GELD ODER BRIEF

Lyft hat derzeit nur die Analysten auf ihrer Seite

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 10.5.2019 Der US-Fahrdienstvermittler Lyft ist sechs Wochen nach seinem Börsengang und kurz vor dem heute erwarteten IPO des Rivalen Uber wieder auf dem Niveau seiner letzten Finanzierungsrunde mit...

Lyft hat derzeit nur die Analysten auf ihrer Seite

Von Stefan Paravicini, New YorkDer US-Fahrdienstvermittler Lyft ist sechs Wochen nach seinem Börsengang und kurz vor dem heute erwarteten IPO des Rivalen Uber wieder auf dem Niveau seiner letzten Finanzierungsrunde mit privaten Investoren angekommen. Im Sommer des vergangenen Jahres hatte das Start-up unter anderen bei Fidelity und Senator Investment 600 Mill. Dollar eingesammelt. Die Bewertung lag damals bei 15,1 Mrd. Dollar. Der Börsenwert von Lyft liegt mittlerweile auf dem gleichen Niveau, nachdem die Firma Ende März noch zu einer Bewertung von gut 20 Mrd. Dollar das Debüt an der Nasdaq gab und dabei mehr als 2 Mrd. Dollar einsammelte. Am Mittwoch hat der Konzern die ersten Quartalszahlen als börsennotiertes Unternehmen vorgestellt und überraschte mit einer Verdoppelung des Umsatzes auf 776 Mill. Dollar positiv. Unter dem Strich steht zum Auftakt aber ein Verlust von mehr als 1 Mrd. Dollar, der den guten Eindruck schnell zunichtemachte. Kursrutsch vor IPO von UberDie Aktie rutschte um mehr als ein Zehntel ab und hat im Vergleich mit dem Angebotspreis zum IPO mittlerweile mehr als ein Viertel eingebüßt. Gegenüber der Erstnotiz vom 29. März liegt Lyft schon fast 40 % zurück. Die Kursreaktion steht in Kontrast zu den meisten Kommentaren von Marktbeobachtern, die die Ergebnisse von Lyft im ersten Quartal wohlwollend beurteilten. Die Aktie sei nicht für alle Investoren geeignet, räumt Michael Olson von Piper Jaffray zwar ein. “Für alle mit einer Langzeit-Betrachtungsweise und Geduld empfehlen wir das Papier auf dem jetzigen Niveau”, legt der Analyst Anlegern die Aktie trotzdem nahe. Lyft werde langfristig zu den Profiteuren von Ride-Sharing mit autonomen Fahrzeugen gehören. Tatsächlich ließ das Unternehmen am Mittwoch auch mit einer Kooperation mit der Alphabet-Tochter Waymo aufhorchen, die in Phoenix, Arizona, bereits einen Fahrdienst mit Roboterwagen betreibt. Ab sofort können diese selbstgesteuerten Fahrzeuge auch über die Smartphone-App von Lyft angefordert werden. Der Börsenneuling stellte weitere Kooperationen auf diesem Gebiet in Aussicht, ohne konkreter zu werden. Außerdem werde die Firma weiter in eigene Technologie investieren, die den Einsatz von autonomen Fahrzeugen ermöglichen soll. Das Preisziel von Piper Jaffray liegt unverändert bei 78 Dollar und damit fast 50 % über dem aktuellen Niveau. Verlust stört das MomentumBrent Hill von Jefferies traut Lyft nach den jüngsten Zahlen sogar 90 Dollar zu und hat sein Ziel für die Aktie damit noch einmal um 4 Dollar angehoben. Das Unternehmen zeige mit seinem Umsatzwachstum ein “starkes Momentum” und habe außerdem erhebliche Fortschritte gemacht, seine Verluste zu reduzieren. Die Bewertung sei attraktiv, und die Aktie werde sich bald erholen, wenn Lyft erst einige Fehleinschätzungen von Investoren überwunden habe. Tatsächlich ist der Milliardenverlust, der viele Investoren schockiert hat, vor allem auf aktienbasierte Vergütungen im Rahmen des Börsenganges zurückzuführen, die mit rund 860 Mill. Dollar höher als erwartet ausfielen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) schneidet mit einem Minus von 216 Mill. Dollar dagegen besser als im Vergleichszeitraum ab. Das bereinigte Ergebnis unter dem Strich liegt mit einem Verlust von 212 Mill. Dollar ebenfalls besser als im Vorjahr und überraschte auch im Vergleich mit den von Analysten erwarteten 274 Mill. Dollar Miesen positiv. Wettbewerb wird rationalAussagen des Managements, dass der Konkurrenzkampf zunehmend “rational” vonstatten gehe, werden von der Entwicklung der Marketingkosten untermauert, die zuletzt noch 29 % des Umsatzes ausmachten, während es im Vorjahr 42 % waren. Darin spiegelt sich auch das wachsende Kostenbewusstsein des Rivalen Uber wider, der heute zu einer Bewertung von knapp 90 Mrd. Dollar an die Börse strebt und bis zu 9 Mrd. Dollar bei Investoren einsammeln will. Die Vermittlung von Fahrdiensten funktioniere nach dem Prinzip “Winner takes most”, erklärte Uber-Chef Dara Khosrowshahi zuletzt, während Firmengründer Travis Kalanick viele Jahre gepredigt hatte, dass der Gewinner den Markt ganz dominieren werde, und Milliarden für die aggressive Anwerbung von Fahrern verbrannt hatte, was auch die Kosten für Lyft in die Höhe trieb. Profitabilität bleibt ungewissEin “zunehmend rationales” Wettbewerbsumfeld macht auch Michael Graham von Canaccord Genuity aus, der Lyft 75 Dollar zutraut. Die Firma bringe alles mit, was eine attraktive Wachstumsgeschichte ausmacht, darunter einen großen adressierbaren Markt, eine Bewertung, die von Skaleneffekten profitieren werde, und ein Geschäftsmodell, das Platz nach oben habe. Lyft habe im ersten Quartal gut abgeschnitten und zeige mit ihrer Prognose weiter starkes Wachstum, schreibt Andy Hargreaves von Keybanc Capital Markets. Die Dynamik des Geschäfts scheine allerdings nachzulassen, und eine Einschätzung zur langfristigen Profitabilität des Unternehmens sei mit Unsicherheit behaftet. Lyft stellt für das zweite Quartal bis zu 810 Mill. Dollar Umsatz in Aussicht, was immer noch 60 % Wachstum bedeuten, im Vergleich mit plus 96 % zum Auftakt aber zurückfallen würde. Für das bereinigte Ebitda werden minus 270 Mill. bis minus 280 Mill. Dollar prognostiziert. Für das Gesamtjahr werden auf dieser Ebene 1,2 Mrd. Dollar Miese erwartet, was laut CFO Brian Roberts den Höhepunkt der Verluste markieren soll. Wann Lyft die Gewinnzone erreichen wird, ist aber offen. Die Firma habe Fortschritte in Richtung ihrer langfristigen Ziele gemacht, konstatiert Scott Devitt von Stifel. Für einige Investoren dürfte es dennoch schwierig sein, über die großen Verluste hinwegzusehen, schreibt der Analyst. Das Preisziel für die Aktie hat er gerade von 68 auf 70 Dollar erhöht.