Clean-Energy-Fonds

Rückenwind für erneuerbare Energien

Erneuerbare Energien sind an der Börse schwer gefragt. Neben der wachsenden Kosteneffizienz treibt auch die politische Förderung Aktien aus dem Segment an. Gerade unter den Windturbinenherstellern ist aber ein harter Wettbewerb ausgebrochen.

Rückenwind für erneuerbare Energien

In der Straße von Johor liegt die Zukunft der Stromversorgung Singapurs vor Anker. Denn der Energiekonzern Sunseap hat dort Ende März eine der größten schwimmenden Solaranlagen der Welt fertiggestellt. Diese besteht aus mehr als 30 000 Schwimmkörpern, auf denen 13 312 Fotovoltaik-Paneele befestigt sind. In der Spitze soll das Kraftwerk eine Leistung von etwa 5 Megawatt erreichen und pro Jahr über 6 Mill. Kilowattstunden an elektrischer Energie generieren. Der Stadtstaat Singapur mit seinen fast 6 Millionen Einwohnern soll damit modellhaft für die Versorgung großer Metropolen mit Solarstrom werden – in jedem Fall zeigt das ambitionierte Projekt aber auf, welch enorme Bewegung global in das Segment der erneuerbaren Energien gekommen ist.

Denn diese gelten nach wie vor als entscheidendes Instrument, um die im Pariser Klimaabkommen festgehaltenen Ziele zu erreichen. Von staatlicher Seite sind deshalb hohe Subventionen auf dem Weg, die Europäische Union nennt erneuerbare Energien als bevorzugtes Investitionsgebiet für Gelder aus ihrem 750 Mrd. Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds. Indes verfolgt China besonders ehrgeizige Ziele: Die Volksrepublik will bis 2060 CO2-neutral werden. Hinsichtlich des Ausbaus der Solarenergie liegt sie bereits deutlich vor den USA und der EU. Denn in China sollen laut Prognosen des Datendienstleisters BloombergNEF Ende des laufenden Jahres Fotovoltaik-Installationen mit einer Leistung von insgesamt über 335 Gigawatt in Betrieb sein, in den Vereinigten Staaten lautet die Vorhersage auf 112 Gigawatt. Die jährlichen Wachstumsraten nehmen sich aber in nahezu allen großen Weltmärkten äußerst stark aus.

An der Börse erfahren erneuerbare Energien folglich viel Rückenwind: Die Aktie des Solarmodulherstellers First Solar hat zwischen dem Corona-Markteinbruch im März 2020 und Mitte April 2021 um über 130 % zugelegt, beim Konkurrenten Sunpower beläuft sich der Zuwachs gar auf über 650 %. Die Kurse von Windturbinenherstellern wie Vestas Wind Systems und Siemens Gamesa haben sich im gleichen Zeitraum ebenfalls mehr als verdoppelt, während auf erneuerbare Energien fokussierte Aktiv- und Passivfonds gewaltige Mittelzuflüsse verzeichnet haben.

„Im Zuge der Erholung von der Coronakrise sind allerdings auch die Bewertungen vieler Titel aus dem Segment massiv gestiegen“, sagt Malte Kirchner, Senior Institutional Sales Manager bei DNB Asset Management. „Deshalb gilt es, diejenigen Werte sorgfältig herauszufiltern, die noch Aufholpotenzial besitzen. Unter diesem Gesichtspunkt sind insbesondere Zulieferer interessant, die Anbieter von Umweltlösungen ausrüsten“, führt Kirchner aus.

Zudem lohne sich bei einigen Unternehmen, die auf den ersten Blick nicht wie Pioniere in Sachen Klimaschutz aussähen, eine genauere Betrachtung. Wer mit seinen Investitionen einen Impact erzielen wolle, müsse schließlich auch bei anderen Nachhaltigkeitsthemen zum Beispiel in der Chemieindustrie oder Materialwirtschaft ansetzen – denn dort sei die größte Hebelwirkung zu erzielen. Tatsächlich stellt der italienische Versorger Enel mit einer Portfolio-Gewichtung von 6 % die größte Position im DNB Fund Renewable Energy dar. „Das Unternehmen kommt ursprünglich aus der klassischen Kohlestromerzeugung, hat aber in den vergangenen Jahren enorme Anstrengungen hinsichtlich einer grünen Energieversorgung unternommen und gilt innerhalb der Branche inzwischen als Vorreiter“, sagt Kirchner.

DNB ist mit ihrer Strategie in den vergangenen Jahren recht gut gefahren: Mit einer Wertsteigerung von fast 124 % hat der Renewable Energy retail A gegenüber dem S&P Global Clean Energy auf Jahressicht Stand Mitte April eine Outperformance von nahezu 16 Prozentpunkten hingelegt. Auch über fünf und zehn Jahre liegt die annualisierte Performance des Fonds, für den sich die laufenden Kosten auf 1,57 % und der maximale Ausgabeaufschlag auf 5 % belaufen, über dem Vergleichsindex.

Bei anderen Vehikeln ist das Bild weniger einheitlich. Der BlackRock Global Funds – Sustainable Energy Fund beispielsweise hat zwar auf Sicht von zehn Jahren annualisiert eine Outperformance gegenüber dem S&P Global Clean Energy hingelegt und schneidet im laufenden Jahr bisher gut ab. Dagegen lag er sowohl über die vergangenen drei und fünf Jahre als auch auf Jahressicht deutlich unter der Benchmark. Allerdings sind Anleger, die auf erneuerbare Energien setzen wollen, nicht auf Aktivfonds angewiesen, da das Angebot an ETFs mit diesem Fokus in den vergangenen Jahren gewachsen ist. So hat Legal & General Investment Management erst im vergangenen November ein solches Ucits-Vehikel aufgelegt, das bisher auf ein Volumen von rund 70 Mill. Euro kommt.

Schwung für das Segment kommt im laufenden Jahr auch aus Washington. Das Anfang März verabschiedete 1,9 Bill. Dollar schwere Konjunkturpaket der US-Regierung sowie das avisierte neue Infrastrukturpaket dürften nach Kirchners Ansicht dazu beitragen, die Energiewende zu beschleunigen. Insbesondere der Vorschlag, bestehende Steuergutschriften für die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie im privaten Bereich um zehn Jahre zu verlängern, könne sich als wirkungsvoll erweisen und auf die Gesamtwirtschaft ausstrahlen. „Die Biden-Administration will bewusst Industrien grüner und moderner machen, die bisher zur Old Economy gezählt werden“, sagt der DNB-Stratege. „Der Haupttreiber des Booms erneuerbarer Energien ist allerdings nicht das Konjunkturpaket, sondern die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit auf der Kostenseite“, betont Kirchner.

„Wind- und Solarenergie sind in vielen Fällen die günstigsten Anbieter von Energie in einem bestimmten Markt“, unterstreicht auch Alexis Deladerriere, Leiter International Developed Markets Equity bei Goldman Sachs Asset Management. Dies sei ein großer Unterschied zur Situation vor zehn Jahren, als diese Arten von Energie oft subventioniert worden seien, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „In den vergangenen zwei Jahren haben technologische Verbesserungen die Kapazität von Windturbinen um 50 % erhöht“, sagt Deladerriere. Die Kosten seien im abgelaufenen Jahrzehnt damit um 80 bis 90 % gesunken, die Effizienz werde sogar noch zunehmen. Kirchner glaubt ebenfalls an weitere Preisvorteile von Wind- und Solarstrom gegenüber fossilen Energien. Somit dürften auch Volkswirtschaften, die bislang auf fossile Stromerzeugung ausgerichtet seien, auf absehbare Zeit zu einem strukturellen Wandel gezwungen sein.

Allerdings haben sowohl die Coronakrise als auch der Handelsstreit zwischen Washington und Peking strategische Richtungswechsel in der Branche bewirkt. „Nachdem hinsichtlich der Produktion von Wind- und Solarenergielösungen jahrelang ein Offshoring stattgefunden hat, ist jetzt ein Reshoring zu beobachten“, sagt Kirchner – Unternehmen verlagerten ihre Prozesse also wieder stärker in den Heimatmarkt. Angesichts der erheblichen Auswirkungen der Pandemie und internationaler Handelskonflikte auf Lieferketten mit Ausgangspunkt in Asien seien eben die Nachteile einer global integrierten Wirtschaft sichtbar geworden. „Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass sich die Globalisierung vollständig zurückdreht“, sagt Kirchner. Denn gerade im Bereich der erneuerbaren Energien seien die Kostenvorteile vor allem auf die Liberalisierung des Welthandels und die darüber geschaffenen Skaleneffekte zurückzuführen.

Damit die Kohlenstoffdioxid-Emissionen im benötigten Ausmaß zusammenschrumpften, müssten alle großen Volkswirtschaften ihren Anteil tragen. Allerdings seien einige Staaten durch ihre Position als Hochsee-Anrainer oder einen hohen Anteil an Sonnenstunden beim Ausbau erneuerbarer Energien im Vorteil. Dass der DNB Fund Renewable Energy die USA mit 33 % am Portfolio besonders hoch allokiert, liegt laut Kirchner aber eher am hohen Technologieanteil in diesem Markt. „Wir sind auch in Asien investiert, das aufgrund der schieren Größe und der noch verfügbaren niedrigen Bewertungsniveaus interessant ist“, sagt Kirchner. Bei chinesischen Anbietern sollten Anleger aber vorsichtig bleiben. „Einige dieser Unternehmen verfolgen staatlich gelenkte Interessen, die Aktionärsrenditen stehen hingegen weit im Hintergrund“, führt der DNB-Stratege aus.

Mit Xinjiang Goldwind gehöre zwar ein chinesischer Hersteller zu den weltweit größten Windkraftanlagenbauern, dieser sei aber vorrangig lokal aktiv. „Auf Unternehmensebene lässt sich im Windkraftbereich international eine gewisse Konsolidierung beobachten. Das Segment hat sich stark auf die dänische Vestas Wind Systems, die deutsch-spanische Siemens Gamesa und den in diesem Bereich hochaktiven US-Mischkonzern General Electric komprimiert“, sagt Kirchner.

Bei den Analysten ist GE jedenfalls beliebter als die europäischen Spezialisten. Denn während sich die Zahl der Kauf-, Halte- und Verkaufsempfehlungen für deren Aktien laut Bloomberg ungefähr die Waage hält, raten beim US-Konzern 55 % der Analysten zum Einstieg – „Sell“-Vota finden sich in der Datenbank hingegen nicht. Bei GE machen erneuerbare Energien laut den Analysten von Bloomberg Intelligence inzwischen 21 % des Absatzes aus und spielen eine Schlüsselrolle innerhalb der Restrukturierungsbemühungen des Konzerns. Im Onshore-Segment sei das Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren US-Marktführer gewesen, nun wolle es auch seine Bemühungen im wachstumsstarken Offshore-Geschäft ankurbeln.

Im harten Wettbewerb um die Vorreiterrolle bei der Windkraft treffen sich die Konkurrenten mitunter vor Gericht: So hat GE wegen Patentverletzungen Klage gegen Siemens Gamesa eingereicht. Bereits in der Vergangenheit war der diversifizierte US-Konzern in ähnlichen Verfahren gegen Mitsubishi und Vestas erfolgreich, und auch diesmal stehen die Chancen laut Bloomberg Intelligence gut. Statt künftig neue Designs zu verwenden, werde Siemens Gamesa wohl gezwungen sein, einer mehrjährigen Lizenzierungsvereinbarung zuzustimmen.

Technologische Innovationen spielen für den Renewable-Energy-Trend eine bedeutende Rolle – das wird auch in anderen Subsegmenten wie Wasserstoff deutlich. Dieser gilt aufgrund seiner Eignung als Stromspeicher und Energieträger ebenfalls als Baustein für die Nachhaltigkeitswende. „Die Bewertungsniveaus der meisten H2-Titel sind trotz leichter Kursrücksetzer im laufenden Jahr aber einfach zu hoch, zugleich verspricht die Technologie für die Zukunft noch nicht genügend Rentabilität“, schränkt Kirchner ein.

Tatsächlich ist um Wasserstoff-Aktien 2020 ein gewaltiger Hype entstanden, in dessen Zuge die Kurs-Gewinn-Verhältnisse vieler Werte in astronomische Höhen geschnellt sind. Analysten warnen weiterhin vor der hohen Volatilität dieser Titel, die beim im vergangenen Juni zunächst mit großer Furore an der Börse gestarteten und dann stark in Misskredit geratenen US-Lastwagenbauer Nikola besonders deutlich sichtbar wurde. Wenngleich sich andere Titel der Branche, zum Beispiel der norwegische Elektrolysespezialist Nel, solider entwickeln, raten viele Marktstrategen eher zu defensiveren Engagements bei Unternehmen, die mit einzelnen Sparten am Wasserstofftrend partizipieren – darunter Industriegashersteller wie Linde und Air Liquide.

So betont auch Ernst Konrad, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz, im Interview mit rendite auf Seite 30, dass innovative Unternehmen über ein sich selbst tragendes Geschäftsmodell verfügen müssen, um als Investment interessant zu werden. Die Wasserstoff-Strategien, die EU und Bund auf den Weg gebracht haben, sollten daher kein Kriterium für eine Anlage in H2-Aktien sein. Denn innovative Unternehmen müssten die Perspektive besitzen, von staatlicher Förderung unabhängig zu werden. „Sonst stehen Investoren vor dem Problem, dass bei politischen Machtwechseln oder bei einer neuen Agenda Subventionen umverteilt werden und zuvor stark geförderte Industrien plötzlich einbrechen“, sagt Konrad.

Für Anbieter von Wind- und Solarkraftlösungen ist diese Gefahr angesichts der bereits errungenen Kostenvorteile und ihrer Bedeutung für den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitstrend dagegen wohl vernachlässigbar. Somit dürfte das riesige Solarkraftwerk in der Straße von Johor nicht das letzte seiner Art bleiben.