GELD ODER BRIEF

Nvidia weckt bei Investoren keinen Neid

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 8.2.2019 Als die Elektroingenieure Jen-Hsun Huang, Chris Malachowsky und Curtis Priem vor etwas mehr als 25 Jahren die Idee für ein eigenes Unternehmen hatten, das sich auf die Entwicklung von...

Nvidia weckt bei Investoren keinen Neid

Von Stefan Paravicini, New YorkAls die Elektroingenieure Jen-Hsun Huang, Chris Malachowsky und Curtis Priem vor etwas mehr als 25 Jahren die Idee für ein eigenes Unternehmen hatten, das sich auf die Entwicklung von Grafikprozessoren spezialisieren sollte, kümmerte sich zunächst niemand um einen Firmennamen. “NV” für “nächste Version” hieß es in den Unterlagen der Firmengründer nur, bis der Eintrag ins Firmenregister nicht mehr aufgeschoben werden konnte. Also machten sich die drei auf die Suche nach einem Namen, in dem die beiden Buchstaben N und V enthalten sein sollten. Dabei stießen sie auf das lateinische “invidia”, den Neid. Seit dem Börsengang im Jahre 1999 hat Nvidia tatsächlich viele Investoren vor Neid blass gemacht. Seit dem IPO auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms, bei dem die Firma zu einer Bewertung von rund 360 Mill. Dollar etwas mehr als 40 Mill. Dollar einsammelte, hat sich die Marktkapitalisierung von Nvidia bis in den Herbst des vergangenen Jahres auf mehr als 170 Mrd. Dollar hochgeschraubt. Tattoo trotz AktiensplitCEO Jen-Hsun Huang musste sich früher als erwartet ein Tattoo stechen lassen, weil die Aktie nach dem Börsengang zum Angebotspreis von 19,69 Dollar bald über die Marke von 100 Dollar kletterte, obwohl der erste Aktiensplit 2:1 schon ein Jahr nach dem IPO vorgenommen wurde. Es folgten weitere Splits im Jahr 2001 (2:1), 2006 (2:1) und 2007 (3:2). Anfang Oktober des vergangenen Jahres notierte die Aktie knapp unter 300 Dollar. Seither hat sich der Börsenwert von Nvidia allerdings fast halbiert und viele Analysten haben ihre Preisziele für die Aktie teils drastisch reduziert. Denn der US-Chiphersteller hat in den vergangenen drei Monaten gleich zwei Mal seine Prognose gesenkt. Vor allem die eigenen Aktionäre hat das um die Nase blass gemacht.Die jüngste Korrektur Ende Januar setzte die Aktie zeitweise um bis zu 18 % zurück (vgl. BZ vom 29. Januar), weil Nvidia nach eigenen Angaben sowohl im Geschäft mit Grafikkarten als auch bei Serverchips für Rechenzentren in der Cloud hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Der Umsatz im Schlussquartal wird neu in der Größenordnung von 2,2 Mrd. Dollar erwartet, während die durchschnittlichen Schätzungen zuletzt bei 2,7 Mrd. Dollar lagen. Dieses Niveau hatte Nvidia im November in Aussicht gestellt und schon damals für eine Enttäuschung gesorgt. Der bisher angepeilte Umsatz hätte einem Rückgang um 7 % entsprochen, nachdem der Konzern im Vergleichszeitraum noch um ein Drittel auf 2,9 Mrd. Dollar vorangekommen war. Gemäß der neuen Prognose ist das Geschäft im Schlussquartal um ein Viertel eingebrochen. Es ist der erste Umsatzrückgang für Nvidia seit mehr als fünf Jahren. Die Details zum zurückliegenden Quartal will Nvidia in der nächsten Woche bekannt geben.Ein Ende der schlechten Nachrichten ist nach Einschätzung vieler Marktbeobachter noch nicht in Sicht. “Auch wenn die Aktie stark gefallen ist, glauben wir, dass die Nachfrage in den Kernmärkten weiter zurückgehen wird”, schreiben Analysten von Needham zur Begründung ihrer Herabstufung für die Aktie, die ihrer Meinung nach noch einmal ein Drittel bis unter 100 Dollar stürzen könnte. “Eine Zielverfehlung in diesem Ausmaß in der Kategorie Videospiele ist ein Hinweis auf größere Probleme, als wir erwartet haben”, heißt es bei Morgan Stanley, die ihr Preisziel von 220 auf 148 Dollar gekürzt hat. Sieben magere QuartaleDer Ausblick sei schlechter als erwartet, räumte auch Jefferies ein, die aber immer noch daran glaubt, “dass Nvidia von säkularen Trends profitiert”. Damit ist unter anderem der wachsende Bedarf für leistungsfähige Grafikprozessoren gemeint, die bei der Entwicklung von Anwendungen künstlicher Intelligenz zum Einsatz kommen. Denn die Grafikkarten von Nvidia werden nicht nur von Anhängern grafisch aufwendiger Computerspiele geschätzt, sondern werden auch für andere anspruchsvolle Berechnungen etwa beim Schürfen nach Bitcoin und anderen Kryptowährungen oder eben für das Training von lernenden Maschinen eingesetzt. Dennoch gehen die Analysten von Jefferies davon aus, dass es bis zu sieben Quartale dauern könnte, bevor Nvidia auf die zuletzt erreichten Umsatzniveaus zurückkehren wird.Die Marktbeobachter von UBS schlagen einen optimistischeren Ton an. Der jüngste Ausblick bereite endlich den Boden für eine positive Neubewertung der Aktie schon in diesem Sommer, heißt es in einer Studie der Schweizer Bank, die zwar das Preisziel für Nvidia von 190 auf 180 Dollar gekürzt hat, ihre Empfehlung für die Aktie nach dem jüngsten Kurssturz aber von “Neutral” auf “Kauf” stellt. Die Umsatzerwartungen seien mittlerweile so stark gesunken, dass es mit Blick nach vorn einen Katalysator für Kursgewinne gebe, schreiben die Experten der UBS. Son wird blass im GesichtTatsächlich könnten die jüngsten Enttäuschungen bei Nvidia auch damit zu tun haben, dass der Einbruch von Kryptowährungen wie Bitcoin viele Schürfer dazu veranlasst hat, unter anderem ihre Grafikkarten von Nvidia zu verscherbeln, während der Konzern versuchte, eine neue Generation im Markt einzuführen. Im Geschäft mit Serverchips für die Cloud machte den meisten Anbietern eine vorübergehende Pause von großen Anbietern wie Amazon oder Microsoft beim Ausbau ihrer Rechenzentren zu schaffen. Sind diese negativen Einflüsse erst einmal verarbeitet, dürfte die Nachfrage nach Nvidia-Chips sowohl in der Cloud als auch in der Spiele-Kategorie über dem zuletzt erreichten Niveau liegen. In bestimmten Anwendungsgebieten künstlicher Intelligenz gelten die Grafikkarten von Nvidia als alternativlos. Gut möglich, dass Masayoshi Son, dem Gründer und CEO der japanischen Softbank, die mit dem Vision Fund im Januar Nvidia-Anteile für 3,6 Mrd. Dollar verkauft hat, schon bald vor Neid die Blässe ins Gesicht steigt.