GELD ODER BRIEF

Personalvermittler Adecco muss sich neu erfinden

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 5.4.2013 Wie gut ist eine Aktienperformance von 9 % in 15 Jahren? Ein Investor, der mit seinen Bankwerten selbst nach dieser langen Zeit immer noch einem Viertel seines investierten Kapitals von damals oder...

Personalvermittler Adecco muss sich neu erfinden

Von Daniel Zulauf, ZürichWie gut ist eine Aktienperformance von 9 % in 15 Jahren? Ein Investor, der mit seinen Bankwerten selbst nach dieser langen Zeit immer noch einem Viertel seines investierten Kapitals von damals oder sogar noch mehr nachtrauert, wird die Performance von Adecco noch als ziemlich gut bewerten. Schwach wird sie dagegen im Urteil jener Anleger sein, die es gewohnt sind, dass ihre Investitionen – zum Beispiel in die internationale Zementindustrie – langfristig im Gleichlauf mit dem Wachstum der Weltwirtschaft an Wert gewinnen. Die Investoren schließlich, die das Glück oder auch den Verstand besitzen, ihr Geld nur in Firmen zu stecken, die auf Dauer einen hohen Mehrwert für die Aktionäre generieren, werden die langfristige neunprozentige Performance der Adecco-Titel vermutlich als “völlig ungenügend” einstufen.Gemessen an der Entwicklung des Swiss Performance Index (SPI) kommt das Attribut “schwach” der relativen Langfrist-Performance der Adecco-Werte am nächsten. Tatsächlich hat der Allshare-Index für Schweizer Aktien mit einem Anstieg um nahezu 90 % seit 1998 die Wertsteigerung der Adecco-Aktien um dem Faktor 10 übertroffen. Zwar ist der SPI als Preisindex, der die Dividenden in die Performance einbezieht, zugegebenermaßen nicht ganz der richtige Vergleichsmaßstab. Aber er ist auch nicht schlechter als der international stärker beachtete Swiss Market Index, der allein die Kursentwicklung misst und in der 15-Jahres-Periode “nur” doppelt so hoch geklettert ist wie die Adecco-Valoren. Zögerliche PolitikFakt ist nämlich, dass der Zeitarbeitsvermittler Adecco erst seit wenigen Jahren eine wirklich aktive Ausschüttungspolitik betreibt. Bemerkenswert ist dies vor allem deshalb, weil das wenig kapitalintensive Personalvermittlungsgeschäft naturgemäß sehr hohe freie Cash-flows generiert, die sich für eine offensive Dividendenpolitik geradezu aufdrängen. Aber das Unternehmen erhöhte das Zielband für die Ausschüttungsquote erst 2011 vom ausgesprochen konservativen Niveau von 25 % bis 30 % auf die immer noch nicht besonders hohe Quote von 40 % bis 50 %.Die von Adecco über viele Jahre gehorteten Gewinne kamen somit nur in sehr bescheidenem Ausmaß den Aktionären zugute. Das war indes nicht immer so. Zu Beginn der neunziger Jahre, als sich der im Jahr 2008 verstorbene, in Deutschland aber immer noch als “Kaffeebaron” bekannte Großinvestor Klaus J. Jacobs in die schweizerische Adia einkaufte, stand die Leiharbeit am Anfang einer goldenen Dekade. Jacobs und sein damaliger Manager, der Brite John Bowmer, verstanden es, das Unternehmen durch Übernahmen und Fusionen rasch wachsen zu lassen und die damit verbundenen Skalenerträge einzufahren. Das Schlüsselereignis in dieser Expansionsstrategie war zweifellos der Zusammenschluss mit der französischen Ecco, aus dem 1996 die heutige Adecco hervorging. Gemeinsam erlebten Jacobs und Ecco-Gründer Philippe Foriel-Destezet die Phase, in der Adecco den einstigen und jahrzehntelang unangefochtenen amerikanischen Weltmarktführer Manpower überflügelte und Investoren rund um den Globus zu begeistern vermochte. In diese euphorische Zeit gehörte auch der Umzug des Hauptsitzes von Europa nach Kalifornien und die Einführung der Aktien an der New York Stock Exchange. Klar an der SpitzeDiese Zeiten als Börsenüberflieger hat Adecco längst hinter sich. Zwar hat sich der Konzern im Konkurrenzvergleich klar an der Spitze etabliert – und mit einem stabilen Umsatz von 20,5 Mrd. Euro und einem zwar deutlich rückläufigen, aber immer noch soliden Gewinn von 377 Mill. Euro auch im wirtschaftlich schwierigen Jahr 2012 seine Widerstandkraft bewiesen. Doch mit der internationalen Finanz- und Schuldenkrise sind die Perspektiven für Adecco und das Verleihgeschäft mit Hilfskräften vornehmlich für die produzierenden Sektoren in den alten Industrieländern nicht besser geworden.In der Europäischen Union wird die Branche nicht zuletzt als Folge der Equal-Pay-Direktive nach einer langen Deregulierungsphase wieder enger an die Leine genommen. In Deutschland, wo das Geschäft im Zuge der Liberalisierung des Arbeitsmarktes unter dem Regime der Schröder-Regierung einen starken Aufschwung erlebte, rechnen Bracheninsider nun mit einem kräftigen Rückgang der Nachfrage. In vielen Betrieben müssen die Löhne der Leiharbeiter in diesen Monaten um bis zu 50 % angehoben werden, damit die Diskriminierung im Vergleich zu den Festangestellten aufgehoben wird. BMW und VW haben in Vorwegnahme dieser Entwicklung 2012 Tausende von Leiharbeitern fest eingestellt. Große HerausforderungenSelbst in der Schweiz, wo der Arbeitsmarkt liberaler ist als in den meisten anderen Industrieländern, erhalten Zeitarbeiter seit Anfang 2012 ebenso wie Festangestellte 13 Monatslöhne, eine Abgeltung von Ferientagen, die fünfte Ferienwoche ab 50 Jahren und so weiter. Sogar Mindestlöhne sind in der Schweiz für Temporärarbeiter nun vertraglich festgelegt.Branchenkenner glauben, dass diese insbesondere von den Gewerkschaften angestrebte Begrenzung des Personalverleihs den großen Vermittlungsfirmen in den kommenden Jahren noch viel Kopfzerbrechen bereiten wird – dies vor allem deshalb, weil es Großfirmen wie Adecco in den vergangen Jahren trotz erheblicher Anstrengungen nicht geschafft haben, stärker in die lukrativere und krisenresistentere Vermittlung qualifizierter Fachkräfte vorzustoßen.Ungeachtet dieser Warnzeichen verkündet Adecco-Chef Patrick de Maeseneire unbeirrt eine Verdoppelung der Betriebsgewinnmarge bis 2015 auf 5,5 % als Ziel. An derlei Verkündungen glauben die Investoren aber längst nicht mehr. Adecco muss sich als Investment Case für die Investorengemeinde neu erfinden. Das ist im gegenwärtigen Umfeld alles andere als einfach.