Ölpreis enttäuscht Anleger
Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtÜber etliche Jahre hinweg waren Energieträger bei Finanzinvestoren wegen der hohen Erträge, die man mit ihnen erzielen konnte, so attraktiv, dass viele breit aufgestellte Rohstoffindizes ein hohes Gewicht von Öl und Gas aufwiesen. Im nun zu Ende gehenden Jahr hat sich das Anlagethema Öl indes als eine Enttäuschung erwiesen: Gegenüber dem Stand vom Jahresanfang hat sich die Nordseesorte Brent Crude um rund 22 % auf ca. 54 Dollar verbilligt. US-Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) kam seit Anfang Januar 2018 auf einen Preisrückgang von ca. 26 % auf rund 45 Dollar.Das abgelaufene Jahr war auch aus Sicht der großen Akteure am Ölmarkt bemerkenswert. Ihnen wurde nämlich deutlich, dass es mitunter äußerst schwierig sein kann, Angebot und Nachfrage korrekt abzuschätzen und beispielsweise als “Opec plus” – also die Mitglieder des Kartells Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) sowie befreundete Produzentenstaaten wie Russland – angemessen per Mengensteuerung zu reagieren. Und das Jahr hat auch bewiesen, wie stark sich politischer Einfluss auf den Ölpreis auswirken kann.Ausgehend von einem Brent-Ölpreis von rund 66 Dollar je Barrel (159 Liter) zu Jahresbeginn zog der Ölpreis an und erreichte Mitte des Jahres erstmals seit vier Jahren ein Niveau von 80 Dollar je Barrel. Dafür verantwortlich war zwar auch das erfolgreiche Bestreben der “Opec plus”, durch die koordinierte Verknappung des Energieträgers die zuvor ausufernden weltweiten Lagerbestände wieder unter Kontrolle zu bringen und das Angebot an die Nachfrage anzupassen. Der deutliche Preisschub ab Anfang April, der die Brent-Notierung dann bis auf 80 Dollar gebracht hat, hat aber vor allem einen politischen Grund. US-Präsident Donald Trump sowie der außenpolitische Hardliner John Bolton als Sicherheitsberater Trumps nahmen sich den Iran vor und kündigten das Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) genannte Abkommen zur Beendigung des iranischen Atomprogramms, obwohl die Atombehörde der Vereinten Nationen der iranischen Regierung bescheinigte, sich an das Abkommen zu halten. Im Mai gab die US-Regierung dann harte Wirtschaftssanktionen gegen den Iran bekannt, die ab Anfang November auch Strafmaßnahmen für Kunden der iranischen Ölindustrie beinhalten sollten. Erklärtes Ziel der Trump-Administration war es, die Ölexporte des Iran auf null zu drücken. Würde den USA das gelingen, fiele immerhin der nach Saudi-Arabien und dem Irak drittgrößte Opec-Produzent aus. Trumps LaienspielscharTrump und seine Laienspielschar im Weißen Haus bewiesen damit wieder einmal die Abwesenheit jeglichen strategischen Denkens, denn mit Blick auf die Konjunkturlage in den USA und die für den November angesetzten Kongresswahlen wurde Trump dann klar, dass ein nach oben aus dem Ruder laufender Ölpreis die Wahlchancen der Republikanischen Partei nicht gerade verbessert. Er nahm daraufhin die Opec und insbesondere den Klientelstaat Saudi-Arabien als Schwergewicht innerhalb des Kartells regelmäßig per Twitter unter Feuer und erreichte schließlich, dass die “Opec plus” Ende Juni beschloss, ihre Förderung um 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) auszuweiten. Zur Freude der Opec-Staaten und zum Leidwesen der Trump-Administration hielten sich die Auswirkungen der Entscheidung in engen Grenzen, denn der Brent-Ölpreis gab nur bis leicht über 70 Dollar nach.Dass er danach bis Anfang Oktober auf mehr als 85 Dollar kletterte, war aber weniger auf die US-Sanktionen gegen den Iran zurückzuführen, zumal Washington zurückruderte und großzügige Ausnahmeregelungen für die Iran-Sanktionen beschloss. Hauptgrund war, dass die Opec aus verschiedenen Gründen – neben dem Rückgang im Iran waren dies vor allem umfangreiche Förderausfälle in Venezuela und Libyen – deutlich weniger produzierte als beabsichtigt. Dies hatte ein rasantes Absinken der weltweiten Lagerbestände an Rohöl zur Folge.Insbesondere Saudi-Arabien korrigierte dann seine Politik und drehte gemeinsam mit Ländern wie Russland den Ölhahn auf. Der bis Oktober hohe Ölpreis rief aber auch die amerikanische Schieferölindustrie auf den Plan, die ihre nun wieder rentable Produktion stark ausweitet – mit der Folge, dass der Brent-Ölpreis Ende November unter die Marke von 60 Dollar fiel. Anfang Dezember hat die “Opec plus” dann abermals korrigiert, sie wird die Produktion per Anfang 2019 um 1,2 Mill. bpd senken. Bislang hat dies den Ölpreis nicht wieder deutlich nach oben getrieben. Dies liegt zum einen an dem nach wie vor rasanten Mengenwachstum der US-Schieferölindustrie, zum anderen aber auch daran, dass es Zweifel gibt, ob die Opec ihre hohe Disziplin bei der Einhaltung der Quoten beibehält. Da sich nun auch die Weltkonjunktur spürbar abschwächt, gehen die meisten Analysten davon aus, dass der Brent-Ölpreis in den kommenden Monaten kaum über 70 Dollar steigen wird.