IM GESPRÄCH: DAVID GIBBON, BLACKROCK

"Markt-Timing ist sehr schwer"

Der Experte für faktorbasierte Strategien über Möglichkeiten und Grenzen des Faktor-Investing

"Markt-Timing ist sehr schwer"

Faktorbasierte Anlagestrategien sollen den Markt schlagen. Dies gelingt nicht immer. Die Strategien sind zudem in der Umsetzung oft nicht leicht zu verstehen. Für Investoren stellt sich die dabei Frage, ob Faktor-Strategien durch Indexfonds sinnvoll umsetzbar sind und ob eine zeitliche Abstimmung von Marktentscheidungen möglich ist, da sich Faktoren je nach Marktphase nicht immer gleich gut entwickeln.Von Dietegen Müller, FrankfurtEin Verfechter von Smart-Beta- oder Faktoranlagen ist David Gibbon, der bei dem US-Investmentriesen BlackRock die Investmentstrategie in Europa im Bereich faktorbasierte Strategien leitet. Es gehe darum, eine “große Investmentmöglichkeit” zu schaffen, sagt Gibbon im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. BlackRock strebe “eine Vorreiterrolle im Denken über Faktor-Investing an, sowie für Technologie, um das eigene Portfolio beurteilen zu können”.Für Gibbon bewegt sich Faktor-Investing zwischen traditionellem Investieren und passiven Anlagen. “Es gibt viele Aspekte, die passives Anlegen beinhalten. So nutzen Smart-Beta-ETF Benchmarks, die ihrerseits versuchen, sehr effizient zu sein, indem sie eine Risikoposition gegenüber bestimmten Bereichen des Marktes ermöglichen”, sagt der BlackRock-Manager. Es gehe darum, mehr als nur eine reine Marktgewichtung des entsprechenden Anlageuniversums abzubilden. Indexentwickler hätten hier “viel Effort” hineingesteckt, wie auf regelbasiertem Weg Konstruktionen möglich sind, denen ETF-Manager folgen könnten. “Besseren Index” auswählenEs gehe hier für den Anleger vor allem darum, “den besseren Index” auszuwählen: “Der Wechsel von einem rein nach Marktkapitalisierung gewichteten Index zu einem Index, der marktgewichtet und auf Stile fokussiert ist, bringt auf lange Sicht bessere Resultate, davon sind wir leidenschaftlich überzeugt”, betont der Manager. Dabei spiele eine “aktive” Komponente hinein, wenn etwa ein Produktanbieter eine eigene Qualitätsmatrix verwende, die von jener von großen Indexanbietern abweiche.Nicht alle Faktoren erzielen jedoch über verschiedene Marktphasen hinweg einen Mehrertrag. So haben etwa Low-Volatility-Aktien seit einiger Zeit unterdurchschnittlich abgeschnitten. Gibt es eine Möglichkeit, durch geschicktes Timing hier die Rendite zu verbessern? Markt-Timing sei “sehr schwierig”, sagt Gibbon. “Wir haben untersucht, wie viel Wert dadurch erzielbar ist. Quality und Low Volatility schneiden sehr gut in Phasen einer wirtschaftlichen Abkühlung ab, Value ist ein klassischer Reflation-Trade. Die Latte liegt aber ziemlich hoch. Es gibt eine gewisse Rendite auf Timing, aber die Transaktionskosten können eine Menge des Wertzugewinns wegradieren”, sagt der CFA-Träger.BlackRock frage sich, welche Arten von Risiken belohnt würden und wie diese in einem Portfolio nutzbar gemacht werden könnten. “Wir starten nicht mit Statistik. Einige Faktoren sind mehr makroökonomisch, also von ökonomischen Zyklen oder der Zinskurve abhängig. Solche Stil-Faktoren verraten etwas über die Verteilung der Erträge innerhalb einer Asset-Klasse, nicht jedoch in Bezug auf die Ertragsverteilung zwischen unterschiedlichen Assetklassen.”Als Beispiel führt der frühere Anleihenmanager sogenannte Value-Unternehmen an, die inhärent risikoreicher seien, da sie eine höhere Kapitalbindung aufweisen und höhere Fixkosten haben, die in Abschwüngen schwieriger angepasst werden können. Gibbon glaubt zudem, dass sich durch die Aufnahme von Fremdfinanzierung im Portfolio Risiko abbauen lasse. “Dies geschieht aber nur in geringem Ausmaß, wenn es aus Effizienzsicht ratsam ist”.Low-Risk-Anlagen seien in Portfolios insgesamt untervertreten, da sie in Marktkorrekturen oftmals verkauft würden, um Liquidität zu schaffen, dabei gelte es sie dann zu halten. “Low-Volatility-Strategien werden ihre Berechtigung haben, denn eine solche Ineffizienz hält sich dauerhaft über Zyklen hinweg”. Auch Value sei gut gestützt, bei anderen Faktoren sei dies nicht so sicher, da sie keine dauerhafte Prämie böten. Durch Indexfonds seien solche Prämien in jedem Fall “besonders günstig” und ohne aktives Management erhältlich, meint Gibbon.BlackRock bietet laut dem Strategen zwei Arten von Zugang zu Faktoren an, die Smart-Beta-Index-Fonds von iShares, die auf Drittanbieter-Indizes setzen, wo die Methodologie der Indexanbieter sich “philosophisch mit unseren Ansätzen verheiratet”. Harmonie schaffe hier etwa die Rebalancing-Häufigkeit, also wie oft anhand der Faktorauswahl eine Neuauswahl der im Index vertretenen Aktien vorgenommen werde, sowie Kriterien, mit denen etwa Value- oder Qualitätsaktien ermittelt würden. Indizes auch selbst gebaut”Manchmal sind wir aber auch durch Kundenbedürfnisse getrieben”, sagt Gibbon. “Wenn wir einen Index abbilden wollen, der nicht im Markt zu haben ist, arbeiten wir typischerweise mit einem Indexanbieter zusammen. Mitunter wollen wir aber auch unsere selbst gewonnenen Erkenntnisse in die Indexkonstruktion einfließen lassen können.”BlackRock sei darauf vorbereitet, beides zu tun: Mit Drittparteien Indizes zu bauen oder selbst welche zu kreieren. “In einer kostenbewussten Welt, in Bezug auf die eigene Arbeit und nicht auf Dritte zurückgreifend, kann das Vorteile für alle in der Wertschöpfungskette haben”, sagt Gibbon. Der überwiegende Teil der Indexarbeit werde aber “weiterhin mit Drittparteien gemacht”.Der zweite Ansatz, Faktoren als Anlagestrategie anzubieten, bestehe in einem aktiven Ansatz, der im BlackRock Style Advantage Fund umgesetzt werde. “Hier geht es weniger darum, die Benchmark zu schlagen, sondern langfristig eine attraktive Rendite unabhängig von Marktschwankungen einzufahren.”Dazu würden fünf Faktoren verwendet werden, also ein Multifaktor-Ansatz, zudem werde international in das gesamte Spektrum erlaubter Anlagen hinein investiert, unter Verwendung von Differenzkontrakten und Swaps sowie Fremdkapitaleinsatz. Laut Prospekt kann der Fonds dabei einen Hebel von bis zu 1000 % auf das Nettoanlagevermögen ausweisen.