„Raus aus Aktien, rein in Bonds“
Im Interview: Patrick Hussy
„Raus aus Aktien, rein in Bonds“
Der Geschäftsführer von Sentix Asset Management über die Gefahr bei Tech-Aktien, einen heißen Sommer und grüne Ampeln für Anleihen
Für Aktien liegt aktuell ein negatives Sentiment-Signal vor, erläutert Patrick Hussy, Geschäftsführer der Sentix Asset Management, im Interview der Börsen-Zeitung. Besonders die Konzentration auf wenige Tech-Titel beurteilt er sehr kritisch. Für Bonds stünden die Ampeln hingegen derzeit auf Grün.
Herr Hussy, die von Ihnen bei Investoren gemessenen Sentiment-Indikatoren sind gerade auf der Aktienseite in den Keller gerauscht. Geht bei den Investoren jetzt die Angst um? Was bedeutet dieses extreme Signal?
Ja, das Sentiment ist ähnlich bearish wie zuletzt Mitte April 2024. Ein potenzieller Krieg zwischen Israel und dem Iran lag damals in der Luft. Folglich war es damals richtig, antizyklisch zuzukaufen, was wir in unseren Fonds auch gemacht haben. Das Stimmungsextrem von heute ist jedoch differenziert zu beurteilen. Wir sind heute auf der Verkäuferseite.
Sie messen in Ihrer wöchentlichen Online-Investorenumfrage auch die mittelfristigen Markterwartungen, den strategischen Bias. Wie hat sich denn dieser entwickelt?
Das mittelfristige Vertrauen für Aktien fällt, anders als im April 2024. Ein rückläufiger Bias ist traditionell ein Vorbote für anstehende Verkäufe. Dies ist für uns ein wichtiges Puzzlestück, warum wir das Sentiment-Signal in einem anderen Licht betrachten müssen.
Liegt somit ein negativer Sentiment-Impuls vor? Wie sollten Anleger sich vor diesem Hintergrund am Aktienmarkt verhalten?
Wir sprechen immer dann von einem Sentiment-Impuls, wenn sich das Sentiment stark, also impulsiv verändert und zeitgleich der mittelfristige Anleger-Bias in die gleiche Richtung bewegt. Solch ein Signal tritt meist am Beginn einer neuen Bewegung auf. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass sich das Stimmungskostüm der Anleger abrupt geändert hat.
Die Aktienhausse der vergangenen Monate ist sehr stark durch Technologieaktien, die Magnificent 7, getrieben worden. Wie beurteilt Sentix die Chancen und Risiken dieser Titel?
Wir sehen die Konzentration in diesen wenigen Titeln sehr kritisch. Annähernd 24% der Market Cap vom S&P 500 vereinen sich in fünf Titel. Das ist eine ungesunde Entwicklung, die normalerweise am Ende einer Spekulationsphase auftritt. Zudem fällt auch der Vertrauensverlust bei den Nasdaq-Aktien deutlich größer aus als für den breiteren US-Aktienmarkt.
Sollten Anleger also speziell bei den Mag7 Vorsicht walten lassen, zumal auch für Aktien die saisonal schwierige Phase bevorsteht?
Ja, auf jeden Fall. Das veränderte Saisonmuster sollte man sehr ernst nehmen. Jüngst gab es eine Zäsur im durchschnittlichen Saisonmuster der Volatilität. Ab jetzt werden im durchschnittlichen Verlauf für rund zehn Wochen steigende Kursschwankungen angezeigt, die einen heißen Sommer an den Börsen versprechen.
Konkret: Sollten Anleger Bestände an Tech-Aktien jetzt verkaufen oder ihre Engagements durch Derivate absichern?
Wir haben die Nasdaq-Bestände in unseren Fonds komplett geräumt. Dargestellt werden diese Investments bei uns über Futures. Diese wurden mit hohen Gewinnen veräußert.
Wie beurteilen Sie aus Sentiment-Sicht die Aktienmärkte in Japan und China?
Auch für die asiatischen Märkte beobachten wir diesen Vertrauensverlust. Gerade für China erodiert der Indikator in überraschendem Tempo. Vor allem die institutionellen Anleger teilen diese Erwartung. Demzufolge ist dort Vorsicht geboten. Für Japan gibt es noch den Yen-Faktor zu berücksichtigen. Dieser war in unserem Risikoradar zuletzt stark auffällig. Eine Yen-Aufwertung sollte in jedem Fall eingeplant werden, was der Nikkei-Performance wahrscheinlich nicht so guttun dürfte.
Auch in Euroland fällt der strategische Bias. Ist also auch hier in den kommenden Wochen Vorsicht geboten?
Ja, das Bild dürfte für Europa ähnlich gelagert sein. Im Euro Stoxx 50 haben wir aktuell eine besondere Chartsituation: Fällt die wichtige Unterstützungszone bei 4.800 Punkten, würde sich eine Top-Formation vollenden. Das Verkaufssignal dürfte Risikobegrenzungen auslösen.
Mid und Small Caps wurden in den vergangenen Monaten vernachlässigt. Sind die Aktien kleinerer Unternehmen jetzt für Anleger attraktiv?
Aus Bewertungsgründen dürfte dieses Marktsegment deutlich attraktiver sein. Wir sehen auch einen Dreh im zugehörigen Style-Index, der diese Präferenzen misst. Die Anleger beginnen sich von großen Blue Chips abzuwenden. Der Prozess dürfte aber erst am Anfang stehen und einen längeren Trend begründen. Wichtig für die kommenden drei Monate dürfte aber sein: Wenn die Konjunktur in die Knie geht, dürften auch Small Caps nicht die Ultima Ratio sein. Zwar können dann diese Titel die großen Werte outperformen. Doch eine allgemeine Risk-off-Bewegung würde auch diese Titel nochmals unter Druck setzen.
Im Gegensatz zu Aktien ist der strategische Bias für Euroland-Bonds kräftig geklettert und markiert ein Hoch seit Oktober 2001. Wie bewerten Sie diese Zuversicht?
Bondinvestments sind wieder en vogue. Dies spiegelt der Rekord-Bias recht gut wider. Gleichzeitig richtet sich das Interesse der Anleger sehr stark auf den kurzen Laufzeitenbereich mit einer Restlaufzeit von ein bis drei Jahren. Dort gibt es die höchsten Kupons zu erzielen. Solange die Zinskurve invers ist, dürfte diese Vorliebe auch weiter bestehen. Einen ersten Warnhinweis bekommen wir aber über das Positionierungsverhalten. Die Anleger sind bei den Festverzinslichen deutlich überinvestiert. Das ist so lange kein Problem, bis der Anleger-Bias dreht. Aktuell stehen die Ampeln für Bonds auf Grün.
Sind die Perspektiven am Anleihemarkt also deutlich besser als die am Aktienmarkt?
Definitiv ja.
In Ihrer Umfrage gibt es auch Signale für einen fallenden Ölpreis. Welche Indikatoren deuten darauf hin?
Neben den schwachen Makro-Zahlen gibt es eine besonders auffällige Entwicklung beim Öl: Die Neutralität der Marktteilnehmer war beim Rohöl zuletzt extrem hoch. Das bedeutet, dass viele Investoren keine Marktrichtung antizipieren wollen und sich auf einen Seitwärtsmarkt einstellen. Folglich gibt es dann hohen Anpassungsdruck, sobald ein neues Szenario auf dem Tisch liegt. Wir rechnen folglich mit hoher Volatilität beim Rohöl im zweiten Halbjahr.
Droht eine wirtschaftliche Abschwächung inklusive einer fallenden Inflation?
Dieses Szenario könnte mit fallenden Ölpreisen befeuert werden. Unsere Makro-Analyse zeigt auf jeden Fall in diese Richtung.
Was sind die Konsequenzen für Anleger aus diesem Szenario?
Wir haben uns aufgrund dieser Signale für einen heißen Sommer und Herbst vorbereitet und deutliche Anpassungen in den Portfolios vorgenommen. Ein gutes Risikomanagement ist ab jetzt gefragt. Uns dürfte eine Börsenphase bevorstehen, in der man sich vom Markt positiv abheben kann, wenn man frühzeitig reagiert.
Wie sind Sie auf Basis der Sentix-Indikatoren in den von Ihnen betreuten Fonds positioniert? Haben Sie in den gemischten Portfolien aktuell Aktien untergewichtet und setzen auf Bonds?
Raus aus Aktien, rein in Bonds, so aktuell unsere Devise. Dieses Credo haben wir in unseren Fonds umgesetzt. Die Duration haben wir von geldmarktnah auf über fünf Jahre angehoben. Auf der Aktienseite haben wir uns von einigen Märkten verabschiedet wie Technologie, Japan sowie China und den Rest über Put-Optionen abgesichert. Die Aktienquote haben wir ausgehend von einem neutralen Niveau bei 40% auf nur noch 6% am Fondsvermögen gesenkt. Sollte der Markt ins Rutschen kommen, stabilisieren die Put-Optionen den Fonds. Zudem präferieren wir seit vielen Monaten Edelmetalle. Diese sind mit fast 25% im Fonds extrem hoch gewichtet. Zudem setzen wir auch gezielt auf eine Yen-Befestigung.
Alles in allem fahren wir hier ein sehr akzentuiertes Portfolio.
Das Interview führte Werner Rüppel. Das vollständige Interview lesen Sie auf: www.boersen-zeitung.de