Im InterviewMandy DeFilippo, ICMA

„Nachhaltigkeitsbezogene Anleihen mit großem Potenzial“

ICMA-Chair Mandy DeFilippo spricht im Interview der Börsen-Zeitung über den Wandel zu einem grüneren und nachhaltigeren Kapitalmarkt.

„Nachhaltigkeitsbezogene Anleihen mit großem Potenzial“

Serie Transition Finance: Mandy DeFilippo im Interview (4)

„Nachhaltigkeitsbezogene Anleihen mit großem Potenzial“

ICMA-Chair über den Wandel zu grünerem und nachhaltigerem Kapitalmarkt

Die International Capital Market Association (ICMA) gehört zusammen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu den maßgeblichen Institutionen, die den Übergang zu Green und Sustainable Finance auf europäischer Ebene für die Finanzmärkte und ihre Akteure mit definieren. Im Interview der Börsen-Zeitung legt ICMA-Chair Mandy DeFilippo ihre Sichtweise zur Transition zu dieser grüneren Kapitalmarktwelt und Realwirtschaft dar.

Frau DeFilippo, wie definieren Sie aus Sicht der International Capital Market Association – ICMA – Transition und Transition Finance zu einer grüneren und nachhaltigen Welt?

Es ist wichtig zu wissen, dass die ICMA Kapitalmarktteilnehmer vertritt und nicht die wissenschaftliche und akademische Gemeinschaft. Wir können zwar keine Taxonomie oder andere ökologische Kriterien aufstellen, um zu bestimmen, was als „Transition Assets“ oder „Projekt“‘ in Frage kommt, aber wir bieten Leitlinien und Angaben an, die Emittenten aus kohlenstoffintensiven Sektoren dabei helfen, grüne oder nachhaltigkeitsbezogene Transition-Anleihen glaubwürdig zu positionieren, damit ihre Finanzierungsprogramme auch die Umsetzung ihrer Klimaschutzstrategie unterstützen. Zu diesem Zweck haben wir 2010 das Climate Transitions Finance Handbook veröffentlicht, das unsere Leitlinien und Angaben in einer für ICMA-Mitglieder umsetzbaren Form enthält. Transition ist ein dynamisches Konzept. Unser Leitfaden spiegelt dies wider. Er muss strategisch und wesentlich für den Erfolg des Geschäftsmodells des Emittenten sein. Wir sind der Meinung, dass Ziele und Pfade wissenschaftlich fundiert sein sollten, wobei die Wahl der Klimaszenarien und Methoden flexibel gehandhabt werden kann. Nicht zuletzt ist die Offenlegung der Mittel, mit denen die Dekarbonisierung erreicht wird, von entscheidender Bedeutung, da sie Aufschluss darüber gibt, wie der Emittent sein strategisches Klimaziel erreichen wird.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen auf diesem Weg?

Die unmittelbarste und wichtigste Herausforderung für uns besteht darin, den Markt für Transition zu entwickeln, ohne in Debatten über Transition-Labels und -Produkte stecken zu bleiben. Als 2019 die Idee aufkam, ein Transition-Bond-Konzept zu entwickeln, diskutierte der Ausschuss für die Grundsätze, für den die ICMA das Sekretariat führt, ob neben dem Green-Bond-Label ein eigenständiges Label für „Transition Bonds“ erforderlich sei. Der Konsens war, dass der Übergang ein Prozess auf Unternehmensebene ist, der durch gezielte Offenlegungen nachgewiesen werden sollte. Die Umstellung eines Unternehmens kann dann sowohl durch Anleihen mit Erlösverwendung als auch durch Anleihen mit Nachhaltigkeitsbezug finanziert werden, die bei Bedarf mit einem Umstellungsthema vermarktet werden. Nachhaltigkeitsanleihen sind für die Übergangsfinanzierung besonders relevant, da der Schwerpunkt auf der Dekarbonisierung auf Unternehmensebene liegt, und werden überwiegend von Unternehmensemittenten genutzt. Ich glaube, dass eine zu ehrgeizige und international nicht abgestimmte Regulierung auch für die Übergangsfinanzierung nicht hilfreich sein wird. Taxonomien können beispielsweise einen enormen Beitrag zu den Dekarbonisierungsbemühungen leisten, indem sie kohlenstoffintensiven Emittenten helfen, glaubwürdige grüne Vermögenswerte in grünen Emissionen zu identifizieren.

Wie gehen Sie diese Herausforderungen an, und welchen Zeithorizont haben Sie sich dafür zugrunde gelegt?

Wir arbeiten derzeit mit unseren Mitgliedern und Interessengruppen an der Aktualisierung des Handbuchs zur Finanzierung des Klimawandels. Wir beabsichtigen, eine aktualisierte Version dieses Rahmenwerks während der Jahreskonferenz der Grundsätze im Juni zu veröffentlichen. Wir gehen davon aus, dass die aktualisierte Version einige der vorgeschlagenen Offenlegungen für Unternehmen im Übergangsprozess straffen und Beispiele für die kombinierte Verwendung des Handbuchs mit grünen Anleihen und SLBs zum Thema Übergangsprozess enthalten wird. Wir hoffen, dass dies dazu beitragen wird, unsere Auffassung von Übergangsfinanzierung zu vermitteln und Verwirrung in Bezug auf Bezeichnungen zu beseitigen. Emittenten können auch von unserem im Juni vergangenen Jahres veröffentlichten Methodenregister profitieren. Dabei handelt es sich um eine Liste von Instrumenten, die Emittenten, Investoren oder Finanzintermediäre verwenden und heranziehen können, wenn sie ihre Emissionsminderungspfade als ‚wissenschaftlich fundiert‘ validieren wollen, insbesondere im Zusammenhang mit Element 3 des Climate Transition Handbook. Im Hinblick auf nachhaltigkeitsbezogene Anleihen haben wir im Juni 2022 ein Register der Leistungsindikatoren – KPI – veröffentlicht, um die Standardisierung der KPIs zu fördern.

Welche Herausforderungen beziehungsweise Probleme lassen sich auf kurze Sicht womöglich erstmal nicht oder nur sehr schwer lösen?

Nun, die Frage, welche Technologien und Energiequellen für den Übergang akzeptabel sind und innerhalb welcher Parameter, ist ziemlich schwierig. Abgesehen von den geografischen und rechtlichen Divergenzen haben wir gesehen, wie kontrovers die Debatte wurde, als die EU beschloss, einige Aktivitäten im Zusammenhang mit Kernkraft und Gas als nachhaltig zu bezeichnen. Dies steht auch in engem Zusammenhang mit der derzeitigen fragmentierten Landschaft rund um die Taxonomien. Die einzelnen Länder legen ihre eigenen Prioritäten, Ziele und Zeitrahmen fest, die ihre Taxonomien beeinflussen. Wie bereits erwähnt, gibt es auch geografisch unterschiedliche Ausgangspunkte, so dass ein Projekt, das in einem Land als dunkelgrün eingestuft wird, in einem anderen Land möglicherweise nur als hellgrün oder gar nicht grün angesehen wird. All dies wirft die Frage auf, ob es möglich ist, eine internationale Taxonomie zu entwickeln, die für alle akzeptabel ist und unter allen Umständen funktioniert. Wir sollten uns also nicht darauf verlassen, dass diese Probleme schnell gelöst werden. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Meinungen der Anleger könnten noch einige Zeit lang voneinander abweichen. Die Ausweitung der Emission nachhaltiger Anleihen in den Schwellenländern ist ein weiterer Bereich, der angesichts des strukturellen und tief verwurzelten Mangels an Kapitalmarktinfrastruktur von Natur aus schwierig ist.

Was sind für Sie die größten Chancen bei diesem Transitionsprozess?

Wir glauben, dass nachhaltigkeitsbezogene Anleihen ein großes Potenzial haben, den Wandel voranzutreiben. Wenn die KPIs und Ziele wesentlich und ehrgeizig sind und die Erwartungen der Anleger erfüllen, sind nachhaltigkeitsbezogene Anleihen ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Finanzierung und zum Benchmarking des unternehmerischen Wandels. Darüber hinaus glaube ich, dass die regulatorischen Initiativen zu Übergangsplänen und anderen Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen, einschließlich zukunftsorientierter Informationen, ein großes Potenzial aufweisen. Robuste, konsistente und brauchbare Rahmenwerke für Übergangspläne würden nicht nur entscheidungsrelevante Informationen für Investoren liefern, sondern könnten auch die Glaubwürdigkeit und Integrität von Instrumenten wie SLBs und grünen Anleihen erhöhen. Unter anderem würden Übergangspläne für Transparenz in Bezug auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte der Emittenten sorgen.

Wo liegen die größten Risiken?

Im Einklang mit meiner Antwort auf ihre zweite Frage können weit verbreitete Kontroversen und Greenwashing-Vorwürfe den Ruf des Marktes und das Vertrauen der Anleger schädigen. Eine uneinheitliche und unverhältnismäßige Regulierung kann die Marktentwicklung ebenfalls behindern, während die internationale Fragmentierung zu erhöhten Kosten und Komplexität führen kann. Alles in allem können diese Risiken zu einer Entmutigung und Abschreckung gegenüber nachhaltigen Finanzierungen führen. Sowohl auf der Transaktions- und Emittentenebene als auch auf der Systemebene bedeutet eine weniger nachhaltige Finanzierung weniger Transparenz und Rechenschaftspflicht im Vergleich zu den traditionellen Finanzierungsformen.

Was ist Ihr größter Wunsch in Sachen Transition zu einer grüneren und nachhaltigen Welt?

Bei der ICMA wollen wir einen größeren Konsens über das Konzept der Übergangsfinanzierung erreichen. Wir hoffen, dass die Regulierungsinitiativen, insbesondere in Bezug auf vorausschauende Daten im Rahmen von Übergangsplänen, wie beabsichtigt funktionieren und dazu führen, dass die Investoren Druck auf die Wirtschaftsakteure ausüben, damit diese sich dekarbonisieren. Vorschriften auf Anlegerseite wie die EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen sollten ebenfalls gut funktionieren, damit die Vermögensverwalter selbst unter Druck gesetzt werden, Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und auf nachhaltige Weise zu investieren. Wir sollten uns auch vor Augen halten, dass der Übergang nicht nur mit Leitlinien und Vorschriften für den Finanzbereich vorangetrieben werden kann. Die wirtschaftlichen Bedingungen und politischen Anreize für den Übergang werden ebenfalls entscheidend sein.

Zur Person: Mandy DeFilippo ist Chair der International Capital Market Association (ICMA). Seit dem Jahr 2018 führt sie als erste Frau diesen bedeutenden Kapitalmarktverband, der auf eine mittlerweile 55-jährige Geschichte zurückblickt. Das Thema Green und Sustainable Finance liegt ihr besonders am Herzen. Sie treibt es mit Nachdruck auf der internationalen Bühne voran. DeFilippo ist Managing Director und Chief Operating Officer bei Citadel Securities in New York.

Das Interview führte Kai Johannsen.