GELD ODER BRIEF

Palladium-Preisanstieg treibt Norilsk Nickel an

Von Eduard Steiner, Moskau Börsen-Zeitung, 29.3.2019 Um eine entsprechende Nachfrage brauchte Roman Abramowitsch, Besitzer des britischen Fußballclubs Chelsea, keine Sorge haben, als er vor zwei Wochen Anteile am russischen Bergbaukonzern Norilsk...

Palladium-Preisanstieg treibt Norilsk Nickel an

Von Eduard Steiner, MoskauUm eine entsprechende Nachfrage brauchte Roman Abramowitsch, Besitzer des britischen Fußballclubs Chelsea, keine Sorge haben, als er vor zwei Wochen Anteile am russischen Bergbaukonzern Norilsk Nickel verkaufte. Die Käufer, vorwiegend Europäer und Amerikaner sowie zu 33 % aus Russland selbst, standen so sehr Schlange, dass Abramowitsch am Ende nicht wie geplant 1,25 % seiner Anteile veräußerte, sondern 1,7 % für 551 Mill. Dollar – der größte Anteilsverkauf eines russischen Konzerns seit fast eineinhalb Jahren.Der Zeitpunkt war gut gewählt. Schließlich erzielte die Aktie des Konzerns zuletzt wiederholt Rekordhochs (in Rubel gerechnet). Am Tag der Transaktion war Norilsk Nickel an der Börse in London 34,8 Mrd. Dollar wert. Das muss angesichts der exorbitant steilen Preisentwicklung von Palladium nicht verwundern. Der Konzern mit seinen 83 000 Mitarbeitern ist der weltweit größte Produzent des Edelmetalls mit einem Marktanteil von gut 40 %. Außerdem wetteifert er mit dem brasilianischen Konzern Vale um den weltweit ersten Platz bei der Produktion von Nickel und fördert neben Kupfer noch Platin und eine ganze Reihe anderer Metalle. Unfreiwillig gekauftWas Abramowitsch betrifft, so wollte er seine insgesamt über 6 % Anteile schon länger zu Geld machen. Denn dass er sie im Jahr 2012 überhaupt gekauft hatte, war so freiwillig nicht. Die russische Staatsführung selbst hatte ihn darum gebeten, um Ruhe in den strategisch wichtigen Konzern zu bringen. Dessen Hauptaktionäre, die Tycoons Wladimir Potanin und Oleg Deripaska, liegen sich seit Jahren um die Vorherrschaft im Unternehmen in den Haaren.Inzwischen kommt hinzu, dass der 51-jährige Deripaska Anfang April 2018 mit wuchtigen US-Sanktionen belegt wurde. Auf Druck der Amerikaner musste er seine Kontrollmehrheiten in den eigenen Unternehmen abgeben. Darunter die beim Aluminiumkonzern Rusal, über den er 27,8 % an Norilsk Nickel hält. Der 58-jährige Potanin wiederum hält seine 34,6 % an Norilsk Nickel über seine Holding Interros. “Die Geschichte des Konfliktes mit Oleg Deripaska ist sehr bezeichnend, man kann sie direkt für ein Lehrbuch gebrauchen”, sagte Potanin schon 2015 in einem Interview: “Wer Konflikte austrägt, verdient nichts im Geschäft. Es verdienen die, die sich einigen können.”In der Tat. Und so hat man mit Abramowitschs Vermittlung wieder gut verdient. Der Umsatz stieg im Vorjahr um 28 % auf 11,7 Mrd. Dollar, wovon 34 % auf den Verkauf von Palladium entfallen und je 27 % auf den von Nickel und Kupfer. Das Ebitda legte um 56 % auf 6,2 Mrd. Dollar zu, der Reingewinn um 44 % auf 3,06 Mrd. Dollar. Die Ebitda-Marge erreichte 53 %, was eine der höchsten unter den diversifizierten Bergbauunternehmen weltweit ist. Der freie Cash-flow beträgt 4,5 Mrd. Dollar. Es ist die Preisentwicklung bei Palladium, die Norilsk Nickel bestens in die Hände spielt. Der Preis für das Edelmetall hat sich seit Anfang 2016 bis vergangene Woche auf 1 622 Dollar je Unze mehr als verdreifacht. Seit vergangener Woche korrigiert der Preis allerdings, zumal das russische Industrieministerium erklärte, dass es keine kolportierten Einschränkungen beim Palladiumexport geben werde. Aktuell kostet Palladium 1 416 Dollar.Palladium wird vor allem für die Herstellung von Katalysatoren bei Benzinmotoren verwendet, weshalb der Dieselskandal die Nachfrage hochschnellen ließ. Fast drei Viertel der globalen Palladiumproduktion von jährlich etwa 208 Tonnen gehen in die Autoindustrie, der Rest in die Feinelektronik, Schmuckindustrie, Dentalmedizin und zur Raffination von Erdöl in die Petrochemie. Seit mehr als sieben Jahren übersteigt die Nachfrage nach Palladium das Angebot.Genau die starke Abhängigkeit von der Autobranche könnte dem Palladiumpreis bald auch wieder zusetzen, befürchtete etwa die Commerzbank schon vor der jetzigen Preiskorrektur und verwies auf die zuletzt global schwächeren Autoabsatzzahlen. Analysten halten auch für möglich, dass Autobauer vermehrt auf das Schwestermetall Platin zurückgreifen, dessen Preis 2018 um über 15 % gefallen ist. Überdies kursieren Mutmaßungen, dass die Zunahme von E-Fahrzeugen den Palladiumpreis drücken würde. Für 2020 sagt die Citi 1 150 Dollar voraus.Bei Weitem nicht alle sind so pessimistisch. Wie die Agentur Bloomberg betont, würde der Boom bei Hybridautos, die Palladium brauchen, deutlich stärker werden als der bei reinen E-Fahrzeugen. Norilsk Nickel selbst prophezeit, dass “der kombinierte Palladiumeinsatz in Hybrid- und Plug-in-Hybridfahrzeugen im nächsten Jahr fast das Dreifache des Jahres 2016 erreichen wird”. Kupfer aus OstsibirienBei Norilsk Nickel wurde das Geschäft im Vorjahr nicht nur durch den Palladiumpreis angeheizt, sondern auch durch die Inbetriebnahme der ostsibirischen Großlagerstätte Bystrinskoje. Sie gilt als eine der zehn weltweit größten Lagerstätten für Kupfer, enthält aber auch Gold und Magnetit.Durch den Abschluss der Bauarbeiten in “Bystrinskoje” Ende 2017 gingen die Investitionen 2018 um 22 % auf 1,6 Mrd. Dollar zurück. Für 2019 sind 2,2 bis 2,3 Mrd. Dollar an Investitionen veranschlagt.Angesichts dieser großen Pläne hat Hauptaktionär Potanin soeben angedeutet, mit Deripaska über eine Dividendenkürzung verhandeln zu wollen. Die Aktionäre, die derzeit eine Dividendenrendite von knapp 10 % erwarten können, haben daraufhin am Mittwoch mit Verkäufen reagiert.Das KGV beträgt gut 9. Citi hat die Aktie am 4. März auf Verkaufen herabgestuft und sieht für den ADR-Schein ein Kursziel von 18,80 Dollar. Von den bei Bloomberg aufgelisteten fünf Empfehlungen lautet eine auf Verkaufen, eine auf Halten und drei auf Kaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 15 813,47 Rubel.