GELD ODER BRIEF

Starker Rückenwind für Turbinenbauer Gamesa

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 4.12.2015 Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist wieder oben auf der politischen Agenda in Spanien, nicht allein wegen des Weltklimagipfels dieser Tage in Paris. Die Parteien versprechen vor den...

Starker Rückenwind für Turbinenbauer Gamesa

Von Thilo Schäfer, MadridDer Ausbau der erneuerbaren Energien ist wieder oben auf der politischen Agenda in Spanien, nicht allein wegen des Weltklimagipfels dieser Tage in Paris. Die Parteien versprechen vor den Parlamentswahlen am 20. Dezember massive Investitionen in den Ökostrom. Das Land galt lange Zeit als Vorreiter dieser Zukunftstechnologien, bis die Subventionen in der Krise radikal zusammengestrichen wurden. Auch für Gamesa war dies der Beginn einer Neuausrichtung. Der Konzern trennte sich von der Solarenergie und setzte fortan alles auf den Bau von Windturbinen. Gleichzeitig wurde die internationale Expansion forciert.Heute erntet das Unternehmen aus dem Baskenland die Früchte dieser Strategie. Mit einem Kursanstieg von über 110 % seit Jahresbeginn ist Gamesa der unangefochtene Spitzenreiter des Ibex 35. Nach einem Zwischentief von 11 Euro im Sommer ist die Aktie zuletzt stetig gestiegen und schloss am Donnerstag bei 16,11 Euro, womit der Marktwert des Konzerns derzeit bei 4,5 Mrd. Euro liegt. Der Höhenflug von Gamesa steht in krassem Gegensatz zu Abengoa, einem der weltweit führenden Solarenergiebetreiber, dessen Aktie in den letzten zwei Wochen abgestürzt ist und aus dem Ibex ausgeschlossen wurde. Abengoa hatte sich bei seiner raschen, kreditfinanzierten Expansion im Ausland offenbar verhoben. Der Windturbinenhersteller ging dagegen weit vorsichtiger zu Werke. Die Nettoverschuldung von Gamesa lag Ende September bei 70 Mill. Euro, ganze 238 Mill. Euro weniger als ein Jahr zuvor. Für die Analysten von N+1 Equities ist Gamesa “ein gut geführtes Unternehmen mit einer starken Stellung am Markt, guten Wachstumsaussichten und einer soliden Bilanz”. Gewinnsprung im QuartalIn der Tat gab die Vorlage der Quartalszahlen im November dem Kurs weiteren Auftrieb. In den ersten neun Monaten des Jahres stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 30 % auf 2,53 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 90 % auf 235 Mill. Euro, und der Reingewinn verdoppelte sich auf 126 Mill. Euro. In den vergangenen zwölf Monaten wurden Verträge für die Installation von 3900 Megawatt abgeschlossen, was im Rahmen des Strategieplans 2015 bis 2017 liegt.Abgesehen vom Wertanstieg können sich die Aktionäre von Gamesa in diesem Jahr auch wieder über eine Dividende freuen, nachdem sie nach 2012 im Zuge der Sanierung ausgesetzt worden war. Für die Zukunft verspricht der Konzern eine Ausschüttung von mindestens 25 % des Gewinns. Hauptaktionär und strategischer Partner ist mit knapp 20 % der Anteile Iberdrola, der führende unabhängige Stromversorger Spaniens, dessen Sitz unweit der Zentrale von Gamesa in Bilbao liegt. Die weiteren wichtigen Teilhaber sind Norges Bank und Dimensional Fund mit jeweils rund 3 %.Im vergangenen Juni präsentierte Gamesa den Strategieplan 2015 bis 2017. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld für die Branche hat sich nach Worten des Vorsitzenden Ignacio Martín deutlich verbessert gegenüber dem vorherigen Zweijahresplan, bei dem es allein “ums Überleben” ging. Der Konzern stellt ein zweistelliges Umsatzwachstum in Aussicht. Das Ebit soll bis 2017 verdoppelt werden und eine Marge von mehr als 8 % aufweisen. “Auch wenn diese Ziele sehr ehrgeizig erscheinen – sie würden eine Erhöhung des Weltmarktanteils von 4,7 % auf 6,5 % bedeuten -, glauben wir, dass sie übertroffen werden können, dank der exklusiven geografischen Aufstellung, bei der Gamesa gegenüber den Rivalen besser abschneidet”, urteilen die Analysten von Banco Sabadell. Analysten zuversichtlichDer Windkraftkonzern zielt vor allem auf das enorme Wachstumspotenzial in den Schwellenländern ab, wo sich die Spanier bereits eine solide Position erarbeitet haben. In Indien ist Gamesa Marktführer. Erst Anfang November wurden Verträge für zwei neue Windparks mit einer Kapazität von 200 MW abgeschlossen. Indien ist mit 28 % des Umsatzes der wichtigste Markt des Unternehmens. Dahinter folgt Lateinamerika, das ein Viertel des Geschäftsvolumens ausmacht. In Mexiko und Brasilien gehört der Konzern zur Spitze. In China erzielt Gamesa 15 % seines Umsatzes. Es ist zu erwarten, dass vom Klimagipfel in Paris neue Impulse zum Ausbau erneuerbarer Energien ausgehen werden und sich die Industriestaaten auf massive Hilfen für Schwellen- und Entwicklungsländer einlassen könnten.Doch auch in den reiferen Märkten sieht Gamesa Chancen, darunter in der spanischen Heimat, wo nach den drastischen Kürzungen das Interesse der Politik für Ökostrom wieder gewachsen ist. Des Weiteren plant der Konzern, seine Geschäftsfelder zu erweitern, und überlegt, wieder in die Solarenergie einzusteigen. Im Kerngeschäft mit Windturbinen machen die Basken ebenfalls Fortschritte. Vor kurzem wurde ein neuer Generator vorgestellt, der auch bei schwächeren Winden Strom erzeugen kann. Gamesa baut auf stabilere regulatorische Rahmenbedingungen. Die Regulierung stellt für die Branche eines der wesentlichen Risiken dar.Die Frage, die sich die Anleger nun stellen, ist, ob nach der eindrucksvollen Rally die Gamesa-Aktie bereits ihre Obergrenze erreicht hat. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 30 liegt Gamesa über dem Branchenschnitt und den unmittelbaren Konkurrenten wie der dänische Vestas oder Nordex aus Deutschland. Nach Reuters-Daten empfehlen derzeit zwölf Analysten den Kauf der Aktie, acht stufen sie mit “Halten” oder “Underperform” ein, einer rät zum Verkauf.Noch im Sommer lagen die Kursziele der meisten Analysten klar unterhalb des aktuellen Kurses. Zuletzt haben die Experten ihre Prognosen angehoben. Sie sehen die Aktie nun bei 17 Euro und, im Fall von Société Générale, sogar bei 19 Euro. Goldman Sachs liegt mit einem Kursziel von 18 Euro in der Mitte. Der Markt unterschätze die potenzielle Nachfrage für Windturbinen, da der verstärkte politische Impuls und die Unsicherheiten durch die Ausschläge der Rohölpreise nicht ausreichend berücksichtigt würden, schreibt die Bank.