Streit um Schuldenlimit erhöht Nervosität am US-Bondmarkt
Unruhe am US-Bondmarkt
Schuldenstreit in Washington sorgt für hektische Emissionsaktivität
xaw New York
Der Schuldenstreit in den Vereinigten Staaten stimmt die Bondakteure nervös. Dies zeigt sich insbesondere am Primärmarkt für US-Anleihen mit Investment-Grade-Rating: Zahlreiche Unternehmen ziehen derzeit Transaktionen vor, da sie für die kommenden Monate ökonomische Verwerfungen und in der Folge ein stark eingetrübtes Emissionsumfeld fürchten.
Gemäß Daten des Dienstleisters Pitch Book haben die Volumina allein in der dritten Maiwoche fast 60 Mrd. Dollar erreicht, nachdem sie sich im gesamten April auf nur 66 Mrd. Dollar summierten. Zusammengenommen haben US-Unternehmen mit hoher Bonität im laufenden Monat schon jetzt in mehr als doppelt so hohem Umfang Anleihen begeben wie im Mai 2022. Gleich am Monatsersten konnten die Investoren auf elf Emissionen aus dem Investment-Grade-Bereich bieten.
Insbesondere US-Finanzministerin Janet Yellen sorgte Anfang des Monats mit der Aussage für Unruhe, die Vereinigten Staaten könnten bereits zum 1. Juni zahlungsunfähig werden, sollte der Kongress die Schuldenobergrenze nicht anheben. Bisher lag das Limit für die Mittel, die sich der Staat über Wertpapiere der Treasury leihen darf, bei 31,4 Bill. Dollar – dieser Wert wurde bereits im Januar erreicht. Führende Vertreter der republikanischen Partei fordern im Gegenzug für ihre Zustimmung zu einer höheren Schuldenobergrenze unter anderem eine Einschränkung der Staatsausgaben.
Ressourcen gebunden
Am Montagnachmittag (Ortszeit) trafen US-Präsident Joe Biden und der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, zu neuen Verhandlungen zusammen. Doch Analysten warnen davor, dass der Schuldenstreit auch dann schwerwiegende Folgen haben dürfte, wenn die Vereinigten Staaten einen Default abwenden. Schließlich hat die monatelange Unsicherheit Ressourcen des Finanzministeriums gebunden, das zuletzt über außerordentliche buchhalterische Maßnahmen sicherstellen musste, dass der Staat seinen Verpflichtungen noch nachkam.
Zudem hat der Schuldenstreit dazu geführt, dass die Renditen kurzfristig fällig werdender US-Staatsanleihen zuletzt angezogen haben. Mit steigenden Verzinsungen am kurzen Ende der Kurve gehen indes weiter anziehende Sorgen vor einer schweren Rezession und einem noch schwierigeren Finanzierungsumfeld für Unternehmen einher.
Dabei ist die Furcht vor einer scharfen ökonomischen Eintrübung ohnehin hoch. Einerseits sind großvolumige, zur Hochphase der Corona-Pandemie aufgelegte Stimulusprogramme ausgelaufen oder laufen noch aus, andererseits haben die Effekte der harten Zinserhöhungen der Federal Reserve seit dem vergangenen Frühjahr für eine Liquiditätsverknappung an den Finanzmärkten gesorgt. Dies sorgte zuletzt für Turbulenzen im Bankensektor und den Kollaps dreier regionaler Geldhäuser.
Der Drang der Bondmarktakteure, noch vor einem drohenden konjunkturellen Einbruch aktiv zu werden, zeigt sich laut Analysten auch an einzelnen großen Deals. Pfizer kündigte zur Finanzierung der 43 Mrd. Dollar schweren Übernahme des Krebsmedikamente-Spezialisten Seagen, die der Pharmakonzern bis spätestens 2024 abschließen will, Mitte Mai den viertgrößten US-Unternehmensanleihedeal aller Zeiten an. Die Emission aus acht Tranchen kommt auf ein Gesamtvolumen von 31 Mrd. Dollar.