Rohstoffwährungen im Vorteil
Von Martin Hochstein*)
„Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen“ – dieser vom Nobelpreisträger Milton Friedman im Jahr 1970 geprägte Leitspruch des Monetarismus galt anfänglich auch unter Anhängern anderer ökonomischer Denkschulen als konsensfähig. Allerdings geriet die Hypothese im Zeitablauf zunehmend ins Wanken, wenn auch unter geänderten Vorzeichen. Mit dem anhaltenden Unterschießen der Inflationsziele in fast allen Industrieländern erhärtete sich spätestens seit dem Ende der großen Finanzkrise 2008/09 der Verdacht, dass den Notenbanken vor dem Hintergrund des erschöpften Zinssenkungsspielraums und einer keynesianischen Liquiditätsfalle die Kontrolle über den Reflationierungsprozess entglitten sein könnte.
Ein Grund hierfür liegt nicht zuletzt in dem Fokus auf (zu) engen Inflationsdefinitionen und -mandaten. Gerade mit Blick auf Wirksamkeit, Notwendigkeit und Nebenwirkungen der in den vorigen Jahren beispiellos expansiven Geldpolitik gilt: Inflation liegt im Auge des Betrachters! So stand in der abgelaufenen Dekade einer unterdurchschnittlichen Güter- und Dienstleistungspreisinflation ein deutlich überdurchschnittlicher Anstieg der Vermögenspreise gegenüber – eine asymmetrische Reflationierung, die nicht zuletzt durch die Notenbanken selbst gefördert wurde.
Nach Erreichen der effektiven Leitzinsuntergrenze konzentrierte sich die monetäre Stoßrichtung zunehmend auf den sogenannten Portfolioeffekt. Eine quantitative Ausrichtung der Geldpolitik mit weitreichenden direkten Interventionen in den Finanzmärkten – durch Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen oder wie im Fall der Bank von Japan auch Aktien – zielte auf die Verringerung der Risikoprämien über das gesamte Assetspektrum. Dies sollte eine Lockerung der breiten finanziellen Bedingungen mit erhofften positiven Abstrahleffekten auf die Realwirtschaft bewirken. Vermögenspreisinflation wurde in diesem Prozess mithin zu einem faktischen Zwischenziel bei der Verfolgung des güter- und dienstleistungspreisbasierten Inflationsmandats.
So weit, so gut, möchte man sagen, wären da nicht die Risiken und Ungleichgewichte, die sich aus der hierdurch geförderten Entkoppelung von Vermögenspreisen und fundamentalen Rahmenbedingungen ergeben. Der enorme geldpolitische Stimulus seit Ausbruch der Pandemie – angeführt von der Fed, die ihre Bilanzsumme im vorigen Jahr um mehr als 80% ausweitete – hat viele Investoren in dem Glauben an einen universellen Zentralbank-Put als Schutz vor fallenden Assetpreisen bestärkt. Gleichzeitig verlagerte sich in Erwartung eines permanenten Niedrig-/Negativzinsumfelds der Blick weg von extrem niedrigen absoluten Risikoprämien hin zu den vergleichsweise attraktiveren relativen Risikoprämien vieler Assetklassen gegenüber hoch bewerteten Staatsanleihen.
Sollten die Notenbanken nun nachhaltigere Fortschritte bei der Erreichung ihres güter- und dienstleistungspreisbasierten Inflationsziels machen, so droht der asymmetrische Reflationierungsansatz letztlich Opfer seines eigenen Erfolges zu werden. Anziehende Inflationsraten – nicht zuletzt begünstigt durch Basiseffekte und mögliche „Flaschenhalseffekte“ nach Lockerung der Corona-Restriktionen – könnten zusammen mit einem Anstieg der marktbasierten Inflationskompensationen erste Vorboten einer solchen Entwicklung sein. Schon die Erwartung eines daraus möglicherweise resultierenden Auslaufens der geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen durch eine schrittweise Reduzierung der notenbankseitigen Anleihekäufe (neudeutsch „Tapering“) dürfte Aufwärtsdruck auf längerfristige Anleiherenditen ausüben. Zusammen mit einer Refokussierung der Investoren auf absolute Risikoprämien könnte dies zu negativen Übersprungeffekten auf die Risikoassetmärkte führen.
Vor dem Drahtseilakt
Durch die im Frühjahr einsetzende deutliche Beschleunigung der globalen Konjunktur sollte zwar vorerst noch der Rückenwind dominieren. Mit Blick auf den Jahresverlauf droht aber gerade in den USA Ungemach durch eine mögliche Neuauflage des aus dem Jahr 2013 bekannten Taper Tantrum. Im Spannungsfeld einer schrittweisen Beendigung des Coronakrisenmodus und potenziell negativer Reaktionen der liquiditäts- und stimulusabhängigen Finanzmärkte steht den Notenbanken in den nächsten Quartalen ein kommunikativer Drahtseilakt bevor.
Auch im Devisenmarkt ergaben sich spürbare Auswirkungen der monetären Interventionspolitik. Vergleicht man auf Länderebene das Wachstum der engen Geldmenge M1 mit der Entwicklung des jeweiligen handelsgewichteten Wechselkurses, zeigt sich über die vorigen zwölf Monate eine negative Korrelation. Eine vergleichsweise expansive Geldpolitik entfaltete somit über eine schwächere Währung tendenziell den erhofften positiven Impuls auf die breiteren finanziellen Bedingungen. Aufgrund der aggressiven Lockerungspolitik der Fed war hiervon innerhalb der Industrieländer insbesondere der Dollar betroffen. Dieser Effekt sollte sich allerdings in den nächsten Monaten mit zunehmender Fokussierung der Finanzmärkte auf ein mögliches Auslaufen der Fed-Anleihekäufe abschwächen. Vor dem Hintergrund eines uneinheitlicheren Dollar-Trends präferieren wir derzeit zyklische und rohstoffabhängige Währungen mit attraktiver fundamentaler Bewertung und keinem oder nur geringem monetären Gegenwind. Hierzu zählen im G10-Raum die norwegische Krone sowie der kanadische Dollar.
*) Martin Hochstein ist Senior Investment Strategist bei Allianz Global Investors.