Technische Analyse

Saisonalität: Das erste Halbjahr wird holprig

Der Investmentjahrgang 2023 trotzte allen Herausforderungen und legte per Saldo eine absolute Bilderbuchperformance auf das Börsenparkett. Wie geht es 2024 nun weiter? Neue Long-Signale fallen am Aktienmarkt vor allem in der zweiten Jahreshälfte auf fruchtbaren saisonalen Boden.

Saisonalität: Das erste Halbjahr wird holprig

Technische Analyse

Saisonalität: Das erste Halbjahr wird holprig

Von Jörg Scherer *)

Der Investmentjahrgang 2023 trotzte allen Herausforderungen und legte per saldo eine absolute Bilderbuchperformance auf das Börsenparkett. Mit einem Kurszuwachs von über 50% steht beim Nasdaq-100 sogar die beste 12-Monats-Periode des Jahrtausends zu Buche. Aber auch das Plus von 24% beim S&P 500® kann sich sehen lassen. Wie geht es 2024 nun weiter? Zu Jahresbeginn beleuchten wir dabei vor allem die zyklischen und saisonalen Rahmenbedingungen.

Anderer Betrachtungswinkel

Insbesondere der Dekaden- und der US-Präsidentschaftszyklus, als die wichtigsten beiden Zyklen überhaupt, liefern Anlegerinnen und Anlegern immer wieder einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, denn solche Verlaufsvergleiche liefern oftmals wichtige Hinweise auf mögliche Marktwendepunkte. Unabhängig davon bietet das Herausarbeiten von Phasen mit saisonalem Rücken- bzw. Gegenwind einen echten Mehrwert für Investorinnen und Investoren. Trotz der Prognoseerfolge der letzten Jahre sollten Sie die folgenden Charts niemals 1:1 auf das Jahr 2024 übertragen, sondern stets mit der konkreten charttechnischen Situation abgleichen. Der durchschnittliche Verlauf des „4er Jahres“ – also 1904, 1914, 1924, … bis 2014 – legt für den Dow Jones ein herausforderndes erstes Halbjahr nahe.

Doch der Reihe nach: Im Normalfall starten die US-Standardwerte vielversprechend in das „4er Jahr“. Im Anschluss an einen starken Jahresauftakt kommt es allerdings bis Mitte Mai zu einer Korrekturphase, welche die vorangegangenen Kursgewinne wieder vollständig ausradiert. Das bis dahin gültige Nullsummenspiel bzw. der zyklische Tiefpunkt vom Mai bietet Anlegerinnen und Anlegern dann möglicherweise eine sehr gute Investmentgelegenheit. Schließlich verfügen die Folgemonate über einen deutlichen saisonalen Rückenwind. Unter dem Strich enden neun der insgesamt zwölf auf „4“ endenden Jahre bei den US- Standardwerten mit Kursgewinnen. Historisch betrachtet liegt die Wahrscheinlichkeit für einen steigenden Dow Jones also bei 75%.

Perioden, in denen die beiden bekanntesten Zyklen Hand in Hand gehen, wissen wir besonders zu schätzen. Deshalb suchen wir regelmäßig nach der saisonalen Schnittmenge zwischen Dekaden- und US-Präsidentschaftszyklus. Im kommenden Jahr ist diese zyklische Deckungsgleichheit in einem besonderen Maße gegeben.

Tiefpunkt im Mai

So legt der durchschnittliche Verlauf des Dow Jones in US-Wahljahren ebenfalls ein holpriges erstes Halbjahr nahe. Interessanterweise deutet auch hier der historische Vergleich auf die Ausprägung eines zyklischen Tiefpunktes im Mai hin. Darauf folgt im weiteren Jahresverlauf dann allerdings die klassische Wahlrally (siehe Chart). Die saisonale Stärke – vor allem in der zweiten Jahreshälfte – wird lediglich durch eine typische Septemberdelle unterbrochen und sorgt insgesamt für ein typischerweise konstruktives Wahljahr. Aufgrund beider Zyklen könnte ein schwächeres erstes Halbjahr, gefolgt von einer besseren zweiten Jahreshälfte, zum entscheidenden saisonalen Merkmal des Jahres 2024 werden. Auch im Bereich der Trefferquote ergibt sich eine spannende Übereinstimmung: In 22 von insgesamt 31 Wahljahren fuhr der Dow Jones Kursgewinne ein, d.h. auch im US-Wahljahr liegen die Erfolgsaussichten bei deutlich über 70%.

Wahltermin als Highlight

An dieser Stelle möchten wir noch auf eine weitere wichtige Besonderheit hinweisen. Das dritte Quartal steht normalerweise nicht im Ruf, besonders ertragreich zu sein. Im Gegenteil: Oftmals gestalten sich die Aktienmärkte in den heißen Sommermonaten eher herausfordernd. Im US-Wahljahr erweist sich das dritte Quartal mit einem durchschnittlichen Plus von fast 5% sogar als das Beste. Darüber hinaus ist es die einzige Dreimonatsperiode, welche im US-Wahljahr den Durchschnittsertrag der verschiedenen Quartale schlägt. Mit anderen Worten: Die heißen Sommermonate könnten sich im Jahr 2024 zur positiven Überraschung mausern und den Ausgangspunkt einer klassischen Wahlrally markieren.   

Nach diesen zyklischen Denkanstößen möchten wir für den S&P 500 noch eine absolute Schlüsselmarke hervorheben. Anders als beispielsweise dem Nasdaq 100 oder auch dem heimischen Dax blieb den amerikanischen Standardwerten bisher ein neuer Rekordstand verwehrt – und zwar trotz der eingangs erwähnten Bilderbuchperformance.

Innerhalb der Leitplanken

Charttechnisch hat sich der S&P 500 dabei in jedem der letzten drei Jahre mit der Marke von 4.800 Punkten auseinandergesetzt. An dieser Stelle wird es interessant, denn die Hoch-Tief-Spanne des Jahres 2023 verblieb zusätzlich innerhalb der Schwankungsbreite des Vorjahres. In der Konsequenz entsteht innerhalb der Leitplanken von 2022 ein sog. „inside year“. Bei einem neuen Allzeithoch wären also nicht nur die Hochs der letzten drei Jahre überwunden, sondern auch das besondere Phänomen „inside year“ nach oben aufgelöst. Aber wie gesagt: Neue Long-Signale fallen am Aktienmarkt vor allem in der zweiten Jahreshälfte auf fruchtbaren saisonalen Boden.

*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.

*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.

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