Technische AnalyseBundesanleihen

Renditen in Deutschland am Wendepunkt?

Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen könnte in den kommenden Monaten wieder fallen. Aus technischer Sicht erscheint ein Rücksetzer wahrscheinlich.

Renditen in Deutschland am Wendepunkt?

Technische Analyse

Renditen in Deutschland am Wendepunkt?

Von Frederik Altmann *)

Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen könnte in den kommenden Monaten wieder fallen. Seit Anfang 2022 war die Verzinsung der deutschen Staatsschulden in einem historisch außergewöhnlich steilen Anstieg aus dem negativen Bereich bis auf ein Zwischenhoch im Oktober nach oben gesprungen. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen erreichte letzten Monat bis zu 3,02%.

Zuvor waren die Zinsen in Deutschland rund 15 Jahre lang nahezu stetig gefallen von 4,7% im Juli 2008 bis auf negative −0,91% im März 2021. Zu dieser Zeit erschien die Situation dann geradezu paradox. Die Bundesregierung wurde für das Aufnehmen von Schulden sogar bezahlt, so groß war offenbar das vermeintliche Sicherheitsbedürfnis der Investoren. Erst im Februar 2022 normalisierte sich die Situation wieder und Investoren bekamen für Bundesanleihen wieder eine positive Rendite. Mit rund 3% im vergangenen Monat schnellte diese dann sogar wieder auf das Niveau von 2011.

Rücksetzer möglich

Aus technischer Sicht erscheint ein Rücksetzer bei den Renditen nach diesem atemberaubenden Lauf nun durchaus wahrscheinlich. Im Gegenzug könnten sich Anleger dann wieder über steigende Kurse für Bonds freuen – wegen der inversen Beziehung von Anleihekurs und -rendite.

Historisch ist ein Zinssatz von 3% für deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit zwischen den Jahren 2005 bis 2011 des Öfteren bezahlt worden. Im September 2005 bildete das Renditetief an genau der Schwelle einen Extrempunkt im Chart. Solche Wendepunkte sind in der Chartanalyse immer besonders beachtenswert, weil es auf diesem Preisniveau zu einer einschneidenden Veränderung im Angebot-Nachfrage-Verhältnis kommt. Nachdem die Rendite bis zu diesem Punkt stetig gefallen war, wurde das Niveau von 3% im September 2005 am Markt als „zu günstig“ angesehen. In der Folge drehte das Angebot-Nachfrage-Verhältnis und die Renditen zogen wieder an.

Zum Jahreswechsel 2008/2009 kehrte der Zins der Bundesanleihen wieder auf dieses Niveau zurück und drehte – nach einem Tief bei 2,86% – wieder nach oben. Auch in den Jahren 2010 und 2011 oszillierte die Verzinsung deutscher Staatspapiere mit etwas größeren Schwankungen erneut um 3%, bevor am Markt ein nachhaltig tieferes Zinsniveau ab Mitte 2011 eingepreist wurde. Aus diesem historischen Verlauf resultiert bei einer Rendite um 3% heute ein horizontaler Widerstand.

Auch die psychologische Wirkung der 3-%-Marke als große, runde Zahl ist nicht zu unterschätzen. Beruht doch die Chartanalyse im Allgemeinen auf „typischen Verhaltensweisen“ von Anlegern in bestimmten, wiederkehrenden Situationen und dem massenpsychologischen Hintergrund. Oftmals lässt sich an markanten Niveaus wie beispielsweise der 15.000-Punkte-Marke im Dax oder von 100 Dollar beim Rohölpreis beobachten, dass sich die Preise schwertun solch eine Hürde beim ersten Anlauf zu überspringen. Zumeist kommt es erst einmal zum Abpraller und einer Seitwärtsphase. Entsprechend stellt eine Rendite von 3% für Bundesanleihen auch eine psychologische Hürde dar.

Verkaufssignal in der Markttechnik

Des Weiteren hat der viel beachtete Marktindikator MACD ein Verkaufssignal für die Rendite gegeben. Dieser „Moving Average Convergence Divergence“-Indikator misst das Verhalten verschieden langer gleitender Durchschnitte zueinander und zeigt damit auch eine nachlassende Bewegungsdynamik an. Im unteren Abschnitt des Bildes schneidet zuletzt die rote MACD-Linie die blaue Signallinie des Indikators von oben nach unten. Damit hat die deutsche Rendite ein markttechnisches Verkaufssignal gegeben und das auf aktuell relativ hohem Niveau des MACD. Im Verlauf des Charts kann man sehen, dass ein Schnittpunkt im MACD oftmals mit einem Extrempunkt in der Rendite einhergeht. Der Indikator hat entsprechend oft gute Signale geliefert.

Im – bisher nicht absehbaren – Gegenszenario durchbricht die Rendite die 3-%-Marke und springt mit neuer Dynamik auf ein neues Zwischenhoch über 3,02%. In diesem Fall würde die oben diskutierte Erwartung eines Rücksetzers in den Renditen mit einem neuen Kaufsignal konterkariert. Anleger müssten sich dann auch aus technischer Sicht auf einen neuerlichen Anstieg Richtung 4,70% einstellen. Hier liegt ein Hoch aus dem Juli 2008 als nächster horizontaler Widerstand nach oben. Mit allen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Bundeshaushalt.

*) Frederik Altmann ist Investmentanalyst bei Alpha Wertpapierhandel.