Analysten warnen

Robuster Dollar steht vor unterschätzten Risiken

Der Dollar zeigt sich gegenüber anderen Industrieländerwährungen robust. Doch Analysten sehen unterschätzte Gefahren für den Greenback.

Robuster Dollar steht vor unterschätzten Risiken

Lauernde Gefahren für den Dollar

Aussicht auf anhaltend restriktive Geldpolitik stärkt Leitwährung kurzfristig den Rücken – Streit um Staatsausgaben als unterschätztes Risiko

Von Alex Wehnert, New York

Der Dollar zeigt sich gegenüber anderen Industrieländerwährungen im laufenden Jahr robust. Die Aussicht auf länger anhaltende hohe Zinsniveaus stärkt der Weltleitwährung nach der jüngsten Zinssitzung der Federal Reserve noch den Rücken. Doch Analysten sehen unterschätzte Gefahren für den Greenback.

Das Vertrauen in die fiskalische Stabilität der USA hat im laufenden Jahr erheblich gelitten – die Landeswährung zeigt sich dennoch äußerst robust. Seit Jahresbeginn hat der Dollar-Index, der die Entwicklung des Greenback gegen sechs andere Industrieländerwährungen abbildet, 2,1% an Wert gewonnen. Seit Mitte Juli beträgt der Zuwachs gar mehr als 6%. Denn einerseits sorgte die Einigung im Streit um die US-Schuldenobergrenze in Washington wieder für bullishere Wetten der Deviseninvestoren zur Weltleitwährung. Andererseits hat die Federal Reserve dem Dollar einmal mehr seinen grünen Rücken gestärkt.

Zwar ließ die US-Notenbank den Leitzins bei ihrer Sitzung in der vergangenen Woche unverändert in der Spanne von 5,25 bis 5,5%. Doch der im Vorfeld geäußerten Erwartung vieler Analysten an der Wall Street, dass der Erhöhungszyklus nun beendet sein könnte, erteilten die Währungshüter zugleich eine Absage. Etwa zwei Drittel der Mitglieder des Offenmarktausschusses rechnen damit, dass die Fed bis Jahresende zu einer erneuten Straffung um 25 Basispunkte greifen wird. Zudem gehen die Fed-Vertreter für das kommende Jahr von weniger kräftigen Zinssenkungen aus als zuvor angenommen. Die Aussicht auf ein, gerade im Vergleich zu anderen Industrienationen, anhaltend hohes Zinsniveau in den USA sehen Analysten als starke Stütze für den Greenback.

Lächelnder Dollar

„Die Theorie vom ‚Dollar Smile‘ zeigt hier ihre ganze Gültigkeit“, kommentiert Jack Janasiewicz, leitender Portfoliostratege bei Natixis Investment Managers, die Entwicklung. Der Begriff beschreibt die Stärke des Greenback in zwei unterschiedlichen Szenarien: Entwickelt sich die US-Ökonomie im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften stark, treibt dies den Dollar an. Schwächelt die globale Wirtschaft jedoch und macht sich Risikoaversion breit, erhält die US-Währung als sicherer Anlagehafen ebenfalls Zulauf.

Damit ist der Dollar laut Janasiewicz mittelfristig stark von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone, in der sich zuletzt ein ausgeprägterer Abschwung als in den USA gezeigt habe, sowie in China abhängig. Zugleich sei aber entscheidend, ob der Fed die „weiche Landung“ für die US-Wirtschaft, die Notenbankchef Powell zuletzt erneut als plausibles Szenario bezeichnete, auch tatsächlich gelinge.

Zugleich reagieren auch die Staatsanleihemärkte deutlich auf die Aussicht einer anhaltend restriktiven Geldpolitik: Die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihe schnellte zuletzt auf den höchsten Stand seit 2006, die Verzinsung des zehnjährigen Titels kletterte auf das höchste Niveau seit 2007. Die niedrigen Kursniveaus machen Treasuries nach Ansicht von Analysten damit nun attraktiv.

Die erwartete hohe Nachfrage nach Dollar-Assets trifft dabei mit einer scharfen Angebotsverknappung zusammen. So gehen die Geldmengen M1 und M2, die sich in den USA zwischen Anfang 2020 und dem Frühjahr 2022 beispiellos ausgeweitet hatten, infolge der Zinserhöhungen, des Bilanzabbaus der Fed und damit einhergehender sinkender Bankeinlagen seither im Rekordtempo zurück.

Furcht vor Shutdown

Allerdings halten sich trotz Powells Äußerungen zu einer „weichen Landung“ Sorgen davor, dass die Liquiditätsverknappung die ökonomische Aktivität abwürgen wird. Und es lauern Gefahrenfaktoren, die nicht im Einflussbereich der Fed liegen. Nachdem der Streit um die Schuldenobergrenze die Marktteilnehmer im ersten Halbjahr verunsicherte und die Ratingagentur Fitch veranlasste, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen, treibt nun die Furcht vor einem Shutdown der Regierung die Ökonomen um. Bewilligt der Kongress nicht bis zum 1. Oktober Mittel für das neue Haushaltsjahr, werden wohl hunderttausende Mitarbeiter von Bundesbehörden zwangsbeurlaubt. Ein breiter Shutdown würde das Wirtschaftswachstum laut Goldman Sachs pro Woche um 0,15% bis 0,2% drücken. Die Wirkung wäre damit zwar weniger schwer als bei dem im Frühjahr befürchteten Staatsdefault. Allerdings heben Portfoliomanager die negative Außenwirkung hervor. „Das ist durchaus ein beachtenswertes Risiko, gerade unter Berücksichtigung des jüngsten Downgrades durch Fitch“, unterstreicht Janasiewicz. Die Entwicklung könne das Investorenvertrauen weiter schwächen.

Einer der Kernstreitpunkte besteht dabei wie beim Streit um die Schuldenobergrenze in der Forderung republikanischer Hardliner nach niedrigeren Staatsausgaben. Zuletzt hat die US-Verschuldung erstmals die Marke von 33 Bill. Dollar überschritten, bis Ende des Jahrzehnts dürfte sie gemäß aktuellen Prognosen auf über 50 Bill. Dollar steigen.

Gerade die Schuldenblockade aus dem ersten Halbjahr führt aktuell dazu, dass das US-Finanzministerium in deutlich höherem Ausmaß Kredite aufnimmt als ursprünglich geplant. Doch die Flut an Staatsanleihen droht die Marktteilnehmer zu überfordern, zumal die Liquiditätssituation bei den als Primärhändlern eingeplanten Banken angespannt ist. Die Aussicht auf höhere Zinsen für längere Zeit könnte den Treasury-Markt und damit auch den Dollar also noch vor größere Herausforderungen stellen, als viele Investoren derzeit realisieren.

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