Talfahrt an den Aktienmärkten beschleunigt sich
Talfahrt an den Aktienmärkten beschleunigt sich
Erdrutschartige Verluste in Tokio – US-Technologiewerte geraten erneut unter Druck – Flucht der Anleger in sichere Häfen – Bitcoin gemieden
Erdrutschartige Verluste an der Tokioter Börse haben für eine Beschleunigung der Talfahrt an den globalen Aktienmärkten gesorgt. US-Technologiewerte bauten ihre Verluste aus. Anleger flohen in sichere Häfen wie Staatsanleihen, den Yen und den Franken. Unter die Räder kamen auch die Kryptowährungen.
ku/mf/kjo Frankfurt
Der Kurssturz am japanischen Aktienmarkt sowie die Angst vor einer Rezession in den USA haben am Montag für Turbulenzen an den europäischen und amerikanischen Finanzmärkten gesorgt. Nachdem der japanische Leitindex um 12,4% abstürze und damit seinen schwächsten Handelstag seit 1987 verzeichnete, eröffneten auch die europäischen Börsen und später die Wall Street mit deutlichen Verlusten. Gemieden wurden Risiko-Assets, es fand eine umfassende Rotation in sichere Anlagen statt. Händler sprachen von einem „schwarzen Montag“ insbesondere an den asiatischen Märkten.
Der Dax kam auf einen Tagesverlust von 1,8% auf 17.339 Punkte. Der Index hat binnen eines Monats damit fast 7% eingebüßt und kommt für das Gesamtjahr nur noch auf ein knappes Plus von 3%. Der Euro Stoxx 50 büßte am Montag 1,6% auf 4.565 Zähler ein. Zu den Verlierern gehörten unter anderem die Finanzwerte. So verbilligten sich Deutsche Bank um 2,6% auf 12,84 Euro und Commerzbank um 2,4% auf 13,29 Euro.
Intel erneut schwach
Im frühen Handel an der Wall Street kam der wichtigste US-Benchmark-Index S&P 500 auf ein Minus von rund 2,4%. Binnen eines Monats hat er nun mehr als 6% eingebüßt. Schwach zeigten sich erneut die großen Technologiewerte. So ermäßigten sich Nvidia um rund 5%, zeitweilig stand sogar ein Verlust von 12% zu Buche. Bloomberg hatte berichtet, bei dem neuen Grafikprozessor B200 gebe es Verzögerungen, was allerdings später von Nvidia dementiert wurde. Nach den erdrutschartigen Verlusten vom Freitag zeigten sich Intel erneut schwach, sie rutschten im frühen Handel um mehr als 5% ab. Im bisherigen Jahresverlauf ergibt sich damit ein Kursverlust der Aktie von ungefähr 60%. Microsoft ermäßigten sich um rund 2%, in einem Monat ist damit ein Kursverlust von fast 15% aufgelaufen.
Japans wichtigste Aktienbarometer erlebten am Montag den prozentual gerechnet zweitgrößten Ausverkauf seit dem Schwarzen Montag im Oktober 1987. Der Nikkei 225 brach um 12,4% und der breiter gefasste Topix um 12,2% ein. Die Derivate-Börse in Osaka musste vorübergehend den Handel mit Nikkei 225- und Topix-Terminkontrakten aussetzen, als der Absturz sich beschleunigte. Der Topix steht nun auf dem gleichen Stand wie am Jahresanfang, beim Nikkei sind es 6% weniger.
Toxische Mischung
Eine toxische Mischung schürte den Ausverkauf: auf der einen Seite Angst vor einer US-Rezession mit Tech-Aktieneinbruch und einem umfassenden Krieg in Nahost, auf der anderen Seite die rasante Auflösung von Carry Trades, bedingt durch die Aufwertung des Yen. „Der Rückgang ist nicht wirklich auf japanspezifische Gründe zurückzuführen“, meinte Nomura-Stratege Naka Matsuzawa.
Die größten Verlierer waren Finanz- und Tech-Aktien. Die größte Finanzgruppe Mitsubishi UFJ sackte um 17,8% ab, die Branchenzweite Sumitomo Mitsui um 15,5% und Mizuho Financial Group um 19,7%. Die größte Investmentbank Nomura verlor 18,6%. Exporteure litten unter dem stärkeren Yen: Toyota stürzte um 13,7% und Nintendo um 16,5% ab. Bewertungszweifel bei Tech-Aktien trafen etwa Softbank Group (−18,7%) und Tokyo Electron (−18,5%).
Japan spricht von „Ueda-Schock“
Der Ausverkauf hatte bereits am Freitag begonnen, nachdem Notenbankchef Kazuo Ueda am Vortag nach der Leitzinsanhebung auf 0,25% überraschenderweise weitere schnelle Erhöhungen in Aussicht gestellt hatte. Damit stärkte Ueda die japanische Währung und beschleunigte die Rückabwicklung von Carry Trades. Dabei verkaufen internationale Anleger US-Wertpapiere, um die niedrig verzinsten Yen-Kredite zurückzuzahlen, mit denen sie den Kauf dieser Papiere finanziert hatten.
Die daraus resultierende Aufwertung des Yen drückt wiederum die Erträge japanischer Exporteure. Im Schnitt sinkt ihr Betriebsgewinn um je 8% für einen Rückgang von je 10 Yen im Wechselkurs Dollar/Yen. Diese Aussicht löst wiederum Aktienverkäufe aus.
Im Gefolge der Tokioter Börse zeigten sich auch andere asiatische Märkte schwach. Der koreanische Kospi fiel am Montag um 8,8% zurück, der Index der Börse Taipeh um 8,4%.
Hoch gewichteten die Anleger sichere Häfen, die damit das Spiegelbild der Entwicklung an den Aktienmärkten lieferten. Gefragt waren etwa die Bundesanleihen. Die zehnjährige Bundrendite fiel nach 2,16% am Freitag bis auf ein Tagestief von 2,07% – der niedrigste Stand seit gut anderthalb Jahren. Die Marke von 2% kam damit zum Greifen nah. Später nahmen die Anleger aber Gewinne mit, so dass die zehnjährige Bundrendite abends bei 2,18% war. Aber auch die Kurzläufer waren gefragt. Die zweijährige Bundrendite fiel bis auf 2,15% nach 2,34% am Freitag (abends: 2,34%). Aber auch bei den Langläufern des Bundes mit 30 Jahren Laufzeit griffen die Anleger zu. Ebenfalls die US-Staatsanleihen waren bei den Anlegern begehrt, so dass auch hier die Renditen den Rückwärtsgang einlegten. Die zweijährigen US-Papiere fielen bis auf 3,65% Die zehnjährigen US-Renditen lagen im Tagestief bei 3,67%. Damit war die US-Zinskurve erstmals seit Juli 2022 nicht mehr invers. Flucht in Sicherheit war auch an den Devisenmärkten zu beobachten. Angesteuert wurde etwa der Schweizer Franken. Für einen Euro mussten zeitweise nur noch 0,9212 Franken bezahlt werden. Die Schweizer Währung handelte damit auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 2015. Abgestoßen wurden dagegen die Kryptowährungen, die unter die Räder kamen. Bitcoin wies abends einen Verlust von 12,7% aus und notierte mit 54.625 Dollar. Ether wurde mit 2.444 Dollar gehandelt und lag damit 18,9% tiefer als am vorigen Freitag.
Öl trotz Kriegsgefahr billiger
Trotz einer derzeit extrem hohen Kriegsgefahr in der gesamten Region rund um den Persischen Golf hat der Ölpreis weiter nachgegeben. Händler verwiesen auf Sorgen der Marktteilnehmer hinsichtlich des weltweiten Verbrauchs angesichts der aufgekommenen Rezessionssorgen. Die führende Sorte Brent Crude verbilligte sich um 0,7% auf 76,19 Dollar je Barrel. Sollte es jedoch zu einem Krieg zwischen Israel auf der einen Seite und dem Iran auf der anderen Seite kommen, wird am Markt allgemein mit einem starken Preissprung gerechnet.
Presseberichten zufolge sei in Israel sogar zeitweise über einen Präventivangriff auf den Iran nachgedacht worden. Dies hatte die Tageszeitung „Times of Israel“ berichtet.