Aktienmarkt

Schweizer Konzerne enttäuschen Investoren

In der Schweiz lässt die aktuelle Berichtssaison erwarten, dass der Aktienmarkt eine unterdurchschnittliche Performance zeigen wird. Schwergewichte wie Roche und Nestlé kommen nicht auf Touren, und positive Überraschungen sind zu selten.

Schweizer Konzerne enttäuschen Investoren

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Schweizer Konzerne enttäuschen Anleger

Berichtssaison lässt eine unterdurchschnittliche helvetische Börsenperformance erwarten

Schweizer Indexschwergewichte wie Roche und Nestlé kommen nicht auf Touren und positive Überra- schungen sind zu selten, als dass sie das ernüchternde Gesamtbild am Aktienmarkt im zweiten Halbjahr wesentlich aufhellen könnten.

dz Zürich

Für die Schweizer war die große internationale Börsenparty in den ersten sechs Monaten des Jahres schon nach der Hälfte vorbei. Nun müssen die Investoren auf dem helvetischen Aktienmarkt in einem generell schwierigeren Umfeld auch für die zweite Jahreshälfte mit einer unterdurchschnittlichen Performance rechnen. Gestützt wird diese pessimistische Prognose durch den Verlauf der aktuellen Berichtssaison, die weit mehr negative als positive Überraschungen hervorgebracht hat.

Die "post earnings announcement drift", im Jargon auch kurz PEAD genannt, ist ein Phänomen, das sich geübte Wellenreiter, die sogenannten Momentum-Investoren, in den Aktienmärkten gern zunutze machen, um kurzfristig überdurchschnittliche Renditen einzufahren.

Das Phänomen ergibt sich aus der empirisch belegten Tatsache, dass Investoren nach der Zahlenvorlage oft unterschätzen, welche Bedeutung Abweichungen von der Konsenserwartung auf den Unternehmenswert haben. Als Folge davon lässt sich beobachten, dass der erste Kursschock im Zug einer negativen oder positiven Ergebnisüberraschung typischerweise über Wochen und Monate hinweg in einer Unter- bzw. Überperformance des Aktienkurses mündet.

Roche in Abwärtsstrudel

Die beiden Finanzmarktforscher Victor L. Bernard und Jacob K. Thomas haben das PEAD-Phänomen Ende der 1980er Jahre erstmals systematisch untersucht und wissenschaftlich dargestellt und dabei auch festgestellt, dass die träge Anpassung der Ergebniserwartung der Investoren im Fall von negativen Überraschungen besonders ausgeprägt ist.

Für den Schweizer Aktienmarkt ist diese Erkenntnis wenig verheißungsvoll. Schon in der ersten Jahreshälfte hatten einige besonders hoch kapitalisierte Konzerne ihre Aktionäre mit wenig erbaulichem Zahlenmaterial enttäuscht beziehungsweise es nicht geschafft, diese aufzuheitern. Das gilt insbesondere für den erfolgsverwöhnten Pharmamulti Roche, dem in den vergangenen zwei Jahren nicht nur der größte Teil seiner phasenweise sehr hohen Einnahmen aus dem Geschäft mit Covid-Tests abhandengekommen ist.

Noch vielmehr leidet Roche aber unter dem Umstand, dass die Konkurrenz den Schweizern in deren Paradedisziplin Onkologie gefährlich nahe gekommen ist. Als Folge davon haben die Roche-Aktien 2022 satte 23% an Wert verloren und die negative Performance hat sich in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres – in einem nota bene positiven Börsenumfeld – fortgesetzt, wenn auch mit vermindertem Tempo (−6%).

Die Vorlage der Semesterzahlen am 27. Juli hat den Abwärtstrend der Roche-Titel freilich nicht gebremst, sondern eher wieder beschleunigt. Den Rückgang des Umsatzes zur Jahresmitte um währungsbereinigt 2% auf knapp 30 Mrd. sfr hatten die meisten Finanzanalysten zwar schon auf dem Zettel, doch dem Zwischenbericht fehlten die positiven Überraschungen, die den Investoren Zuversicht für eine baldige Wende hätten geben können. So gesehen waren die Roche-Zahlen Ende Juli eben doch eine Enttäuschung, welche den Börsenwert des Unternehmens nahe an die Schwelle von 200 Mrd. sfr sinken ließ. Ende 2021 hatte der Börsenwert von Roche noch mehr als 300 Mrd. sfr betragen. Der seither eingetretene starke Rückgang ist ein wesentlicher Teil der Erklärung, dass sich die enttäuschende Performance der Schweizer Börse im vergangenen Jahr in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres fortgesetzt hat. Während der Gesamtmarkt, gemessen am Swiss-Performance-Index, zwischen Januar und Ende Juni um 8,2% zulegte, avancierten die 50 Titel im Euro-Stoxx-Index im Mittel exakt um das Doppelte.

Weil Roche nach wie vor ein Schwergewicht im Schweizer Aktienindex ist, ist auch die jüngste Bestätigung der allzu bedächtigen Entwicklung des Konzerns für den künftigen Verlauf der maßgeblichen Schweizer Börsenindices eine Hypothek.

Noch schwerer wiegt die Leistung von Nestlé (Marktkapitalisierung 276 Mrd. sfr), die im Zug des globalen Inflationsanstieges ebenfalls geeignet ist, die Investoren zu verunsichern. Zwar hat der Konzern zum Halbjahr erneut bewiesen, dass er die Preise erhöhen und so den Umsatz steigern kann. Den Beobachtern entgeht aber nicht, dass der Konzern seit zwölf Monaten laufend Kunden verliert bzw. weniger Volumen unter die Leute bringt. Die Kursentwicklung hat sich auch deshalb in den vergangenen drei Wochen wieder verschlechtert, nachdem sie schon 2022 eine Enttäuschung (−17%) gewesen ist.

Novartis ragt heraus

Innerhalb des SMI-Universums konnten sich in der aktuellen Berichtssaison nur Alcon, Logitech, Partners Group und vor allem Novartis mit einigermaßen eindeutig positiven Überraschungen hervortun. Das dürfte aus heutiger Sicht kaum reichen, um die seit Ende Juni negative Gesamtmarktperformance von gegen 3% wieder in positives Territorium zurückzuführen.

Novartis ist mit einem Börsenwert von 204 Mrd. sfr zwar ebenfalls ein Indexschwergewicht, doch dahinter sind viele mittelgroße Werte wie Lonza, Richemont, Sika, Geberit oder Holcim ins Stottern geraten. Diese Firmen profitierten zuletzt von besonders günstigen Marktbedingungen wie der hohen Nachfrage nach Covid-Impfstoffen, dem Post-Pandemie-Boom im Luxusgütergeschäft oder dem langjährigen Tiefzinsumfeld, das die Baukonjunktur länger als erwartet in Schwung gehalten hatte. Andere Konzerne wie ABB, Kühne+Nagel oder auch die Versicherer Zurich und Swiss Re vermögen die hohen Erwartungen der Investoren aktuell zwar immer noch zu erfüllen, aber mit dem Ausweis von Sollwerten erhält der Markt nicht jene Impulse, die er in dem schwieriger werdenden Umfeld brauchen würde, um wieder nach vorne zu kommen.

Schweizer Indexschwergewichte wie Roche und Nestlé kommen nicht auf Touren und positive Überraschungen sind zu selten, als dass sie das ernüchternde Gesamtbild am Aktienmarkt im zweiten Halbjahr wesentlich aufhellen könnten.

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