GELD ODER BRIEF

Mörtel auf Pump - die Sika-Aktionäre freut's

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 18.1.2019 Schulden machen lohnt sich, wenn das Geld nichts kostet. Nach diesem Grundsatz verhalten sich viele Firmen, wie die seit Jahren stark steigenden Verschuldungsraten das Unternehmenssektors in...

Mörtel auf Pump - die Sika-Aktionäre freut's

Von Daniel Zulauf, ZürichSchulden machen lohnt sich, wenn das Geld nichts kostet. Nach diesem Grundsatz verhalten sich viele Firmen, wie die seit Jahren stark steigenden Verschuldungsraten das Unternehmenssektors in Europa und Übersee verraten. Keine andere Notenbank drückt den Zins tiefer in die Minuszone als die Schweizerische Nationalbank. Wenig überraschend stellt die Credit Suisse in ihrem aktuellen Kredithandbuch denn auch fest, dass die Bruttoverschuldung der von ihr analysierten Schweizer Unternehmen von 2013 bis 2017 um fast 16 % auf über 170 Mrd. sfr gestiegen ist.Tatsächlich sind es aber nur fünf Großkonzerne (ABB, LafargeHolcim, Nestlé, Novartis, Roche), die den Hauptteil der Verschuldungszunahme verantworten. Ohne diese Firmen hat die Verschuldung der mittelgroßen und kleineren Publikumsgesellschaften in der Schweiz im Fünfjahresvergleich lediglich um 2,9 % zugenommen. Größeres RisikoDafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst ist das Risikoprofil eines kleineren Unternehmens naturgemäß höher als das eines breit abgestützten Großunternehmens, was die Schuldnerqualität von KMU beeinträchtigt. Eine gute Bonitätsnote einer bekannten Kreditbewertungsagentur erhöht deshalb die Kapazität eines Unternehmens, Schulden aufzunehmen – und umgekehrt. Die Schuldenkapazität der KMU ist deshalb im Durchschnitt geringer als jene von Großfirmen.Eine zweite Erklärung sind die oft unterschiedlichen Eigentümerstrukturen zwischen Groß- und Kleinunternehmen. In vielen, auch börsennotierten KMU sind noch Familienaktionäre präsent und diese haben im Durchschnitt eine deutlich geringere Schuldentoleranz als andere Aktionäre, die mit einem kürzeren Zeithorizont investieren. Gestützt wird diese These durch entsprechende Daten. Die Credit Suisse verfolgt eine Kohorte von 1 000 börsennotierten Familiengesellschaften weltweit und analysiert dabei unterschiedliche Charakteristika zu gewöhnlichen Publikumsgesellschaften. Ein solches Merkmal ist, dass Familienfirmen im Durchschnitt einen um 22 % geringeren Verschuldungsgrad aufweisen als reine Publikumsgesellschaften.Eine eindrückliche Bestätigung dieser Beobachtung lieferte in den vergangenen Monaten der Baustoffkonzern Sika. Im Mai hatte sich Sika von der Familie losgekauft und den von dieser geplanten Verkauf der Stimmenmehrheit an den französischen Saint-Gobain-Konzern verhindert. Der Befreiungsschlag kostete Sika insgesamt 3,2 Mrd. sfr, die das Unternehmen nach einer Zwischenfinanzierung vollumfänglich über die Ausgabe von Schuldpapieren finanzieren will. Nach dem gleichen Muster läuft nun auch die vor zehn Tagen angekündigte Übernahme des französischen Mörtelherstellers Parex ab. 2,5 Mrd. sfr gibt Sika für dieses Unternehmen aus, das selber mit hohen Schulden belastet ist. Interessant zu beobachten sind die gegensätzlichen Reaktionen am Aktien- und am Kapitalmarkt. Am Aktienmarkt zeigten sich die Investoren zunächst besorgt darüber, dass die Übernahme mit Eigenkapital finanziert werden könnte, was für die Aktionäre eine Verwässerung ihrer Anteile bedeutet hätte.Doch diese Befürchtungen wischte das Sika-Management schnell vom Tisch, indem es klarmachte, dass die Refinanzierung des 18-monatigen Überbrückungskredites fremdfinanziert werden soll. In der Folge erholte sich der Kurs der Sika-Aktien schlagartig. Seit der Ankündigung des Parex-Deals haben die Aktien über 7 % zugelegt. Die Performance seit dem Auskauf der Familienaktionäre liegt bei rund 6 %, verglichen mit einem Minus von 0,7 % des Swiss-Market-Index oder einem Minus von fast 20 % der Titel des Zementherstellers LafargeHolcim.”Das Sika-Management orientiert sich stärker am Aktienkurs als an der Bonitätsnote”, stellt Dominik Meyer, Kreditanalyst der Bank Vontobel fest, und dieses Verhalten ist auch rational begründbar. Während es in einem normalen Zinsumfeld lohnend sein kann, eine möglichst gute Benotung als Schuldner anzustreben, um Zinskosten einzusparen, wird das Schuldenmachen im herrschenden Nullzinsumfeld kaum mehr bestraft. De facto wird das Schuldenmachen belohnt – zumindest bis in die Nähe des Punktes, wo die Bonitätsnote unter “Investment Grade” zu fallen droht und Pensionskassen, Versicherungen und andere Investoren mit besonderen Sicherheitsauflagen zum Aussteigen gezwungen wären. Davon ist Sika freilich noch ein gutes Stück entfernt, weshalb sich auch Kreditanalyst Meyer von einer “strategisch sehr sinnvollen Akquisition” zu reden traut. Analysten zweifeln nichtNoch weniger Zweifel hegen derweil die Aktienanalysten. Für Martin Hüsler von der Zürcher Kantonalbank ist der Parex-Kauf “ein Wachstumsschritt par excellence”. Die Sika-Aktien würden aufgrund des überdurchschnittlichen Wachstumsprofils des Unternehmens und der hohen Margen zu Recht mit einer Prämie auf Aktien von vergleichbaren Firmen gehandelt, sagt er. “Solange dieser Leistungsausweis fortgeschrieben wird, dürfte dies auch so bleiben.” Hüsler rechnet vor, dass ein Sika-Aktionär bei einer vollständigen Fremdfinanzierung der Übernahme schon im Jahr 2020 mit einer Gewinnverdichtung von 6 % pro Aktien rechnen kann. Das sind die Argumente, welche die Börse braucht, um die hohe Bewertung der Sika-Aktien (KGV 2019 von 22) zu rechtfertigen.Mindestens auf dem Papier macht die Wette auch einen ziemlich sicheren Eindruck. Hüsler glaubt, dass Sika und Parex dereinst einen kombinierten freien Cash-flow von 700 Mill. bis 800 Mill. sfr pro Jahr erwirtschaften werden und den Schuldenstand so in wenigen Jahren deutlich reduzieren können. Doch solche Rechenspiele sind nicht ungefährlich, zumal sie durch eine Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes schnell zur Makulatur werden können. Diese Gefahr gilt nicht zuletzt für eine Firma wie Sika, die 45 % ihres Umsatzes im fragilen Europa erwirtschaftet.