Merlin Properties schielt nach Portugal
Von Thilo Schäfer, MadridZehn Jahre nach dem Platzen der Blase hat sich Spaniens Immobilienbranche stark erholt und erfreut sich großer Beliebtheit bei Anlegern daheim und im Ausland. Besonders in Madrid und Barcelona wird seit einigen Jahren wieder kräftig gebaut. Der Trend spiegelt sich auch an den Märkten wider. Zuletzt entstanden zahlreiche Immobilieninvestmentfirmen, sogenannte “Socimi” nach dem Vorbild der Reits. Im vergangenen Jahr gingen allein 20 Socimis an die Börse, und seit Januar folgten bereits weitere vier. Unbestrittener Marktführer ist Merlin Properties, die mit Colonial zu den einzigen beiden Immobiliengesellschaften im Ibex-35-Index zählt. Die gerade einmal fünf Jahre alte Firma ist mit Aktiva im Wert von 12 Mrd. Euro und einer Marktkapitalisierung von fast 5,5 Mrd. Euro eine der größten der Branche in Europa. Merlin spezialisiert sich auf Bürogebäude, Einkaufsflächen und Logistikplattformen und hat sich aus dem Markt für Wohnungen zurückgezogen. Die Aktie hat nach einem schwachen letzten Jahr in den ersten Monaten 2019 wieder Fahrt aufgenommen. Seit Jahresbeginn ist sie um 7,7 % gestiegen. Das ist weniger als der Anstieg des Ibex 35 und des Hauptkonkurrenten Colonial. Doch die Mehrheit der Analysten sieht für Merlin noch Potenzial. Büroraum wird knappDenn die konjunkturelle Lage in Spanien ist weiter besser als anderswo in Europa. Nach 2,5 % 2018 soll das BIP 2019 nach den meisten Prognosen wieder um mehr als 2 % steigen. Besonders in den Großstädten wird Büroraum knapp, das Kerngeschäft von Merlin. Der Gründer und Vorsitzende des Unternehmens, Ismael Clemente, bleibt jedoch vorsichtig. “Sollte es keine externen Schocks geben, wird der Zyklus mindestens bis 2022 anhalten”, sagte er im Januar auf einer Fachkonferenz. Zu diesen Faktoren gehören die globalen Risiken, aber auch interne Gefahren, “wie die Lage in Katalonien, die politische Instabilität, die ernsthafte und sehr notwendige Reformen verhindert”, so Clemente. Sollten bei den vorgezogenen Neuwahlen am 28. April die Sozialisten und die Linkskoalition Unidas Podemos eine Mehrheit erreichen, was nicht auszuschließen ist, könnte es den Socimis an den Kragen gehen und viele Steuervorteile könnten fallen, welche die Investoren angezogen haben.Clemente und der COO von Merlin, Miguel Ollero, haben früher für die Deutsche Bank gearbeitet. Als diese sich nach der geplatzten Blase aus dem Immobiliengeschäft zurückzog, gründeten beide ihr eigenes Unternehmen. Mit der finanziellen Hilfe von BlackRock gründeten sie 2014 Merlin Properties. Der erste Deal war der Kauf von 1 000 Filialen der Großbank BBVA. Schon 2015 wurde die Firma in den Ibex 35 aufgenommen. Durch die Fusion mit Metrovacesa 2016 stieg Merlin endgültig an die Spitze der Branche auf. 2018 kam das Unternehmen auf einen Gewinn von 854 Mill. Euro, 22 % weniger als 2017, u. a. wegen des Verkaufs eines Anteils am Wohnungsbetreiber Testa an Blackstone und einer geringeren Aufwertung der eigenen Aktiva als im Vorjahr. Mit dem Erlös des Verkaufs wurden die hohen Schulden weiter abgebaut, die mit 4,9 Mrd. Euro nun 40,7 % der Aktiva entsprechen. Vor drei Jahren lag diese Quote noch bei fast 50 %. Dank des Niedrigzinsumfelds konnte Merlin ihre durchschnittlichen Finanzierungskosten auf 2,13 % senken. S&P stellt den Spaniern ein “BBB” mit positivem Ausblick aus, und Moody’s gibt ein “Baa2” mit stabilem Ausblick.Die Auslastung der Immobilien von Merlin lag 2018 bei 93 %. Das Unternehmen will sein Portfolio weiter diversifizieren und die Sparte mit der Vermarktung von Bürogebäuden von derzeit fast 50 % der Aktiva reduzieren. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Investitionen in Logistikzentren in den Ballungsräumen, vor allem Madrid. Analysten rechnen mit hohem Bedarf durch das Wachstum des Online-Handels, der in Spanien noch hinter Ländern wie Deutschland zurückliegt. Bisher hat Merlin 1,1 Mill. Quadratmeter an Logistikflächen zu vermieten. Mit Investitionen von 500 Mill. Euro soll der Bestand bis 2023 verdoppelt werden.Merlin will ferner vom Boom in Portugal profitieren. In Lissabon ist der Bedarf an guten Bürogebäuden und Einkaufszentren enorm. Ausländische Investoren und Firmen strömen ins Land. Bislang hat Merlin in Lissabon Aktiva im Wert von rund 1 Mrd. Euro. Diese sollen Medienberichten zufolge bis 2023 ebenfalls verdoppelt werden. Die Spanier streben an, auch in Portugal die Nummer 1 zu werden.Im Bereich Einkaufszentren, wo Merlin einige der größten und beliebtesten Shopping-Malls in Spanien und Portugal betreibt, sollen 120 Mill. Euro in die Modernisierung und besonders Technologie investiert werden, um die Kundenerfahrung zu verbessern. 2018 konnte Merlin die Miete bei Neuverträgen für ihre Ladenlokale um durchschnittlich 3,5 % erhöhen.Merlin hat wie andere Markteilnehmer zum richtigen Zeitpunkt nach der Krise zu niedrigen Preisen gekauft. Seit ein paar Jahren steigen die Immobilienpreise wieder. Clemente versichert aber, dass Immobilien in Spanien immer noch weit unter dem Vorkrisenniveau lägen, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Europa. Möglich war dieser rasante Aufstieg des Unternehmens dank des Kapitals von Fondsgesellschaften wie BlackRock und Banken. Durch die Übernahme von Metrovacesa ist Santander, Spaniens größte Bank, heute mit 22 % Hauptaktionär von Merlin. Wie die übrigen Anteilseigner hat sich die Investition zuletzt ausgezahlt. Die Dividende erhöhte sich 2018 um 9 % auf 0,50 Euro und soll in diesem Jahr um weitere 7 % steigen. Einschließlich der Aufwertung der Aktiva bietet Merlin eine Kapitalrendite von 15 %. Die Aktie notiert zurzeit um 28 % unter dem Wert der Aktiva.Dennoch sind einige wenige Analysten skeptisch. Citibank erwartet, dass der Kurs mittelfristig von derzeit 11,70 Euro auf 9,60 Euro sinkt, und ist zusammen mit Goldman Sachs das einzige Haus, das zum Verkauf rät. Dem stehen 17 Kaufempfehlungen gegenüber, weitere sechs Analysten raten zum Halten. Die durchschnittliche Prognose sieht den Kurs bei 13,30 Euro.