von einem Treffen mit Linde-Finanzchef Matt White am vergangenen Dienstag in New York. Whites Botschaft: Seit der Zusammenschluss nach der Zustimmung der FTC in die Tat umgesetzt werden kann, hätten sich die operativen Abläufe in der Linde plc deutlich verbessert. Die Deutsche Bank empfiehlt die Aktie zum Kauf. Ihr Kursziel von 167 Euro ist allerdings nicht mehr weit von den am Donnerstag erreichten 163,55 Euro entfernt.UBS schließt sich dem Kaufvotum an und hat ein Ziel von 170 Euro gesteckt. Independent Research ist mit einem Kursziel von 165 Euro noch näher am aktuellen Wert, rät allerdings auch nur zum Halten der Aktie. Als Pluspunkt vermerken die Analysten, dass sich Linde in diesem Jahr dynamischer entwickeln werde als die meisten anderen Unternehmen im Chemiesektor, die Independent Research unter die Lupe nehme. Maßstab ist das von Linde in Aussicht gestellte Wachstum des Gewinns je Aktie um 8 bis 12 %. Besser als die Weltwirtschaft Zudem weisen die Analysten darauf hin, dass der globale Industriegasemarkt, auf dem Linde vor Air Liquide Marktführer ist, stärker wachse als die Weltwirtschaft und die Chemieproduktion. Independent Research beruft sich auf Prognosen von Marktforschern, die für die Zeit von 2017 bis 2021 sowie bis 2025 durchschnittliche Wachstumsraten für die Branche von 4,4 % sowie 7,7 % im Jahr erwarten. Neben diesen günstigen Aussichten nennt Independent Research zwei andere Schubkräfte für das Ergebniswachstum der Linde plc: das Oligopol im Industriegasemarkt und das Aktienrückkaufprogramm des Konzerns.Dank des Oligopols können die Anbieter relativ hohe Preise für Industriegase durchsetzen und erzielen Umsatzrenditen in der Größenordnung von 30 % – bezogen auf die Ergebnisse vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Gemessen am Umsatz liegen die zwei Großen ganz klar vorn: Linde mit einem Jahreserlös von zuletzt 28 Mrd. Dollar und Air Liquide mit knapp 24 Mrd. Dollar.Ein globaler Anbieter ist außerdem Air Products in den USA, mit einem Jahresumsatz von rund 9 Mrd. Dollar jedoch deutlich abgeschlagen. Zur vierten Kraft ist Taiyo Nippon Sanso aufgestiegen. Das japanische Unternehmen hat das Europageschäft von Praxair übernommen, das als eine der Auflagen der EU-Wettbewerbsbehörde verkauft werden musste. Mit dieser Akquisition kommt Taiyo Nippon Sanso auf einen Umsatz von 7,7 Mrd. Dollar. Amerikanisch geprägtDie dritte Kraft für einen Anstieg des Gewinns je Linde-Aktie in diesem Jahr ist aus Sicht von Independent Research das Aktienrückkaufprogramm. Bis Anfang 2021 will der Konzern eigene Anteile für maximal 6 Mrd. Dollar erwerben. Start ist im kommenden Monat. Ein erstes Rückkaufprogramm mit einem Volumen von 1 Mrd. Dollar begann im Dezember 2018 und soll in diesem Monat enden.Linde verteilt mit den zwei Programmen das Geld, das die von Kartellbehörden geforderten Verkäufe von Konzernteilen eingebracht haben. Das Investmenthaus Bernstein rechnet mit einem Erlös von netto gut 7 Mrd. Dollar. Auf die Ankündigungen beider Rückkäufe reagierte der Aktienkurs allerdings zunächst verhalten. Es gab sogar einige Tage lang Abschläge. Bernstein wies darauf hin, dass manche Investoren mit einem Rückkauf im Umfang von 10 bis 15 Mrd. Dollar gerechnet hätten.Für die Nord/LB ist das Verteilen der Verkaufserlöse an die Aktionäre via Rückkauf ein Indiz, dass sich die Linde plc zu einem immer stärker amerikanisch geprägten Unternehmen entwickelt. Dazu passen auch die Quartalsdividenden.