Kreditwürdig

Neuordnung bei Staatsanleihen der Eurozone verfestigt sich

Mit dem Ausklingen der Euro-Staatsschuldenkrise hatten sich die elf großen EWU-Länder in eine Rating-Hierarchie hineinbewegt, an der sich über Jahre nur wenig änderte. Die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine haben diese Ordnung jedoch aus dem Gleichgewicht gebracht.

Neuordnung bei Staatsanleihen der Eurozone verfestigt sich

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Neuordnung bei Staatsanleihen der Eurozone verfestigt sich

Von Sophia Oertmann *)

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das galt in den letzten Monaten auch in der Europäischen Währungsunion (EWU) für das ansonsten so konstante Staatsanleihesegment. Mit dem Ausklingen der Euro-Staatsschuldenkrise hatten sich die elf großen EWU-Länder in eine Rating-Hierarchie hineinbewegt, an der sich über Jahre nur wenig änderte. Damit wurde auch die Spread-Ordnung zwischen den Staaten vorgegeben. Die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine haben diese Ordnung aus dem Gleichgewicht gebracht.

Aktuell weisen irische und französische Staatspapiere mit zehnjährigen Laufzeiten einen geringeren Risikoaufschlag gegenüber deutschen Bundesanleihen (Bundspread) auf als finnische und österreichische Papiere, obwohl letztere ein Durchschnittsrating von "AA+" haben. Damit liegen sie nur knapp unter Deutschland und den Niederlanden mit jeweils "AAA". Jüngst hat aber vor allem die Outperformance griechischer gegenüber italienischen Anleihen für Aufmerksamkeit gesorgt. Momentan notieren griechische Titel rund 40 Basispunkte unter ihren italienischen Pendants, obwohl Hellas bislang bei keiner der drei großen Ratingagenturen im Investment-Grade liegt.

Krieg gibt Ausschlag

Die Neuordnung zwischen den großen Emittenten der Eurozone ist damit sowohl im (Semi-) Kern als auch in der Peripherie offensichtlich. Die Ratingreihenfolge scheint nicht mehr hauptausschlaggebend für die Spread-Reihenfolge zu sein. Im (Semi-) Kernsegment hat der Krieg in der Ukraine den Ausschlag für die Neuordnung gegeben. Mit Kriegsausbruch sind die Bund-Spreads finnischer und österreichischer Anleihen sprunghaft angestiegen und haben im Laufe des letzten Jahres die Risikoaufschläge französischer und irischer Papiere gegenüber Bunds übertroffen. Bei beiden Staaten dürfte die zunächst fehlende Nato-Mitgliedschaft und im Fall von Finnland die gemeinsame Grenze zu Russland den Ausschlag gegeben haben. Bei Österreich kommen die starke Energieabhängigkeit von Russland und die engen Handelsbeziehungen zu Osteuropa hinzu. Damit ist bei den Risikoprämien im EWU-Staatsanleihesegment ein West-Ost-Gefälle entstanden, da Länder im Westen (Irland, Spanien, Portugal) deutlich weniger vom Krieg in der Ukraine beeinflusst werden.

Der Einfluss der kriegsbedingten Risikofaktoren spiegelt sich auch bei einer verbalen Auswertung der Ratingberichte von Standard & Poor’s wider. So finden sich im aktuellen Statement zu Finnland und Österreich signifikant mehr eindeutige Nennungen der Wörter „Risk“ und „Russia“ als bei Irland und Frankreich. Durch den Krieg in der Ukraine sind neue Einflussfaktoren bei den Spreads hinzugekommen, die von der bisherigen Fokussierung auf die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen abweichen. Neben der Schuldentragfähigkeit sind nun auch geopolitische Risiken von Bedeutung.

Bei den Peripherie-Staaten war ein anderer Faktor ausschlaggebend für die Neuordnung der Bundspreads – die erwartete Ratingentwicklung seitens der Anleger. Daher ergibt sich für die Länderpaare Spanien und Portugal sowie für Italien und Griechenland jeweils die Situation, dass der vergleichsweise besser geratete Emittent am Kapitalmarkt die höheren Refinanzierungskosten zahlen muss. Perspektivisch erwarten die Anleger eine solidere fiskalische Entwicklung Portugals und Griechenlands, während Spanien und Italien in den letzten Jahren ihre Fiskalrahmen stark ausgereizt haben und von größerer politischer Instabilität geprägt waren. Bei Griechenland goutieren die Investoren die Aussicht auf eine Rückkehr in das Investment-Grade. Zudem wirken die politische Stabilität seit der Amtsübernahme der Konservativen im Jahr 2019 sowie die lange Portfolioduration der griechischen Staatsschulden aufgrund der Hilfskredite unterstützend.

Technische Gründe

Abseits dieser fundamentalen Faktoren gibt es aber auch technische Gründe, die die neue Spreadordnung untermauern. Dabei spielen die Wiederanlagen im Rahmen der Anleihekäufe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) eine entscheidende Rolle. So erkennt man bei den Peripherie-Staaten, dass seit Beginn der Anleihekaufprogramme im Jahr 2015 das ESZB von Portugal mit gut 50% einen größeren Anteil aller ausstehenden Anleihen aufgekauft hat als von Spanien (knapp 40%). Auch bei Griechenland ist der Anteil mit knapp 40% höher als bei Italien (gut 30%). Dieser Effekt dürfte vor allem bei den kleineren Staatsanleiheemittenten einen deutlichen Einfluss ausüben – durch das geringere Angebot an umlaufenden Anleihen werden die Risikoaufschläge tendenziell gedrückt.

Hinzu kommt, dass sich die Entwicklung der geplanten Fundingvolumina für 2023 nach der allgemeinen Krisenrefinanzierung der letzten Jahre nun stark zwischen den Emittenten unterscheidet. Bei Irland, Griechenland und Portugal liegt das erwartete Bruttofundingvolumen am Kapitalmarkt 2023 sogar unter jenem aus 2019. Der geringere Anteil an Anleihen im freien Umlauf trifft damit auf ein rückläufiges Neuangebot und verstärkt die Knappheit. Finnland und Österreich weisen hingegen Steigerungen im Bruttofundingvolumen von rund 100% auf, Spanien immerhin noch ein Plus von gut 50%.

Die Spread-Neuordnung der EWU-Staatsanleihen hat sich in den letzten Monaten als beständig erwiesen. Obwohl übergeordnete Themen wie die geldpolitische Straffung durch die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Rezessionssorgen die Nachrichten dominieren, hat die neue Ausdifferenzierung zwischen den Emittenten weiter Bestand. Dennoch sollten die beschriebenen Entwicklungen weitestgehend ausgereizt sein. Die Risikoaufschläge von Irland, Portugal und Griechenland dürften sich kaum weiter reduzieren, solange die Ratingagenturen das positive Marktsentiment nicht mit weiteren Heraufstufungen untermauern.

Eine Abkehr von der neuen Spread-Ordnung ist jedoch ebenfalls nicht zu erwarten, da die Entwicklungen in ihrem bisherigen Umfang im Einklang mit der fundamentalen und technischen Analyse der Emittenten stehen. Hinzu kommt, dass die EWU-Staaten im aktuellen Jahr mit ihren angepeilten Anleiheemissionen schon weit fortgeschritten sind, sodass die Emissionsvolumina im restlichen Jahresverlauf geringer ausfallen dürften. An der strukturellen Angebotsknappheit neuer Anleihen im Markt vor allem bei den kleineren Emittenten sollte sich daher vorerst wenig ändern.

Reinvestitionen entscheidend

Mittelfristig dürfte für die Risikoaufschläge der EWU-Staatsanleihen vor allem der Verlauf der Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) entscheidend sein. Zwar ist mit der vollständigen Einstellung der Reinvestitionen im Rahmen des Asset Purchase Program (APP) seit Ende Juni bereits ein wichtiger Unterstützungsfaktor entfallen. Allerdings laufen die PEPP-Reinvestitionen schätzungsweise noch mit rund 14 Mrd. Euro pro Monat weiter und können von der EZB flexibel zwischen den Staaten verteilt werden. Die Forward Guidance der Notenbank sieht eine Fortsetzung bis mindestens Ende 2024 vor. Erst mit der Beendigung der Reinvestitionen dürften die „wahren“ Spreadverhältnisse zwischen den Staaten ans Licht kommen.

*) Sophia Oertmann ist Analystin für Staatsanleihen bei der DZ Bank.

*) Sophia Oertmann ist Analystin für Staatsanleihen bei der DZ Bank.

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