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Starkes Wachstum beflügelt Osteuropa-Bonds

Bei Staatsanleihen aus Mittel- und Osteuropa gibt es 2023 eine klare Trendwende. Denn es zeichnet sich zunehmend ab, dass die Sorgenkinder des letzten Jahres sowohl im aktuell rezessiven Umfeld als auch mit Blick auf das nächste Jahr mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten auftrumpfen können.

Starkes Wachstum beflügelt Osteuropa-Bonds

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Starkes Wachstum beflügelt Osteuropa-Bonds

Von Sophia Oertmann *)

Wer Volatilität im Staatsanleihesegment sucht, konnte sie im letzten Jahr vor allem bei den mittel- und osteuropäischen (MOE) Emittenten finden. Denn nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hätten die Aussichten für die MOE-Staaten kaum düsterer sein können. Angesichts enger Handelsbeziehungen zu Russland, einer hohen Abhängigkeit von russischen Energieimporten und industrielastigen Wirtschaftssektoren wurden sie schnell zu europäischen Sorgenkindern erklärt. Dementsprechend weiteten sich auch die Risikoaufschläge der in Euro denominierten Staatsanleihen des MOE-Segments gegenüber laufzeitkongruenten Swap-Sätzen (Asset-Swap-Spread, ASW-Spread) rasant aus. Die ASW-Spreads erreichten im Herbst mit der Sorge vor einem möglichen Einsatz atomarer Waffen im Krieg in der Ukraine zyklische Höchststände.

Klare Trendwende

Im bisherigen Jahresverlauf wird jedoch eine klare Trendwende sichtbar – die ASW-Spreads des MOE-Segments befinden sich auf einem nahezu kontinuierlichen Einengungspfad. Denn es zeichnet sich zunehmend ab, dass die Sorgenkinder des letzten Jahres sowohl im aktuell rezessiven Umfeld als auch mit Blick auf das nächste Jahr mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten auftrumpfen können.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt vor allem in der schnellen Anpassungsfähigkeit. Zwar brachen die Exporte der offenen MOE-Volkswirtschaften nach Russland 2022 deutlich ein, allerdings konnte dieser Rückgang durch Exportsteigerungen in andere Märkte wieder wettgemacht werden. So befindet sich der deutsche Handel mit Mittel- und Osteuropa auf einem neuen Höchststand. Der Handelsumsatz mit zahlreichen MOE-Staaten legte 2022 im zweistelligen Prozentbereich zu. Der stärkste Zuwachs wurde mit gut 20% beim Euro-Neuling Kroatien verzeichnet. Auch die Leistungsbilanzdefizite, die sich im vergangenen Jahr nochmals deutlich verschärft hatten, bauen sich angesichts gesunkener Energiepreise wieder etwas ab.

Deutschland abgeschlagen

Damit ist es der Mehrheit der MOE-Staaten gelungen, die vergangenen Krisenjahre mit einer im europäischen Vergleich überdurchschnittlichen Wachstumsdynamik zu durchlaufen. Lässt man Irland außen vor, konnten Polen, Kroatien, Slowenien, Litauen, Ungarn und Rumänien zwischen 2019 und 2022 ein stärkeres reales Wirtschaftswachstum erzielen als die meisten westeuropäischen Staaten. Weit abgeschlagen liegen auf den hintersten Plätzen mit Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien ausgerechnet die vier größten Volkswirtschaften der Eurozone.

Die deutliche Aufhellung der wirtschaftlichen Lage setzte somit den Einengungstrend bei den Risikoaufschlägen der MOE-Staatsanleihen in Gang. Besonders ausgeprägt war dieser Spreadrückgang wegen der höheren Ausgangsniveaus bei den bonitätsschwächeren Emittenten Ungarn und Rumänien. Dennoch weisen rumänische Eurobonds weiterhin Renditeniveaus von rund 6% bei zehnjährigen Laufzeiten auf und übertreffen damit die meisten anderen Euro-denominierten Staatsanleihen.

In der Gruppe der bonitätsstärkeren MOE-Emittenten ist es derweil zu einer zunehmenden Homogenisierung gekommen. Bei Anleihen mit einer Restlaufzeit von durchschnittlich sieben Jahren haben sich die ASW-Spreads von Litauen, Lettland, Kroatien und der Slowakei rund um 50 Basispunkte eingependelt. Lediglich slowenischen und polnischen Anleihen ist es jüngst gelungen, sich mit noch stärkeren Spread-Einengungen etwas gen Süden abzusetzen. Zwar ist für den ASW-Spread polnischer und slowenischer Titel die Nulllinie bislang nicht wieder erreichbar, allerdings wurde diese 2021 auch unter einem nicht vergleichbaren geldpolitischen Umfeld tangiert.

Positive Gesamterträge

Für Anleger bedeuteten die fallenden Risikoaufschläge im bisherigen Jahresverlauf positive Gesamterträge (Total Return). Auf den ersten beiden Plätzen liegen Rumänien und Ungarn, die neben Spread-Einengungen auch die höchsten Carry-Erträge vorweisen können und damit bei Anlegern sehr gefragt waren. Es folgen Slowenien, Kroatien und Polen, die trotz niedriger Ausgangsniveaus bei den Spreads dennoch mit weiteren Einengungen glänzen konnten und damit positive Gesamterträge erzielten. Die Schlusslichter sind im bisherigen Jahresverlauf die Slowakei, Litauen und Lettland, deren Total Return zum Teil nur knapp im positiven Prozentbereich liegt.

Aufgrund der geopolitischen Risiken durch die gemeinsame Grenze zu Belarus und Russland sowie der zuletzt relativ schwachen Total-Return-Performance notieren litauische und lettische Anleihen noch mit deutlichen Aufschlägen gegenüber im Rating vergleichbaren Staaten Westeuropas. Ohne eine Ausweitung des Kriegsgeschehens in der Ukraine auf weitere Landesteile dürfte diese Unsicherheitsprämie am Markt jedoch schrittweise ausgepreist werden. So beträgt die Renditedifferenz zwischen zweijährigen litauischen und slowenischen Papieren aktuell mehr als 100 Basispunkte. Gleichzeitig liegt der höchste Punkt auf der litauischen Renditekurve des internationalen Anleihesegments bei einer Laufzeit von zwei Jahren bei rund 4,4% und damit etwa 60 Basispunkte über der längsten Anleihe mit einer Restlaufzeit von 28 Jahren. Sowohl die Erwartung des baldigen EZB-Zinsgipfels als auch das kurzfristig höhere geopolitische Risiko tragen zu diesem auffälligen Kurvenverlauf bei, der sich perspektivisch jedoch normalisieren sollte.

Bei Kroatien, Slowenien und Polen erachten wir die jüngsten Spread-Einengungen hingegen als weitestgehend ausgereizt. Schließlich notieren kroatische Eurobonds auf einer ähnlichen Spread-Ebene wie das Baltikum, das eine wesentlich bessere Bonitätseinschätzung vorweisen kann. Slowenische Anleihen fügen sich mit Blick auf das Rating- und Spread-Profil im Vergleich zu den westeuropäischen Emittenten zwischen Belgien und Spanien ein, sodass der Status als MOE-Emittent in diesem Fall nicht mit einem Rendite-Pickup einhergeht. Dennoch dürften insbesondere slowenische Eurobonds für Investoren ein interessanter Safe-Haven innerhalb des MOE-Segments bleiben. Dabei haben sie auch vom zuletzt vergleichsweise schwächeren Abschneiden slowakischer Eurobonds profitiert. Nachdem die Staatsanleihen beider Länder für lange Zeit nahezu gleichauf notierten, haben die politischen Turbulenzen in der Slowakei und die Ungewissheit rund um die Parlamentswahl am 30. September zuletzt zu einer klaren Underperformance im Vergleich zu slowenischen Papieren geführt.

Erhöhte Volatilität

Für das MOE-Staatsanleihesegment und insbesondere litauische und lettische Titel lässt sich damit festhalten, dass die Spread-Volatilität erhöht bleiben dürfte, solange sich keine nachhaltige Lösung im Krieg in der Ukraine abzeichnet. Sofern sich Anleger für einen Einstieg bei mittel- und osteuropäischen Staatsanleihen entscheiden, ist ein langer Atem womöglich nötig, um zwischenzeitlichen Rückschlägen zu trotzen.

*) Sophia Oertmann ist Analystin für Staatsanleihen bei der DZ Bank.

*) Sophia Oertmann ist Analystin für Staatsanleihen bei der DZ Bank.

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