LEITARTIKEL

Trumps Gegen-Opec

Im bisherigen Jahresverlauf hat der Ölpreis bereits deutlich zugelegt, und zwar um rund 20 % für die führende Nordseesorte Brent Crude. Dafür gibt es gute Gründe. So produziert das Kartell der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) so wenig...

Trumps Gegen-Opec

Im bisherigen Jahresverlauf hat der Ölpreis bereits deutlich zugelegt, und zwar um rund 20 % für die führende Nordseesorte Brent Crude. Dafür gibt es gute Gründe. So produziert das Kartell der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) so wenig wie seit vier Jahren nicht mehr, was für eine anhaltende Reduzierung der Lagerbestände in den Industrieländern sorgen dürfte. Konjunkturell kündigt sich zwar weltweit eine deutliche Abkühlung an, es gibt aber auch Entwicklungen, die dem entgegenwirken: So gehen viele Marktbeobachter davon aus, dass sich die USA und China auf ein Ende ihres Handelsstreits einigen werden. Dies würde die negativen konjunkturellen Auswirkungen einer weiteren Verschärfung des Streits vermeiden und damit den globalen Ölverbrauch tendenziell hochtreiben.Damit stellt sich die Frage, ob die Opec und mit ihr verbündete Länder wie Russland in der Lage sind, den Ölpreis weiter nach oben zu hieven, ob also mit einer Fortsetzung der Öl-Hausse zu rechnen ist. Ist also ein Ölpreis von nachhaltig 70 Dollar je Barrel oder darüber in den Karten?Danach sieht es derzeit eher nicht aus, und zwar aus politischen Gründen. Der Ölpreis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten oft als ein politischer Preis erwiesen, was auch derzeit der Fall sein dürfte. Aktuell fordert US-Präsident Donald Trump die Opec in regelmäßigen Abständen dazu auf, den Ölpreis zu senken – mit Blick auf seine Chance auf Wiederwahl in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen des Jahres 2020. Da er seine Angriffe bislang aber nur per Twitter vorträgt, sind sie wirkungslos – die Opec unter Führung Saudi-Arabiens glaubt es sich leisten zu können, die Appelle Trumps zu ignorieren.Es gibt jedoch zwei Initiativen der US-Politik, die unterstreichen, dass es Washington durchaus ernst meinen könnte. Denn sowohl Republikaner als auch Demokraten sind auf den Zuspruch der Wähler vor allem aus der amerikanischen Mittelschicht angewiesen, die in den vergangenen Jahrzehnten ökonomisch immer stärker an die Wand gedrückt wurde. Entlastung beim wichtigen Kostenfaktor Energie käme also vor den Wahlen gerade recht.Einer der beiden Ansätze wird derzeit vom US-Kongress vorangetrieben. Unter dem Stichwort “Nopec” sollen per Gesetz die Opec-Mitgliedsländer der amerikanischen Kartellgesetzgebung unterworfen werden, was dem US-Justizministerium die harsche Sanktionsmöglichkeit geben würde, nach Belieben Besitztümer der betroffenen Staaten und ihrer nationalen Ölgesellschaften zu enteignen. Das widerfährt derzeit bereits der venezolanischen PDVSA.Dieser Ansatz scheint aber aktuell nicht derjenige der Trump-Administration zu sein, denn US-Energieminister Rick Perry äußerte sich kürzlich erst skeptisch dazu – zumal auch die großen Ölkonzerne, die traditionell einen zentralen Einfluss auf die US-Politik haben, mit Blick auf ihre Aktivitäten in Opec-Ländern wie Nigeria und Irak negative Auswirkungen fürchten. Innerhalb der Trump-Administration scheint es die Idee einer informellen, von den USA gesteuerten Gegen-Opec in der westlichen Hemisphäre zu geben. Diese würden aus den USA als einem der drei weltweit größten Produzentenländer sowie aus Kanada und einem wieder von den USA kontrollierten Venezuela bestehen. Kanada produziert derzeit zwar lediglich 3,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd). Bis 2030 sollen es aber bereits 6,7 Mill. bpd ein – deutlich mehr als der Iran. Kanada verfügt zudem über größere Ölreserven als der Iran. Venezuela ist das Land mit den weltweit größten Ölreserven. Mit umfangreichen Investitionen in die von US-Sanktionen ausgebremste venezolanische Ölindustrie könnte Venezuela zu einem neuen Saudi-Arabien werden. So ist es auch kein Wunder, dass der vom Weißen Haus aufgebaute venezolanische Gegenpräsident Juan Guaidó in Aussicht gestellt hat, die Ölindustrie seines Landes für ausländische Konzerne zu öffnen. Die drei Länder kämen auf ein großes Gewicht im Markt, um den Ölpreis wie jeweils gewünscht nach oben oder unten zu bewegen, während sich der Einfluss einer aus US-Sicht durch die Annäherung an Russland unzuverlässiger gewordenen Opec durch die erwähnte Nopec-Gesetzgebung neutralisieren ließe.—–Von Dieter KuckelkornEs ist eher unwahrscheinlich, dass Trump einen weiteren Anstieg des Ölpreises zumindest bis zu den US-Wahlen zulässt.—–