Kryptomarkt

Stabilitätsrisiken bei Stablecoins

Stablecoins wie Tether gelten für den Kryptohandel als zentral. Die Ratingagentur S&P Global stuft die Resistenz der Dollar-gekoppelten Token allerdings als eingeschränkt ein. Der Marktcrash des Jahres 2022 wirkt nach.

Stabilitätsrisiken bei Stablecoins

Stablecoin-Sorgen gefährden Krypto-Aufschwung

Ratingagentur S&P bewertet Resistenz führender Token wie Tether kritisch – Entkopplung von Dollar-Kurs als Gefahr für breiten Digital-Assets-Markt

xaw New York

Die Investoren am Kryptomarkt schweben nach der Zulassung Spot-basierter Bitcoin-ETFs in den USA in Glückseligkeit – doch lauern hartnäckige Stabilitätsrisiken im Segment. Denn die Ratingagentur S&P Global bewertet die Resistenz zahlreicher großer Stablecoins als ungenügend. Token wie Tether USD (USDT) und der vom Emittenten Circle aufgelegte USDC sind an den Dollar gekoppelt und sollen Investoren dazu dienen, Gewinne aus dem Kryptohandel zu sichern, ohne dabei in die Welt des Fiatgeldes umsteigen zu müssen. Dies spart Zeit, Aufwand und Wechselkursgebühren.

Große Stablecoins wie Tether kommen in der Folge regelmäßig auf Handelsvolumina, die jene von Digitalwährungen wie Bitcoin und Ether weit übertreffen. Somit bilden sie eine wichtige Infrastrukturkomponente im Kryptomarkt – Turbulenzen in den Reihen der vermeintlich wertstabilen Token können damit allerdings auch schwere Verwerfungen bei anderen Digital Assets auslösen.

Folgenreiche Turbulenzen

Das hat sich 2022 gezeigt, als der Stablecoin Terra USD seine Bindung an den Greenback vollständig verlor. Der Crash zog in schneller Folge Zusammenbrüche mehrerer Verleihplattformen für Cyberdevisen, des Hedgefonds Three Arrows Capital sowie mittelbar auch der Kryptobörse FTX nach sich und stürzte das Segment somit in eine tiefe Existenzkrise. Im vergangenen Frühjahr sackte auch der zweitgrößte wertstabile Token USDC bis auf 87 Cent ab, nachdem der Emittent Circle Internet Financial offenlegte, 3,3 Mrd. Dollar bei der kollabierten Silicon Valley Bank hinterlegt zu haben.

Seither hat sich die Lage bei USDC beruhigt – so sehr, dass Emittent Circle nun zwischenzeitlich auf Eis gelegte Pläne für einen Börsengang wieder aufnimmt. Das in Boston ansässige Unternehmen reichte in der vergangenen Woche einen vertraulichen Antrag auf ein Initial Public Offering (IPO) bei der US-Börsenaufsicht SEC ein. Dies ermöglicht es Circle, sich auf ein Debüt vorzubereiten und Interesse im Markt abzuklopfen, ohne sich bezüglich des Zeitpunkts der Platzierung und der Emissionsvolumina festzulegen oder detaillierte Finanzkennzahlen für die Konkurrenz einsehbar zu machen.

Spac gescheitert

Circle wollte ursprünglich im Jahr 2022 durch eine Rückwärtsfusion mit der Special Purpose Acquisition Company (Spac) Concord an die Börse gehen und strebte damals eine Bewertung von 9 Mrd. Dollar an. Doch das Unternehmen blies den Deal ab, als der Markt für Spacs infolge der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve und dem resultierenden Liquiditätsentzug an den Märkten einbrach und die Insolvenz von FTX Schockwellen durch die Digital-Assets-Sphäre sandte.

Mit dem nun eingereichten vertraulichen IPO-Antrag setzt Circle auf die Euphorie um den Start der Spot-ETFs auf Bitcoin in den USA, die den gesamten Kryptomarkt bereits in den vergangenen Monaten angetrieben hat. Die führende Cyberdevise erreichte nach der Freigabe der börsengehandelten Fonds durch die SEC in der vergangenen Woche mit über 49.000 Dollar zeitweise den höchsten Stand seit Dezember 2021. Handelbar sind in den Vereinigten Staaten seit Donnerstag Spot-ETFs von großen Adressen wie Blackrock, Invesco und Fidelity, zum Debüt sprangen die Handelsvolumina der insgesamt zehn verfügbaren Vehikel auf über 4,6 Mrd. Dollar.

Krypto-Vertreter wie die Börse Asia Next erhoffen sich, dass die börsengehandelten Fonds dem gesamten Digital-Assets-Segment einen Liquiditätsschub beschert. Denn die Spot-ETFs seien auch für große institutionelle Investoren interessanter als die bisher verfügbaren Bitcoin-Indexvehikel auf Futures-Basis, da sie ein wesentlich höheres Maß an Effizienz böten und zugleich hohen Ansprüchen an Sicherheit und Verwahrung der Basisassets gerecht würden.

Infolge der Aussicht auf eine nachhaltig erhöhte Investorenaktivität im Segment hat auch das Angebot an Stablecoins wieder angezogen. War die Zahl der umlaufenden Einheiten aller vermeintlich wertstabilen Krypto-Token von dem im Frühjahr 2022 erreichten Höchstwert nahe bei 180 Milliarden auf zeitweise unter 130 Milliarden abgerutscht, hat sie seit Ende des dritten Quartals 2023 laut der Plattform The Block wieder angezogen und liegt nun bei rund 140 Milliarden. Getragen wird der Markt zu großen Teilen von Tether USD, der Stand Montag allein auf über 98 Milliarden Einheiten kommt. Der Circle-Coin USDC trägt weitere knapp 27 Milliarden Einheiten bei.

Unsicherheit über Reserven

Doch S&P Global bewertet die Stabilität von Tether USD beispielsweise als "eingeschränkt" – das bedeutet die zweitschlechteste Note auf der fünfstufigen Skala der Ratingagentur von "Sehr stark" bis "schwach". Zwar habe der Dollar-gekoppelte Token in den vergangenen Jahren und insbesondere über die vergangenen zwölf Monate durchaus Preisstabilität gewahrt. Allerdings bestehe hinsichtlich der zur Besicherung von USDT genutzten Reserven noch immer Unklarheit.

Tether hatte einst behauptet, der Token sei vollständig durch Cash besichert, musste 2021 allerdings einräumen, dass die Deckung auch durch Commercial Papers erfolgte. Das rief die US-Aufsichtsbehörden auf den Plan: So verdonnerte der Derivate-Regulator CFTC Tether und ihre Schwestergesellschaften wegen Irreführung von Investoren 2022 zu Strafzahlungen von 42,5 Mill. Dollar.

Im Oktober 2022 vermeldete Tether in einem Blogpost, die Commercial-Paper-Positionen auf Null reduziert zu haben, stattdessen soll der Großteil der Reserven seither in Treasuries liegen – neben Direktinvestments in Schatzwechsel deckt der Emittent seinen Stablecoin angeblich auch über Anlagen in Geldmarktfonds und eine Beteiligung an Repo-Geschäften. Paradoxerweise ist der Kryptomarkt damit von der Stabilität des zentralisierten Finanzsystems abhängig, obwohl Anbieter digitaler Assets die Abhängigkeit von Federal Reserve und Treasury überwinden wollen – und der US-Staatsanleihemarkt ist deutlich erhöhter Volatilität ausgesetzt.

Denn wiederholte Haushaltsstreitigkeiten in Washington sorgen für einen Vertrauensverlust der Anleger in den staatlichen Ordnungsrahmen, dessen "Erosion" Ratingagenturen wie Fitch kritisieren. Während das US-Finanzministerium die Emissionsvolumina in den vergangenen Monaten gewaltig ankurbeln musste, fällt die Fed aufgrund ihres Bilanzabbaus zunehmend als Abnehmerin weg. Die Folge waren zuletzt mitunter scharfe Renditeanstiege rund um Treasury-Auktionen und damit Wertverluste der von Tether angeführten Anleihe-Reserven.

Doch S&P Global macht noch größere Stabilitätsprobleme aus. "Zu den Reserven gehören auch Assets wie Coporate Bonds, besicherte Darlehen sowie Edelmetalle, die zu potenziell erhöhten Credit-, Markt- und Zinsrisiken beitragen", sagt Rebecca Mun, Direktorin für Structured Credit bei der Ratingagentur. Diese Vermögenswerte machten gemäß jüngster Geschäftsberichte 15% der Übersicherung des Stablecoin-Emittenten aus. "Zudem besteht ein Mangel an Transparenz bezüglich des Assetprofils und der Kreditwürdigkeit der Kontrahenten, bei denen die Reserven verwahrt sind", führt Mun aus. Dies wecke Zweifel an der tatsächlichen Struktur des Risikoprofils der hinterlegten Mittel.

Für Investoren sei zudem problematisch, dass ihre Assets nicht getrennt von den Tether-Vermögenswerten verwahrt werden. "Dies setzt Stablecoin-Halter dem Risiko einer Insolvenz des Emittenten aus", warnt Mun. Zwar habe Tether beim Management der Reserven Fortschritte gemacht. Allerdings führe auch die niedrige Reporting-Frequenz zu einer kritischen Governance-Bewertung.

Zudem sei Tether zwar bei der US-Anti-Finanzkriminalitätsbehörde Fincen registriert und somit an Vorschriften zur Vermeidung von Geldwäsche gebunden, falle aber nicht unter die Aufsicht von Marktregulierungsbehörden wie dem New York State Department of Financial Services.

True USD als "größtes Risiko"

Auch die Resistenz anderer großer Stablecoins stuft S&P als "eingeschränkt" oder sogar "schwach" ein. Besonders im Fokus steht True USD, dessen Marktkapitalisierung sich 2023 zeitweise fast verfünffachte. Kontrolliert wird dieser von der Gesellschaft Techteryx, über die ebenso wenige Informationen vorliegen wie über die konkrete Besicherung des Stablecoins und Vorkehrungen bei Insolvenz des Emittenten. Auch die auf Digital Assets spezialisierte Analysefirma Kaiko Research bezeichnete das Wachstum von True USD, dessen Kurs wiederholt stark vom Dollar abweicht, bereits als "größtes Risiko" für den Kryptomarkt.

USDC schneidet in der Bewertung von S&P indes weit besser ab. Die Rating-Agentur verweist auf die Besicherung des Circle-Tokens durch kurzlaufende Staatsanleihen sowie Bankeinlagen und stuft die Wahrscheinlichkeit, dass dieser seine Kopplung an den Dollar behalte, als "stark" ein. Allerdings verweisen die Analysten mit Blick auf die Kursverluste im März 2023 durchaus auf die Notwendigkeit weiterer Transparenzgewinne und einen Abbau von Emittentenrisiken.

Insgesamt ist dem Großteil der Stablecoins in der S&P-Bewertung ein Mangel an Aufsicht gemein. Daran dürfte sich auch nach dem Start von Bitcoin-ETFs in den USA wenig ändern: Wie die DZ Bank betont, suchen Investoren ein einheitliches US-Rahmenwerk für Digital Assets vergeblich. SEC-Chef Gary Gensler hat einem solchen mehrfach Absagen erteilt. Bei fast allen Digital-Token handle es sich um unrechtmäßig begebene Wertpapiere, die unter bestehende Regulierungen gestellt werden müssten – eine Argumentation, gegen die sich Branchenvertreter wehren. Die mangelnde Transparenz droht die Glückseligkeit der Krypto-Anleger damit auch künftig zu gefährden.

Stablecoins wie Tether gelten für den Kryptohandel als zentral. Die Ratingagentur S&P Global stuft die Resistenz der Dollar-gekoppelten Token allerdings als eingeschränkt ein. Welche schweren Folgen ein Verlust der Bindung zum Greenback entfalten kann, hat der Marktcrash des Jahres 2022 gezeigt.

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