IM BLICKFELD

Trumps schwerster Fehler

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.1.2020 Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, den iranischen General Kassem Soleimani und einen hohen irakischen Militär ermorden zu lassen, dürfte sich als die schwerwiegendste und...

Trumps schwerster Fehler

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, den iranischen General Kassem Soleimani und einen hohen irakischen Militär ermorden zu lassen, dürfte sich als die schwerwiegendste und folgenreichste seiner Amtszeit herausstellen. Sie wird die Region um den Persischen Golf in den nächsten Jahren prägen. Damit dürfte sie auch nicht nur kurz-, sondern auch mittel- bis langfristig Einfluss auf den Ölpreis nehmen und auch auf die globalen Finanzmärkte.Hinter der Entscheidung der US-Administration stehen offenbar zwei Überlegungen. Zum einen sind viele der militärischen Berater des Präsidenten Veteranen der Kriege in Afghanistan und dem Irak. Sie müssen erleben, dass der Einfluss der USA trotz des Siegs im zweiten Irakkrieg und trotz der Besetzung Afghanistans schwindet und dass sich der Iran zur führenden Regionalmacht entwickelt. Gleichzeitig ist der Iran einer der zentralen Knotenpunkte auf der von China ins Leben gerufenen neuen Seidenstraße, die durch die ökologische Integration Eurasiens die globale politische, ökonomische und militärische Vormachtstellung der USA in Frage stellt. Der Iran gilt den USA im Gegensatz zu Russland und China als eines der noch am leichtesten angreifbaren Ziele. Insofern darf man davon ausgehen, dass es das Ziel der US-Administration war, eine scharfe Reaktion Teherans zu erzeugen, die sich als Grund für einen Krieg verwenden lässt, der den Iran um Jahrzehnte zurückwerfen und das Land womöglich wieder zu einem amerikanischen Klientelstaat machen könnte.Das Problem ist, dass es Trump und seinen Beratern nicht gelungen ist, einen kohärenten Plan mit halbwegs realistischen Erfolgsaussichten zu entwickeln. Beide möglichen Ausgänge – der Iran lässt sich auf einen Krieg ein oder nicht – dürften die strategische Position der USA in der Region entscheidend schwächen. Bis an die Zähne bewaffnetSo haben die USA mittlerweile keine Chance mehr, in einem Krieg den Iran ohne den Einsatz von Atomwaffen zu besiegen – ganz abgesehen davon, dass sich die USA einen derartigen Krieg finanziell nicht mehr leisten können. Eine Eroberung des Landes mit seinen 80 Millionen Einwohnern durch Bodentruppen nach dem Vorbild Irak verbietet sich zudem aufgrund der Topografie des Landes und der Tatsache, dass der Iran bis an die Zähne bewaffnet ist. Gemäß Studien des Pentagon würden selbst 500 000 US-Soldaten nicht reichen, um die Ölprovinz Chuzestan und den strategisch wichtigen Küstenstreifen entlang des Persischen Golfs und der Straße von Hormus zu erobern und zu halten. Der Iran verfügt über leistungsfähige Raketensysteme, mit denen er die Ölinfrastruktur der gesamten Region zerstören kann. Darüber hinaus ist er in der Lage, die Straße von Hormus zu sperren und damit die Industrieländer von der Ölversorgung abzuschneiden. Nicht ohne Grund hat die U.S. Navy ihren Flugzeugträgerverband Abraham Lincoln (CVN-72) nach Trumps Aktion aus der Region abgezogen. Er wäre ein leichtes Ziel für die iranischen Anti-Schiff-Raketen.Somit bliebe den USA nur noch als Möglichkeit, nach dem Vorbild des Jugoslawienkriegs mit einem Angriff mit Hunderten bis mehr als tausend Tomahawk-Cruise-Missiles die zivile Infrastruktur des Irans zu vernichten. Darauf spielte Trump offensichtlich mit seiner jüngsten Drohung an, 52 Ziele in einer eklatanten Verletzung der Genfer Landkriegsordnung zu zerstören. Es wäre allerdings zweifelhaft, ob eine solche Militärkampagne die gut getarnten Raketensysteme des Irans nennenswert beeinträchtigen würde. Sollte Trump dennoch diese Entscheidung für einen Angriff auf den Iran treffen, wären ein Ölpreis in der Größenordnung von 200 Dollar/Barrel, eine schwere Rezession in den Industrieländern und eine neue Finanzkrise die Folge.Die iranische Führung hat deutlich gemacht, dass sie sich nicht auf einen Krieg gegen die USA einlassen wird. Sie wird eine Kampagne der Nadelstiche gegen militärische Ziele der USA einleiten, dabei aber darauf achten, dass sich die Aktionen nicht auf den Iran zurückführen lassen. Ziel einer solchen Kampagne ist es, die Chancen Trumps auf eine Wiederwahl zunichtezumachen. Anschläge auf zivile amerikanische Ziele weltweit wird es dabei mit Blick auf negative Folgen für das Image des Irans im Ausland aller Voraussicht nach nicht geben, wie Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der eng mit dem Iran verbündeten libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, bereits erklärte.Die iranische Führung wird die Gelegenheit nutzen und darauf hinwirken, dass die USA ihre militärische Präsenz im Irak und in der Folge in Nordostsyrien verlieren. Darauf hatte Soleimani seit Jahren ohne Erfolg hingewirkt. Nun rückt dieses Ziel mit den Absichtserklärungen des irakischen Ministerpräsidenten Adil Abdul-Mahdi und des irakischen Parlaments in greifbare Nähe. Dies wäre die ultimative Rache für die Ermordung Soleimanis: Die USA würden mit einem Schlag fast ihren gesamten Einfluss in der Region verlieren. Sie könnten neben Israel nur noch auf das schwächer werdende Saudi-Arabien als Bündnispartner zurückgreifen. Der Iran wäre als Folge die unbestrittene Großmacht der Region – nicht ohne Grund versucht Saudi-Arabien hinter den Kulissen bereits seit einiger Zeit eine gewisse Wiederannäherung an den Iran. Trump scheint diese Gefahr erkannt zu haben. Seine Drohung, den bisherigen Verbündeten Irak mit “schwersten Sanktionen” zu überziehen, lässt sich nur als Panikreaktion deuten.