GELD ODER BRIEF

Panasonic kämpft um den Turnaround

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 8.6.2012 Bei der Neuformierung von Japans Elektroniksektor gehen die angeschlagenen Unternehmen drei Sanierungswege: Sony stärkt sich durch Outsourcing der Produktion und Synergien aus der Vernetzung von...

Panasonic kämpft um den Turnaround

Von Martin Fritz, TokioBei der Neuformierung von Japans Elektroniksektor gehen die angeschlagenen Unternehmen drei Sanierungswege: Sony stärkt sich durch Outsourcing der Produktion und Synergien aus der Vernetzung von Sparten und Produkten. Sharp und Renesas geben ihre Selbständigkeit auf und suchen sich Kapital- und Produktionspartner in China und Taiwan. Hitachi und Panasonic wenden sich von der Konsumelektronik ab und konzentrieren sich auf Geschäftsbereiche mit stabileren Aufträgen und höheren Margen. Hitachi ist die Ertragswende bereits gelungen. Japans größter Elektronikkonzern Panasonic, Hersteller von Viera-Fernsehern und Lumix-Kameras, restrukturiert noch, so dass sich hier Anlegern womöglich eine lukrative Turnaround-Story bietet.Allerdings liefern die Kennziffern noch keine klaren Kaufsignale: Am 4. Juni waren die Panasonic-Anteile zwar auf den tiefsten Stand seit 1978 gesunken. Die Marktkapitalisierung schrumpfte auf ein Sechstel des Umsatzes, das Kurs-Buch-Verhältnis fiel auf 0,6. Aber die Aktie ist bei einem erwarteten Nettoertrag von 50 Mrd. Yen(500 Mill. Euro), einer operativen Marge von 3,3 %, einer Eigenkapitalrendite von 2,6 % und einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 24 für das laufende Geschäftsjahr nicht billig. Auf Basis des Bloomberg-Gewinnkonsenses von 31 Yen je Aktie beträgt das KGV immer noch 18. Finanziell bleibt Panasonic angeschlagen. Hinzu kommt: Der freie Cash-flow in diesem Jahr erreicht nur 30 Mrd. Yen, und durch den Rekordverlust im Vorjahr ist die Quote von Schulden zum Betriebsvermögen um knapp ein Fünftel auf 24 % gestiegen. Dennoch empfiehlt der Broker Nomura die Aktien mit einem Kursziel von 780 Yen zum Kauf. Nach dem 770 Mrd. Yen schweren Sanierungsplan mit einem Abbau von 36 000 Stellen, also knapp 10 % der Belegschaft, stehe Panasonic vor einer V-förmigen Erholung; mit der Konsolidierung der Zukäufe Sanyo Electric und Panasonic Electric Works zum Jahresanfang gebe es eine neue Vision für Wachstum; Basis dafür sei eine Geschäftsverlagerung von Konsumelektronik zu Weißer Ware, Öko- und Umweltprodukten sowie B 2 B-Angeboten.Um die Vision, bis zum 100. Firmenjubiläum 2018 der weltweit “grünste” Technologiekonzern zu werden, zu erfüllen, will Panasonic das Geschäft mit Privatverbrauchern auf ein Drittel schrumpfen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Mit dem Chefwechsel Ende Juni zu Kazuhiko Tsuga weht in dem konservativen Konzern ein schärferer und kälterer Wind. Intern gilt der 55-Jährige als Macher, der klare Worte findet und harte Entscheidungen fällt. So steht nach nur zwei Jahren Betriebszeit die Schließung der modernsten und teuersten TV-Panel-Fabrik bevor. Resolut ist auch das jüngste Vorhaben, die Hälfte der 7 000 Arbeitsplätze in der Konzernzentrale zu streichen.Auf der Großbaustelle der audio-visuellen Sparte sind die gröbsten Arbeiten wie die Verschlankung der Produktion abgeschlossen. Dadurch soll der operative Ertrag um 100 Mrd. Yen steigen. Statt auf Absatzmengen wird jetzt auf Rentabilität geachtet. Die TV-Produktion wurde um 2 Millionen auf 15,5 Millionen Stück verringert, davon 12,5 Millionen LCD- und 3 Millionen Plasma-Bildschirme. Jeder fünfte davon soll künftig als beschreibbare Tafel verkauft werden. Mit Hilfe lokaler Produktion will der Konzern eine neue Offensive mit LCD-TVs in Schwellenländern wagen. Ein Spartenverkauf kommt nicht in Frage, da 40 % des Umsatzes mit Firmenkunden erzielt wird. Ehrgeiz im ChipgeschäftAuch mit dem Geschäftszweig Industrielle Bauteile müssen Anleger Geduld haben. Die Halbleiter-Produktion, darunter Chips, Kondensatoren und Schaltkreise, verlor bei 1,4 Bill. Yen Umsatz zuletzt knapp 17 Mrd. Yen. Hier strebt Panasonic bis 2015 eine Marge von mehr als 10 % an. Aber Analysten bezweifeln dieses Ziel, da viel für den Eigenbedarf produziert wird.Große Hoffnungen ruhen auf Panasonics breitem Angebot an energieeffizienten Haushaltswaren mit derzeit 20 % Umsatzanteil. Die Weiße Ware bringt mit 5,7 % bislang die höchste Marge ein. Bei Klimaanlagen hat Panasonic einen Weltmarktanteil von 12 %, bei Waschmaschinen von 6 %, bei Mikrowellen von 9 %, bei Kühlschränken von 3 % und bei Haartrocknern von 6 %. Zur Absatzsteigerung betreibt der Konzern in wichtigen Märkten wie China eigene Marktforschung, um die Geräte an lokale Bedürfnisse und Vorlieben anzupassen. Neue Fabriken in Brasilien, Indien und Vietnam sind geplant.Der zweite Wachstumsbringer sind “Öko-Lösungen”. Dazu gehören Paketangebote zum Energiesparen, etwa ein intelligentes Stromnetz für Wohnhäuser inklusive Solaranlage und Speicherbatterie oder Komplettangebote für stromsparende Ladeneinrichtungen mit Kühl- und Klimageräten, LED- und Außenbeleuchtung. Bisher erzielt Panasonic 90 % des Umsatzes in diesem Geschäft in Japan. Doch bei der Expansion der großen Mini-Supermarktketten wie Lawson nach China und andere asiatische Länder kämen beim Filialbau auch ihre Partner wie Panasonic zum Zug. “Grüne” FantasieIm Energie-Geschäft konzentriert sich der Konzern auf Akkumulatoren für Autos und Elektronik sowie Solarzellen. Die Umsätze dieser Sparte sollen von zuletzt 660 Mrd. Yen bis 2015 auf mehr als1 Bill. Yen – mit zweistelliger Rendite – wachsen. Panasonic ist bereits Batteriepartner der Autokonzerne Toyota und Volkswagen. Bei Solarzellen punktet man gegenüber der Billigkonkurrenz aus China mit einem extrem hohen Wirkungsgrad von 23 %. Die hauseigenen Brennstoffzellen zur Strom- und Warmwassererzeugung sollen ab 2015 zum Verkaufsschlager werden. Bei der Kommerzialisierung dieser Technik ist Panasonic weltweit führend. Im Energie-Geschäft sehen Analysten Wettbewerbsvorteile für Panasonic durch das vertikal integrierte Geschäftsmodell. Gleichwohl: Insgesamt bietet die Aktie eher mittel- als kurzfristig Potenzial, da der Umbau in kleinen Schritten erfolgt.