Rohstoffe

Ölpreis nimmt Kurs auf 100 Dollar

Nach einer ausgeprägten Schwächeperiode im Frühsommer hat sich der Ölpreis wieder deutlich erholt. Dafür sind ein weiter knappes Angebot und sinkende Lagerbestände verantwortlich. Einige Analysten halten einen Anstieg des Brent-Ölpreises bis auf 100 Dollar je Barrel und darüber für möglich.

Ölpreis nimmt Kurs auf 100 Dollar

Ölpreis visiert 100 Dollar an

Knappes Angebot und geringere Reserven beunruhigen Marktteilnehmer

Nach einer ausgeprägten Schwächeperiode im Frühsommer hat sich der Ölpreis wieder deutlich erholt. Dafür sind ein weiter knappes Angebot und sinkende Lagerbestände verantwortlich. Einige Analysten halten einen Anstieg des Brent-Ölpreises bis auf 100 Dollar je Barrel und darüber für möglich.

ku Frankfurt

Der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude hat in den vergangenen Monaten eine beeindruckende Rally gezeigt. Stand er Ende Juni noch auf einem Niveau von gerade einmal 72,30 Dollar je Barrel in der Nähe seines Jahrestiefs, hat er seither um rund 20 Dollar zugelegt und befindet sich aktuell auf einem Stand von 93,40 Dollar.

Zurückzuführen war das Tief vom Frühsommer auf die enttäuschende wirtschaftliche Entwicklung in den USA, Europa und vor allem auch China. Dann jedoch hat den Markt gedreht, weil die beiden Schwergewichte der Opec plus, Saudi-Arabien und Russland, ihre Produktion zurückgefahren haben, um den Preis zu stützen. Saudi-Arabien hat um 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gekürzt, Russland um zunächst 500.000 bpd, was später auf realistischere 300.000 bpd reduziert wurde. Russland ist zur Finanzierung des Ukraine-Kriegs in hohem Maße auf die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas angewiesen. Saudi-Arabien wiederum benötigt zum Ausgleich seines Staatshaushaltes einen Ölpreis jenseits von 80 Dollar. Die gleichgerichteten Interessen beider Staaten resultierten dann in einem abgestimmten Verhalten bei den Produktionskürzungen mit Blick auf die erfolgten Preisanhebungen.

Man kann somit durchaus sagen, dass die beiden Produzentenländer derzeit den Markt beherrschen, und zwar gegen den Widerstand der Akteure an den Terminmärkten, die auf ein niedriges Preisniveau gesetzt hatten, sowie gegen den Willen der US-Regierung, die mit Blick auf den starken Anstieg der Verbraucherpreise in den vergangenen Monaten und ihre Chancen in den Präsidentenwahlen im November 2024 einen niedrigen Ölpreis benötigt. Allerdings hat auch das mit Russland verbündete China beigetragen. Trotz einer relativ schwachen Konjunktur ist China im laufenden Jahr für rund 70% des globalen Anstiegs der Ölnachfrage verantwortlich.

Die Frage, die sich viele Marktteilnehmer nun stellen, ist, ob der Ölpreis nach den kräftigen Gewinnen weiter zulegen kann. Dabei gehen die Meinungen der Analysten auseinander. So betonen die Rohstoffanalysten der Commerzbank, der Ölpreis habe aktuell bei etwas mehr als 90 Dollar ein neues Wohlfühlniveau gefunden. Saudi-Arabien und Russland hätten das, was sie mit den Förderkürzungen erreichen wollten, realisiert. Gegen einen weiteren Anstieg spricht aus Sicht der Analysten, dass die Konjunktursorgen nach wie vor ein wichtiger Bremsfaktor seien. So rechneten die Ökonomen der Commerzbank inzwischen damit, dass das chinesische Wachstumsziel von 5% im laufenden Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 4,8% verfehlt wird, während für das kommende Jahr nur ein Wachstum von 4% erwartet wird.

Konjunkturschwäche

Auch für den Euroraum seien die Aussichten alles andere als rosig. Somit sei das Aufwärtspotenzial beim Ölpreis nun nahezu ausgereizt, und angesichts der schwachen Konjunktur sehen die Analysten der Commerzbank sogar eher Rückschlagspotenzial. Sie bleiben daher bei ihrer Erwartung, dass der Brent-Ölpreis zum Jahresende bei 85 Dollar stehen wird, was einen spürbaren Rückgang gegenüber dem aktuellen Niveau bedeuten würde. Längerfristig ergeben sich aber Perspektiven für einen weiteren Anstieg: "Erst wenn sich die Konjunkturaussichten nachhaltig aufhellen, was im kommenden Jahr der Fall sein sollte, dürfte auch der Ölpreis nachhaltiger steigen", erwarten sie.

Deutlich optimistischer für den Ölpreis sind die Rohstoffanalysten der britischen Standard Chartered. Sie sagen zwar für das vierte Quartal einen durchschnittlichen Brent-Preis von 92 Dollar voraus, was keinen Anstieg bedeuten würde. Sie verweisen aber darauf, dass zeitweilig auch Niveaus von 100 Dollar oder mehr denkbar seien. Das Überraschungspotenzial liege eher auf der Seite höherer Preise, betonen sie. Die Experten der Bank sind der Ansicht, dass der Ölpreisanstieg im laufenden dritten Quartal vor allem durch den ausgeprägten Rückgang der Rohöl-Lagerbestände ausgelöst werde. Sie gehen davon aus, dass die Lagerbestände im zweiten Halbjahr 2023 um 313 Mill. Barrel fallen werden, was sich mit einem Anstieg im gleichen Vorjahreszeitraum von 203 Mill. Barrel vergleicht.

Derselben Meinung hinsichtlich der Entwicklung des Ölpreises sind die Rohstoffexperten der Bank of America: "Sollte die Opec plus ihre gegenwärtigen Produktionskürzungen bis zum Jahresende durchhalten vor dem Hintergrund einer positiven Nachfrageentwicklung in Asien, halten wir es für möglich, dass der Ölpreis noch in diesem Jahr über 100 Dollar klettert", schreiben sie. Trotz der Sorgen wegen der Konjunktur in China treibe Asien wieder einmal die weltweite Energienachfrage an. Zwar seien die Industrieaktivitäten in China relativ schwach, allerdings seien die Aussichten für den Transportsektor recht positiv. So habe sich der Airline-Sektor ausgesprochen positiv entwickelt und ein höheres Niveau als vor dem Beginn der Coronavirus-Pandemie erreicht. Bank of America geht für das laufende Jahr insgesamt von einem chinesischen Wirtschaftswachstum von immerhin 5,1% aus, das aber 2024 auf 4,8% zurückgehen soll. Die Regierung in Peking gewähre der Binnenkonjunktur nach wie vor Unterstützung.

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